Neues Kamerazentrum in Lüneburg hat Heideflächen und Kiefernwälder in sechs Landkreisen Nordostniedersachsens im Blick.

Lüneburg. "Auf Schießplatz sieben brennt's", ruft Ulrich Drewes in den Telefonhörer. Am anderen Ende der Leitung ist er mit der Feuerwehr am Truppenübungsplatz in Bergen verbunden, die jetzt zum Löscheinsatz ausrückt. Festgestellt hat den Brand Lars Päper, der als Operator in der Zentrale des Automatisierten Waldbrandfrüherkennungssystems (AWFS) arbeitet. Sobald sein Computer Alarm schlägt, meldet er das per Mausklick Drewes, dem am Nebentisch sitzenden Manager des AWFS im Lüneburger Behördenzentrum Auf der Hude. Der dortige Kontrollraum für trockene Heideflächen und Kiefernwälder in sechs Landkreisen in Nordostniedersachsen ist wegen der aktuell hohen Waldbrandgefahr in der Region wieder besetzt.

Wie die beiden Forstwirte aus mehr als 50 Kilometer Entfernung vor der örtlichen Feuerwehr von dem Brand erfahren, ist ein kleines Wunder der digitalen Fototechnik, das ursprünglich vom Deutschen Zentrum für Luft und Raumfahrt für weniger bodenständige Zwecke entwickelt worden ist. Ein Computer vergleicht jeweils drei Panoramaaufnahmen, die innerhalb von zehn Sekunden gemacht wurden. Ein Bereich mit Graustufen, der sich auf den Schwarz-Weiß-Fotos verändert, könnte eine Rauchwolke sein.

Das Computerprogramm zeigt in einem "Ereignisfall" eine in auffallendem Rot markierte Meldung an. Der zuständige Operator ruft den vom Computer als potenziell kritisch erkannten Bereich in Vergrößerung auf, um das Bild in Augenschein zu nehmen. Sehr schnell vorbeiziehende Grauschleier auf den Fotos vom Truppenübungsplatz in Bergen auf Päpers Bildschirm zum Beispiel deuten auf von fahrenden Panzern aufgewirbelten Staub hin.

+++ Heidewälder erhalten eine gesunde Mischung +++

+++ Dem Klecker Wald droht Kahlschlag +++

Wenn es für die geschulten Blicke der jeweils fünf gleichzeitig arbeitenden AWFS-Fachkräfte nach einem Feuer aussieht, nimmt Manager Drewes eine Kreuzpeilung vor. Dabei ermittelt er den Ort des Geschehens durch den Blick aus zwei Überwachungskameras auf das mögliche Feuer. Es ist dort, wo sich die Peilstrahlen der Kameras treffen. Sie sind zumeist an Sendemasten für Mobil- und Rundfunkanlagen oberhalb benachbarter Baumwipfel angebracht und blicken mehr als zehn Kilometer weit in die Landschaft. Ihre Standorte und aktuelle Ausrichtung werden auf einer Landkarte auf Drewes' Computerbildschirm angezeigt.

Die sich in jeweils neun Minuten im 360-Grad-Radius drehenden Kameras übermitteln ihre Bilder von 17 Standorten per Digitalfunk in die AWFS-Zentrale. Im westlichen Landkreis Lüneburg gibt es eine Station in Kirchgellersen, die zusammen mit Kameras in Muster, Soltau, Bispingen und Schneverdingen von Operator Christoph Schramm überwacht werden. Statt Heideflächen hat sein Kollege Andreas Avermann die Kiefernwälder entlang der Elbe im Blick, die im westlichen Landkreis Lüneburg beginnen. Auf seinem Monitor sieht er Fotos aus Neetze, Zernien, Bienenbüttel und Gorleben. Für die südlich davon liegende Region ist Reimar Carstens zuständig.

Die für eine Fläche von 900 000 Hektar verantwortliche AWFS-Zentrale ist mit speziell ausgebildeten Forstwirten besetzt, sobald der Waldbrandgefahrenindex des Deutschen Wetterdienstes (DWD) über der Stufe Drei liegt, der eine mittlere Gefahr anzeigt. Berechnet wird das Gefahrenpotenzial durch Daten wie Baumbestand und Bodenbeschaffenheit, Luftfeuchtigkeit und Windrichtung. Eine der Messstationen liegt in Wendisch Evern. Während dort die aktuelle Waldbrandgefahr als mittelmäßig hoch berechnet wurde, meldet die Messwarte Lüchow für heute die zweithöchste Gefahrenstufe.

Die täglich neu berechneten DWD-Indizes interessieren nicht nur die Mitarbeiter der AWFS-Zentrale, die als Beamte der Niedersächsischen Landesforsten dem Landwirtschaftsministerium in Hannover unterstellt sind. Im Auftrag des für die Waldbrandbekämpfung zuständigen Innenministeriums koordinieren Beamte der Polizeidirektion Lüneburg den Flugdienst der Freiwilligen Feuerwehr von der grasbewachsenen Start- und Landebahn an der Zeppelinstraße in Lüneburg.

"Bislang gibt es genügend Grundfeuchte", sagt Polizeisprecherin Wiebke Hennig. "Dafür sorgen kühle Nächte mit viel Tau am Morgen." Die roten Cessnas der Feuerwehr blieben daher bislang am Boden. Falls knochentrockenes Hitzewetter aber wieder brandgefährlich für die Wälder der Region wird und jede Hilfe beim Erkennen von Rauch und Flammen hilft, Schäden in Millionenhöhe zu vermeiden, heben sie wieder ab. Das sieht ein Erlass des Hannoveraner Innenministeriums vor.

Für Oberbrandmeister Thorsten Diesterhöft steht fest, dass die Flugbereitschaft der Feuerwehr trotz ihrer jeweils etwa 200 Euro teuren Flugstunden weiterhin gebraucht wird. Insbesondere wünscht er sich Unterstützung aus der Luft für seine Kameraden bei brenzligen Einsätzen. Die jeweils drei ehrenamtlichen Kräfte an Bord der Propellermaschinen könnten die Löschtrupps am Boden dirigieren. Diesterhöft: "Man fühlt sich schon sehr viel sicherer, wenn da oben einer kreist und den Überblick über Zufahrtswege im Wald und Ausdehnung des Feuers im gesamten Gefahrengebiet hat."

Zu ihren reinen Beobachtungsflügen jedoch brauchen die Feuerwehrflieger auch bei knochentrockener Vegetation im Hochsommer nicht zu starten meint Helmut Beuke. Der Betriebsdezernent im Forstamt Oerrel hat den Aufbau des Lüneburger AWFS geleitet, das vor zwei Jahren mit einigen Startschwierigkeiten an die Stelle der Wachtürme zur Waldbrandüberwachung trat. Die ebenfalls zu diesem Zweck durchgeführten Kontrollflüge sind seiner Meinung nach überflüssig. Das für 2,3 Millionen Euro errichtete AWFS mit Lüneburger Kontrollzentrum habe im vorigen Jahr etwa 100 Brände entdeckt. Als nächsten Schritt plant Beuke, den Alarm elektronisch an die örtlichen Feuerwehren weiterzugeben.