Evangelische Kirche und Staatsanwalt ermitteln gegen den Ahrensburger Geistlichen. Bereits 1999 hatte sich eine Frau an die Kirche gewandt.

Ahrensburg. Schwerer Verdacht gegen einen evangelischen Pastor: Der Ahrensburger soll mehrere Jugendliche sexuell missbraucht haben. Nicht nur die Staatsanwaltschaft, sondern auch die Evangelisch-Lutherische Kirche ermittelt gegen den Mann, der die Taten von Ende der 70er- bis in die erste Hälfte der 80er-Jahre in der Kirchengemeinde Ahrensburg begangen haben soll und heute im Ruhestand ist. "Das Nordelbische Kirchenamt hat die zuständige Staatsanwaltschaft informiert und führt seine disziplinarischen Ermittlungen in enger Absprache mit den staatlichen Stellen weiter", sagte der stellvertretende Pressesprecher Thomas Kärst der Abendblatt-Regionalausgabe Stormarn.

Bei der Staatsanwaltschaft Lübeck läuft bereits ein Überprüfungsverfahren. "Die Fälle liegen Jahrzehnte zurück. Deshalb prüfen wir zunächst, ob die Verjährungsfristen verstrichen sind", sagte Oberstaatsanwalt Günter Möller. Bei den vorgeworfenen Delikten liegt die Verjährungsfrist bei zehn Jahren nach der Tat beziehungsweise nach dem 18. Geburtstag der Opfer.

Außer den Hinweisen der Kirche liegt auch eine Strafanzeige der Polizei Ahrensburg vor, die laut Möller am11. Mai 2010 in Lübeck eingegangen ist. Die Anwältin des Beschuldigten sagte mit Verweis auf das laufende Ermittlungsverfahren der Kirche, er werde sich zu den Vorwürfen nicht äußern.

Am Mittwoch wurde auch bekannt, dass sich bereits 1999 eine Frau an die damalige Kirchenleitung gewandt und entsprechende Vorwürfe gegen den Pastor erhoben hatte. Das bestätigte Kirchensprecher Kärst. Daraufhin sei der Mann aus der Kirchengemeinde "herausgenommen worden", sagte Kärst. "Nach einer Zwischentätigkeit in einer übergemeindlichen Projektstelle wurde er zum 1. Januar 2001 in den vorgezogenen Ruhestand versetzt." In der Projektstelle sollte er laut Kärst für die Planung von Seelsorge in einer Jugendstrafanstalt zuständig sein.

Die ehemalige Ahrensburgerin, die sich 1999 an die Kirchenleitung wandte, hat jetzt mit weiteren mutmaßlichen Opfern an Hamburgs Bischöfin Maria Jepsen geschrieben. In dem vom 11. März 2010 datierten Brief, der der Regionalausgabe Stormarn vorliegt, heißt es: "Mir geht es um die Würde der Opfer, die Anprangerung der Kultur des Wegsehens und Schweigens, welche ich selbst noch vor zehn Jahren in Ahrensburg erlebt habe." Bei den Übergriffen seien mehrere Mitglieder einer Jugendgruppe missbraucht worden.

Mit mehreren Mädchen habe er von deren 16. Lebensjahr an Geschlechtsverkehr gehabt. "Er hat mir eingeredet, ich sei die Einzige, die Beste, die Tollste, und niemand darf etwas erfahren", beschreibt die heute 46-Jährige, die Ahrensburg 1984 verließ, die Übergriffe. Sie habe sich erstmals 1984 einer Kirchenmitarbeiterin anvertraut, 1999 habe sie die damalige Pröpstin angesprochen. Als Reaktion auf die Vorwürfe versetzte die Kirche den Pastor, Strafanzeige wurde jedoch nicht erstattet. Das sei für sie ein Schock gewesen, schreibt die ehemalige Ahrensburgerin.

Die Bischöfin Maria Jepsen habe jetzt mit einem Brief geantwortet, sagte Kirchensprecher Kärst. "Sie hat ihre Bestürzung deutlich gemacht und ein Gespräch angeboten. Die Bischöfin ist entsetzt über die Details."

Auch der Ahrensburger Sebastian Kohn erhebt schwere Vorwürfe gegen den Pastor im Ruhestand. Bereits 1982 sei er als 14-Jähriger auf einer Jugendfreizeit im Elsass von dem Mann missbraucht worden. "In der Nacht vom 21. zum 22. Juni 1982 hat er mich aus meinem Schlafsack rausgezerrt und hat mich angefasst." Es gebe weitere Opfer, sagt der Mann, der seine Aussagen gegenüber dem Abendblatt mit einer eidesstattlichen Versicherung untermauert. "Ich habe erlebt, wie er Schüler der Stormarnschule mit ins Pastorat gebracht hat, um sogenannte Seminare abzuhalten. Da wurde immer viel Alkohol konsumiert, und ich habe mehrfach gesehen, wie er mit Schülern und Schülerinnen rumgeknutscht hat und an ihnen herumgefummelt hat." Darüber reden konnte er erst Jahre später in einer Therapie. "Damals fühlte ich Scham und Verzweiflung. Und es fehlte mir der Mut. Dieser Kirchenmann wird ja in der Gemeinde geschätzt."