Ein Gespräch mit Maria Aurora von Königsmarck, die am Wochenende 350. Geburtstag hat. Stade ehrt sie mit einem großen Fest.

Am kommenden Sonnabend jährt sich der Geburtstag von Maria Aurora Gräfin von Königsmarck zum 350. Mal. Grund genug für die Stadt Stade, ein großes Fest anzuberaumen. Ein Szenenspiel, ein Geburtstagskonzert, Lesungen und diverse Führungen stehen auf dem Programm. Das Hamburger Abendblatt funkte Aurora im Jenseits an und plauderte mit ihr über damals und heute.

Hamburger Abendblatt: Am Sonnabend steht ihr 350. Geburtstag an. Wenn Sie noch leben würden, wie würden Sie diesen Tag feiern?

Aurora von Königsmarck: Bombastisch und ausschweifend natürlich! Ich würde mich schick anziehen, meine Perücke noch mal ein bisschen schön machen und ein großes Fest feiern, mit einer Maskerade, tollem Essen, mit Kutschen und Pferden. Ich würde ganz viele Leute von verschiedenen Fürstenhöfen einladen, schöne Frauen und interessante Männer. Und vielleicht würde ich den Leuten auch mal zeigen, wie eine Orgie im 17. Jahrhundert so ausgesehen hat. Wir waren damals schließlich keineswegs prüde.

Hätten Sie gedacht, dass Ihr Geburtstag selbst im Jahr 2012 noch vier Tage lang gefeiert werden würde?

Von Königsmarck: Ich hätte es mir gewünscht. Das gehört auch zu meinem Selbstverständnis. Ich komme aus einer vornehmen, bedeutenden Familie, die in ganz Europa bekannt war. Deswegen habe ich schon erwartet, dass ich auch Jahrhunderte später verehrt werde und man mich feiert. Schließlich hat selbst Theodor Fontane noch lange nach meinem Tod in seinen Werken von mir geschrieben. Im Grunde ist mein Leben richtig filmreif.

Und Voltaire hat Sie neben Katharina der II. als berühmteste Frau zweier Jahrhunderte bezeichnet.

Von Königsmarck: Das war ich auch! Ich wurde überall mit offenen Armen aufgenommen und umschwärmt, war sogar mit der Frau meines Geliebten August der Starke befreundet. Ich war hübsch, künstlerisch begabt und ich konnte mich an allen Königs- und Fürstenhöfen frei bewegen. Aber ich war auch klug. Ich habe die beste Ausbildung genossen, die es in der damaligen Zeit in Schweden überhaupt gab, konnte diverse Sprachen und habe mein eigenes Leben geführt.

Sie waren nie verheiratet. Für die damalige Zeit sehr ungewöhnlich.

Von Königsmarck: Ja, das war damals ungewöhnlich. Ich war wirklich selbstständig, ich wollte gerne unabhängig sein und war froh, als ich dann Pröpstin in Quedlinburg wurde und mein eigenes Geld hatte.

Die Rolle der Frau in der Gesellschaft hat sich seitdem stark verändert. Sind Sie froh, dass Sie damals gelebt haben, oder würden Sie gerne heute leben, weil Sie als die starke Frau, die Sie waren, heute vielleicht viel mehr erreicht hätten?

Von Königsmarck: Das ist eine schwierige Frage. Damals und heute, das sind völlig verschiedene Zeiten. Eine Zeit wie heute hätte ich mir damals nicht ansatzweise vorstellen können. Ich hätte sicherlich Gefallen daran gehabt, mehr Einfluss zu haben. Ich musste immer Rücksicht nehmen und fragen, hatte immer einen schützenden Mann im Hintergrund, anfangs meinen Vater, dann meinen Onkel und später August den Starken. Heute können die Frauen ein modernes, selbstständiges Leben führen. Darum beneide ich sie. Auf der anderen Seite ist das Leben heute überhaupt nicht mehr höfisch, sondern sehr sachlich und nüchtern. Das wäre nichts für mich.

Nicht nur ihren Glamour, sondern auch ihren Einfluss haben die Königshäuser verloren.

Von Königsmarck: Ein Jammer. Ich kann gar nicht begreifen, wie es dazu gekommen ist, dass die Königshäuser heute nur noch ein Aushängeschild sind. Meine Familie war mit dem schwedischen Königshaus verwandt und gehörte zu den einflussreichsten des 17. Jahrhunderts. Mein Onkel und mein Großvater waren nicht nur im militärischen Bereich ganz oben angesiedelt, sondern waren gleichzeitig auch noch Gouverneure bestimmter Regionen. Familien, die so einflussreich sind, gibt es in der westlichen Kultur heute nicht mehr.

Was ist aus Ihren Nachfahren geworden?

Von Königsmarck: Unsere schwedische Grafenfamilie ist ausgestorben, die gab es leider nur über drei Generationen. Mein Sohn mit August dem Starken, Moritz von Sachsen, war allerdings der Urgroßvater von der französischen Schriftstellerin George Sand. Sie war die Geliebte von Frédéric Chopin und hat sich sehr für die Emanzipation der Frau eingesetzt. Auf sie bin ich wirklich stolz, sie hat mein Leben praktisch weiter gelebt.

Welcher Typ Frau wären Sie heute: Angela Merkel, die selbst Politik macht, oder Carla Bruni, die glamouröse Frau an der Seite eines einflussreichen Mannes?

Von Königsmarck: Ich denke ich habe von beiden etwas in mir. Verantwortung übernehmen liegt mir genauso wie der Glamour-Faktor von Carla Bruni. Vielleicht wäre ich Angela Merkel, aber im Körper von Carla Bruni.

Oder wären Sie vielleicht sogar Popstar geworden? Schließlich waren Sie auch künstlerisch begabt.

Von Königsmarck: Das stimmt, ich habe Lieder und Gedichte geschrieben, Laute und Viola da Gamba gespielt und bin bei Festen auch als Schauspielerin aufgetreten. Trotzdem wäre ich heute nicht Madonna, denn die Kunst lief für mich eher nebenbei. Es war ein wichtiger Teil meines Lebens, aber das alleine hätte mich nicht ausgefüllt. Wenn ich heute leben würde, würde ich politisch mitmischen wollen.

Bei welcher Partei wären Sie?

Von Königsmarck: Bei gar keiner! Ich wäre unabhängig.

Wenn Sie sich das aktuelle politische Geschehen anschauen, zum Beispiel die Finanzkrise, schlagen Sie dann die Hände über dem Kopf zusammen?

Von Königsmarck: Nein, Finanzkrisen habe ich selbst erlebt. Sowohl meine Familie hatte finanzielle Schwierigkeiten, als auch das Königreich Schweden. Seit meiner späten Jugend gab es ständig Schulden. Eigentlich lebte ich in einer ständigen Finanzkrise. Ich kann Sie also beruhigen, das Leben geht weiter. Zumal das bei mir damals eine Finanzkrise auf hohem Niveau war - was vielleicht auch auf die heutige Zeit zutrifft.