Pädagoge erhebt massive Vorwürfe gegen die Christianischule. Die Schulleitung hüllt sich in Schweigen, obwohl es Gewalttaten gebe.

Lüneburg. 2006 wandte sich das Kollegium der Rütli-Oberschule in Berlin-Neukölln mit einem offenen Brief an die zuständige Schulaufsicht. Darin schildert es schonungslos die Zustände an der Schule und forderte Konsequenzen ein. Der Brief hat in Politik und Gesellschaft ein immenses Echo ausgelöst. Fünf Jahre später erhält die Redaktion der Lüneburger Rundschau einen anonymen Brief.

Unterschrieben hat ihn "ein wütender Lehrer" hinter dem sich auch eine wütende Lehrerin oder Teile des Kollegiums verbergen könnten. In seinem Brief berichtet der Schreiber auffallend emotional über das schulische Leben an der Lüneburger Christianischule. Es ist der Hilferuf eines Pädagogen, der sich nicht anders zu helfen weiß, als die Öffentlichkeit zu informieren.

Er beschreibt die Gewalt an der Schule. Es gebe Gangs, von denen nicht nur die Schüler, sondern auch die Lehrer und sogar die Schulleitung Angst hätten. Viele gute Schüler trauten sich nicht mehr Leistungen zu bringen, weil sie von anderen fertig gemacht würden. "Sie erzählen von Erpressung, Diebstahl und Raub. Vandalismus in Toiletten und Fachräumen ist üblich. Möbel werden aus dem Fenster gestürzt, die Toiletten unter Wasser gesetzt, Fäkalien an die Wände geschmiert. Feuer wurde gelegt", schreibt der wütende Lehrer.

Er schildert die Angst der Kolleginnen, allein über bestimmt Flure zu gehen, und erwähnt Drogen, die in den dunklen Ecken des Schulhofes genommen würden. Darüber hinaus versetzten Gangs Schüler, Lehrer und Schulleitung in Angst und Schrecken. "Der Schulleitung ist alles egal, (...) sie schützt die Hilfe suchenden Kollegen nicht. Sie redet die Verhältnisse schön. Die Öffentlichkeit soll nichts erfahren, auch die Polizei wird nicht richtig informiert und die vorgesetzte Behörde schon gar nicht." Die Lehrer hätten Order von der Schulleitung, nichts nach außen dringen zu lassen. "Es ist alles so unglaublich verlogen hier. Viele meiner Kollegen sind am Ende."

Es versteht sich von selbst, dass ein solcher Brief nicht ungeprüft bleiben darf. Harald Vahlbruch, der als Schulleiter gegenüber seinem Kollegium und den Schüler Verantwortung trägt, wollte sich auch auf mehrfache Nachfrage nicht zu den Vorwürfen äußern.

Anders Susanne Strätz. Die Sprecherin der Landesschulbehörde Lüneburg bestätigte die Vorkommnisse teilweise. So habe einmal ein Schüler der Schule eine Bank aus dem Fenster geworfen, es sei in den Toiletten gezündelt worden und auch über mit Fäkalien beschmierten Toilettenwänden sei sie unterrichtet.

"Ja es gab solche Vorfälle. Die allerdings gibt es an vielen anderen Schulen auch. Zudem hat uns die Polizei schriftlich bestätigt, dass es weder Auffälligkeiten noch besorgniserregende Schlägereien an der Schule gebe." Im Gegenteil, Kontaktbeamten haben die gute Zusammenarbeit gelobt. Die Schülerschaft im Villenviertel Kreideberg sei eine, so Strätz, wie sie überall anzutreffen sei. Nicht besonders auffällig.

Differenzierter nimmt ein Lehrer des Kollegiums, der anonym bleiben möchte, Stellung zu den Vorwürfen. Auch er bestätigt die Ereignisse als Aktionen einzelner Schüler, die sich in einem längeren Zeitraum abgespielt hätten. Von Drogen und Kollegen, die sich bedroht fühlen, wisse er nichts. Allerdings sei das Kollegium gespalten, "Hauptschullehrer können nicht mit Realschullehrern und umgekehrt". Nach der Zusammenlegung von Haupt- und Realschule hätten sich zehn von zwölf Hauptschullehrern versetzten lassen.

"Die Kollegen sind unzufrieden, wie die Realschule sich entwickelt hat." Eingehend beschreibt der Mann die Veränderung der Schule in den vergangenen Jahren. Die Gründung der IGS spielt dabei eine bedeutende Rolle. "Die leistungsstarken Realschüler besuchen jetzt die IGS und nicht mehr die Christianischule." Stattdessen verzeichnete die Schule einen "unglaublichen" Zuwachs an muslimischen Schülern. "Acht von zehn Klassenkonferenzen laufen gegen kurdischstämmige Schüler", so der Pädagoge. Zudem sei der Schulleiter nur selten ansprechbar. "Es gibt keine Dienstbesprechung oder Gesamtkonferenz, in der Kollegen dies nicht beklagen."

Das Zwist im Kollegium herrscht und dass die Bürotür des Schulleiter häufig verschlossen ist, bestätigt ein ehemaliger Betreuer der Schule: "Zustände wie der Bronx herrschten dort. Hauptschulklassen wurden während des Unterrichts eingeschlossen, damit niemand hinaus noch hinein konnte."

Einer, der weiß wie Schule funktionieren sollte, ist Matthias von Saldern. Er ist Professor für Schulpädagogik an der Universität Lüneburg. Die Themen seiner Bücher lauten unter anderem "Mobbing", "Schulleistung in Deutschland", "Führen durch Gespräche" und "Sozialklima von Schulklassen".

Als unerlässlich für den Aufbau einer konstruktiven Schulkultur nennt er eine offene Gesprächskultur. Schulleiter müssen über die Fähigkeit verfügen, Erwachsene zu führen, zudem sollte es eine Feedbackkultur an der Schule geben und die Möglichkeit, Fehler zu machen, ohne dabei abgewertet zu werden.

Klassische Führungsfehler der Schulleitung seien das Wegsehen, das sogenannte "closed up", sowie indifferentes Führungsverhalten nach dem Motto "Mal so, mal so", sagt von Saldern: "Was veranlasst einen Lehrer, anonym zu bleiben?" fragt sich der Professor und verweist auf den Schulleiter, der die Tür hinter sich schließt.