Selbst Gymnasiasten fühlen sich nicht gut informiert. Sie bemängeln zu wenig aktuellen Bezug im Unterricht und kaum unabhängige Quellen im Internet.

Lüneburg. Luise Kühn und Lars Rehfeld interessieren sich für Politik. Sie ist 17, er 16 Jahre alt. Die beiden verbindet etwas, das sie mit nicht vielen ihrer Mitschüler teilen: dass sie am Sonntag, 11. September, zur Wahl gehen werden. Und doch fühlen sich die beiden Gymnasiasten allein gelassen mit dem Fakt, Erstwähler zu sein. Denn die anstehende Kommunalwahl ist im Unterricht kein Thema.

Die Lüneburger Rundschau hat sich mit den beiden getroffen, um sich das Wahlsystem erklären zu lassen. Die Idee: Die 16- und 17-Jährigen werden das Thema sicherlich aktuell im Unterricht behandeln und besser darüber Bescheid wissen als so manch ein Erwachsener, der schon Dutzend Mal gewählt hat - oder auch nicht gewählt hat.

Doch Luise und Lars mussten sich vor dem Termin erst im Internet schlau machen. Und nicht einmal dort haben sie eine einfache Erklärung dafür zu bekommen, was am 11. September passieren wird. "Das Thema Wahlen war bei uns in der neunten und zehnten Klasse Thema im Fach Politik und Wirtschaft", sagt Luise. Doch da war sie im Ausland. Im Unterricht sei die Kommunalwahl bislang nicht aufgegriffen worden - obwohl die jungen Leute am 11. September zum ersten Mal in ihrem Leben an die Wahlurnen treten dürfen.

"Es gibt keine Fünf-Prozent-Hürde. Und jeder hat drei Stimmen", erklärt die Gymnasiastin aus Neu Neetze, die die zwölfte Klasse des Johanneums besucht. "Die kann ich entweder kumulieren oder panaschieren. Das bedeutet: Ich kann alle drei auf eine Person vereinen oder sie verteilen auf verschiedene Personen, auch von verschiedenen Parteien. Und ich kann auch eine Liste wählen."

Unsicher sind Luise und Lars allerdings, wenn es darum geht, dass ein Kandidat von einem unteren Listenplatz durch viele direkte Stimmen Plätze auf der Liste überspringen kann - und andere Kandidaten dann trotzdem nach der Reihenfolge in die Räte einziehen.

Die beiden sehen es positiv, dass sie ab 16 Jahren an Kommunalwahlen teilnehmen dürfen. "Es ist nicht schlecht, früher teilhaben zu können", sagt Lars, und Luise hofft, dass dadurch die Wahlbeteiligung und das Interesse bei Jugendlichen an Politik steigen: "Es wird normaler, wählen zu gehen. Das Problem ist jedoch: Das Thema wird in der Schule nicht ausreichend behandelt." Die Schülersprecherin wollte die Kommunalwahl daher zum Tagesordnungspunkt einer Sitzung des Schülerrats machen und die Politiklehrer auf die Misere ansprechen: "Denkbar wäre, dass zumindest alle Klassensprecher auf die Wahlen hinweisen. Außerdem würde ich es gut finden, wenn alle Lehrer das Thema ansprechen, damit die Wahlbeteiligung und das Interesse steigen."

Tagesaktuelle Themen werden nach der Erfahrung von Lars im Politik-Unterricht nicht angesprochen, "es geht dort in erster Linie um Theorie". Von einem Politik-Leistungskurs haben die beiden daher Abstand genommen - obwohl sie die an Wahlen vermutlich interessiertesten Schüler ihres Jahrgangs sein dürften. Denn die meisten ihrer Mitschüler, schätzen Luise und Lars, winken bei dem Thema ab. "Sie wissen zwar, dass sie wählen dürfen, sagen aber: Das bringt doch sowieso nichts", sagt Luise. Trotzdem schätzen die beiden, dass von den 130 Schülerinnen und Schülern ihres Jahrgangs bei 60 bis 70 Prozent die "Grundbereitschaft" zum Wählen vorhanden sei. "Aber nur 40 Prozent von denen werden wählen gehen", denkt Luise.

Einig sind sich Luise und Lars zwar in dem Gefühl, "nicht wirklich eine Wahl zu haben", und dass es nur "das kleinere Übel" gebe, denn überzeugt sind die beiden von keiner Partei. Bei Lars kommt hinzu, dass sein Heimatort Hohnstorf eingefleischter CDU-Wählerkreis ist: "Da kann ich mit meiner Stimme ohnehin nichts ändern, seit Jahren gab es nicht einmal eine Koalition, das Ergebnis steht eigentlich schon fest."

Bei ihren Recherchen haben die Gymnasiasten außerdem gemerkt, wie wenig einfache Informationen es im Internet über die Kommunalwahl gibt. "Das war recht unübersichtlich und kompliziert, es fehlen unabhängige Quellen über die Parteiprogramme", sagt Luise. Lars sagt: "Die Bedingungen für Erstwähler sind katastrophal. Es erfordert ein hohes Maß an Eigeninitiative, um Bescheid zu wissen." Von ihrem Recht nicht Gebrauch zu machen, kommt für Luise und Lars trotzdem nicht infrage.