Metronom-Pendler aus Lüneburg und Winsen klagen über Platzmangel, leiden unter Baustellen und der neue Fahrplan verspricht kaum Besserung.

Lüneburg. Jeden Morgen das gleiche Ritual: Bahnhof Lüneburg, Bahnsteig 2, 7.25 Uhr, die Lautsprecheransage kündigt den einfahrenden Metronom in Richtung Hamburg an. Im nächsten Moment kommt Bewegung in die Menge der wartenden Pendler: Die Türen des blau-weiß-gelben Zuges fest im Visier, drängen sie zur Bahnsteigkante, bilden eine schmale Gasse, um Fahrgästen den Ausstieg zu ermöglichen. Sekunden später entern die Wartenden die Doppelstock-Waggons, um sich einen Sitzplatz zu sichern. Wer keine Pole-Position an den Türen hatte, hat schnell das Nachsehen: Die jeweils 133 Sitzplätze der sieben Großraumwaggon reichen nicht für alle in Lüneburg Zugestiegenen. Gar chancenlos, was einen der begehrten Sitzplätze angeht, sind die Pendler, die in Winsen/Luhe hinzukommen.

Marlies Rehmers, die seit Einführung des Metronoms im Dezember 2003 die Verbindung nutzt, um von Winsen aus zu ihrem Arbeitsplatz bei Beiersdorf in Hamburg zu gelangen, ist eine von ihnen, die sich über mangelnde Sitzgelegenheiten in dem Nahverkehrszug ärgert. "Bis vor etwa einem Jahren war es mal besser mit diesem Zug", erinnert sie sich. Als sie unlängst morgens ihren Unmut über den Zustand bei einem der Metronom-Zugbegleiter kundtat, verwies dieser sie freundlichst an die Landesnahverkehrsgesellschaft Niedersachsen (LNVG), die für den Einsatz der Züge zuständig sei. Die Metronom-Gesellschaft sei "nur ausführendes Organ", so der Schaffner schon fast entschuldigend.

Bei der LNVG in Hannover gibt man den schwarzen Peter für allerdings gleich weiter in Richtung Bahn. "Eine Ausweitung des Angebots im Schienenpersonennahverkehr wird durch die unzureichende Infrastruktur im Zulauf zum Hamburger Hauptbahnhof sowie im Hamburger Hauptbahnhof begrenzt", erläutert Joachim Ebinger von der LNVG. Schon heute "konkurrieren Nahverkehrszüge zwischen Harburg und dem Hauptbahnhof mit dem Güterverkehr vom und in den Hamburger Hafen um Trassen aufgrund der Kreuzung von Fahrwegen", so Ebinger weiter. Langfristige Lösung wäre hier der Bau einer Brücke, die den Verkehr entflechten würde.

Der Streckenabschnitt zwischen Winsen/Luhe und Hamburg-Harburg wies bereits vor drei Jahren von montags bis freitags cirka 20 000 Personenfahrten am Tag auf. Zwar liegen der LNVG nach eigenem Bekunden aktuellere Zahlen für die Streckenauslastung nicht vor, aber laut Ebinger schwanken die prognostizierten Zuwachsraten von 2008 bis 2025 "je nach unterstelltem Szenario zwischen 0 und 25 Prozent".

+++ Das dritte Gleis wächst rasant +++

+++ Hauptbahnhof hat Kapazitätsgrenze erreicht +++

Um dem stetig zunehmenden Bedarf an Zügen auf der Strecke Uelzen - Hamburg zu decken, hatte die LNVG zum Dezember 2010 zwar schon werktags Verstärkerzüge beim Metronom in Auftrag gegeben. Um alle Züge in den Stoßzeiten im Hauptbahnhof unterzubringen, war es jedoch erforderlich, dass die Bahnsteiggleise 11 bis 14 signaltechnisch in der Mitte geteilt wurden: Zwei Züge mit je sieben Waggons teilen sich seither eine Bahnsteigkante, das heißt, gleichzeitige Belegung eines Gleises mit zwei verschiedenen Zügen. Der Preis dafür: Der Platz reicht nur noch für Züge mit sieben Waggons. Der früher vorhandene achte wurde abgehängt.

Dass im Hauptbahnhof die Zahl der Bahnsteige nicht ausreicht, um insbesondere in den Hauptverkehrszeiten alle Züge aufzunehmen, beklagt aber nicht nur die LNVG. Auch der Fahrgastbeirat im Landkreis Harburg ist bereits seit 2005 in dieser Sache aktiv. "Wir haben verschiedene Initiativen unternommen und Vorschläge den Verkehrspolitikern der Hamburgischen Bürgerschaft, der LNVG sowie der Bahn vorgestellt. Leider bisher ohne Erfolg", so Klaus Steinfatt, Sprecher Arbeitsgruppe Bahn im Fahrgastbeirat.

Aus Sicht des Fahrgastbeirates gibt es Möglichkeiten, den Flaschenhals Hauptbahnhof aufzuweiten: Die Leit- und Sicherungstechnik im Hauptbahnhof muss so geändert werden, "dass auch Züge mit acht Waggons in einen Abschnitt eines Bahnsteiggleises" einfahren können. Denkbar für den Fahrgastbeirat wäre auch die Schaffung eines weiteren Bahnsteiges an Gleis 9 durch Überbauung des von "Güterzügen zur Durchfahrt genutzten Gleises 10 mit einem Bahnsteig. Beide Vorschläge treffen bei Bahn-Sprecher Egbert Meyer-Lovis auf keine Zustimmung: "Die Idee des Umbau des Gleises 10 zu einem Bahnsteig wurde bereits im vergangenen Jahr verworfen, da das Gleis für die durchgehenden Züge benötigt wird."

Sowohl Meyer Lovis als auch Elbinger favorisieren deshalb eine Lösung, die den Pendlern aus Lüneburg und Winsen erst langfristig das Leben erleichtern würde: Der Bau der S-Bahn-Linie 4 nach Ahrensburg würde das Kapazitätsproblem im Hauptbahnhof entspannen. Elbinger: "Ein Teil der Metronom-Züge könnte dann an den S-Bahnsteigen (Gleise 1 bis 4) halten und damit würden Bahnsteigkapazitäten für die anderen "konventionellen" Züge frei würden.

Schleswig-Holsteins Verkehrsminister Jost de Jager hatte unlängst angekündigt: "Wir tun alles, damit aus der Vision S4` bis 2018 Wirklichkeit wird!" Für die Metronom-Pendler auf der Lüneburger Strecke heißt das im Klartext: In den kommenden sieben Jahren wird sich für sie nach derzeitigem Stand die Situation nicht verbessern.

Im kommenden Jahr wird die Geduld eher noch zusätzlich strapaziert: Bis November 2012 wird an der Strecke zwischen Winsen und Radbruch ein Gleis der Hauptrecke wegen Bauarbeiten gesperrt. Von Mai bis August 2012 wird zudem das Brückenbauwerk "Kasematten" kurz vor der Einfahrt in den Hamburger Hauptbahnhof saniert. Deshalb kommt es zu Sperrungen der Güterzuggleise, die teilweise auch von Nahverkehrszügen zwischen Hamburg Hauptbahnhof und dem Abzweig Ericus befahren werden.

Da tröstet schon fast ein wenig die Ankündigung des Mitte Dezember anstehenden Fahrplan-Wechsels. Die kommissarische Metronom-Sprecherin Tania Anhäuser: "Es wird sich nichts gravierend ändern, bei den Metronom-Zügen kommt es lediglich bei den Zeiten zu Verschiebungen im Minutenbereich."