Ulrich Mädge übernahm vor zwanzig Jahren die Amtskette im Lüneburger Rathaus. Seitdem hat Mädge viele Großprojekte angeschoben.

Lüneburg. Einen Titel kann ihm keiner mehr nehmen: Ulrich Mädge (SPD) ist schon jetzt der dienstälteste Oberbürgermeister Lüneburgs in der Nachkriegszeit. Seit 1991 hält er den Posten an der Rathausspitze - zunächst als ehrenamtlicher Bürgermeister der damals rund 61.000 Einwohner zählenden Heidestadt. Seit 1996 ist er hauptamtlicher Oberbürgermeister der alten Salzstadt, die mittlerweile mehr als 72 000 Einwohner hat.

Zahllose Posten, Funktionen und Mitgliedschaften hat der 61-Jährige in den zwanzig Jahren ausgeübt. So war er zweimal, in den Jahren 2001 und 2008, Präsident des Deutschen Städtetages. Wenn man ihn selber fragt, was für ihn das wichtigste Ereignis während seiner Tätigkeit als Bürgermeister war, verweist er nicht auf einen eigenen, sondern einen fremden Ehrentitel. Dass Lüneburg sich wieder mit dem Namen "Hansestadt" schmücken durfte, bedeutet ihm viel. "Dieses Privileg verweist auf die große Geschichte Lüneburgs, und es wirkt bei Neubürgern identitätsstiftend", sagte Mädge anlässlich eines Empfangs zu seinem 60. Geburtstag im letzten Sommer.

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So sympathisch und bodenständig es wirkt, wenn der Oberbürgermeister einer aufstrebenden Hansestadt in der Metropolregion Hamburg mit dem Bus oder dem Fahrrad zur Arbeit fährt, auf dem Marktplatz das Stadtfest eröffnet oder betagten Jubilaren zum Geburtstag gratuliert - seine politischen Gegner kennen Ulrich Mädge auch anders.

"Wenn der Oberbürgermeister etwas durchsetzen will, dann schafft er das", sagt beispielsweise Lüneburgs Bundestagsabgeordneter Eckhard Pols (CDU), der neuerdings auch den Stadtverband seiner Partei führt und zusehen muss, wie seine aus der letzten Koalition mit der SPD ziemlich gerupft hervorgegangene Fraktion wieder Konturen gewinnt. Auch Andreas Meihsies, Chef der Grünen-Rathausfraktion, und demnächst wahrscheinlich ehrenamtlicher Bürgermeister dieser Stadt, hat seine Erfahrungen mit Ulrich Mädge gemacht. "Ich habe hohen Respekt vor seiner politischen Lebensleistung. Ich schätze ihn durchaus, hätte mir aber gewünscht, dass er an der einen oder anderen Stelle mehr Gelassenheit gezeigt und mehr Basisdemokratie zugelassen hätte", sagt Meihsies.

Aus Mädges Sicht waren die letzten 20 Jahre wohl ohne manchen - auch verbalen - Kraftakt nicht möglich. Die Konversion der ehemaligen Scharnhorstkaserne in eine Universität, der Bau eines dritten Schienenweges nach Hamburg, der Ausbau des Bahnhofs, die Neustrukturierung der städtischen Museumslandschaft und der Umbau des städtischen Klinikums in eine Gesundheitsholding - dabei wurden keine dünnen Bretter gebohrt.

Einiges von dem, was Mädge sich auf die Fahnen geschrieben hatte, ging aber auch daneben: Der Ausbau des Lüneburger Industriehafens zum großzügigen Logistikstandort Hanseport wurde gerade in der Koalitionsvereinbarung mit den Grünen beerdigt. Einen Ausbau des Lüneburger Flughafens im Osten der Stadt wird es mit dem neuen Koalitionspartner, den Grünen, kaum geben. Und die Sparkassenfusion zwischen den Geldinstituten Lüneburg und Harburg, vom Oberbürgermeister stark befürwortet, scheiterte im Stadtrat.

Ob zwei seiner weiteren Großprojekte, die er mit Partner stemmen will, muss sich noch zeigen: Die Errichtung eines Audimax an der Universität und der Bau einer neuen Autobahn zwischen Lüneburg und Wolfsburg, die umstrittene A 39 stehen ganz oben auf der Prioritätenliste für Mädge. Die neue Autotrasse wird von den Anwohnern im Osten der Stadt - auch mit dem Tunnel, für den Mädge sich stark macht - entschieden abgelehnt. Und für die Finanzakrobatik, die das Präsidium der Universität hingelegt hat, um fast ohne Eigenkapital ein 60 Millionen schweres Zentralgebäude nach Entwürfen des Architekt Daniel Libeskind bauen zu können, bekam der Vizepräsident der Universität in diesem Sommer eine Rüge vom niedersächsischen Landesrechnungshof. Beide Vorhaben scheinen finanziell nicht abgesichert, wie überhaupt die Finanzknappheit der öffentlichen Kassen inzwischen manchen Strich durch die Rechnung der Kommunen macht. Lüneburg möchte dem Entschuldungfonds des Landes beitreten - was den Vorteil hätte, dass es bei Einhaltung gewisser Auflagen irgendwann einen Schuldenschnitt für die Stadt geben würde. Allerdings müsste die Stadt sich im Gegenzug dazu verpflichten, freiwillige Leistungen weiter herunter zufahren. Wie weh das tut, haben alle Ratsmitglieder bereits in der vergangenen Amtsperiode des Stadtrats erfahren.

Ob der Rathauschef unter diesen Voraussetzungen im Jahr 2014 noch einmal zu seiner Direktwahl als Oberbürgermeister antreten will, ist heute noch nicht sicher. In den Jahren 2001 und 2006, den ersten beiden Direktwahlen, konnte er sich 50 beziehungsweise 60 Prozent der Wählerstimmen sichern. Im nächsten Wahlkampf wäre Ulrich Mädge 64 Jahre alt - ob dann wieder ein Bombenergebnis herauskommen wird, hängt auch davon ab, welchen Gegenkandidaten die CDU für die Position vorschlagen wird. Bis jetzt ist in den gegnerischen Reihen kein geeigneter Kopf gesichtet worden. Ulrich Mädge wird es recht sein. (abendblatt.de)