Obwohl Bernd Gerstacker seit mehr als 40 Jahren im Norden lebt, kann Bernd Gerstacker nicht aus seiner hessischen Haut.

Dahlem. Obwohl Bernd Gerstacker seit mehr als 40 Jahren im Norden lebt, kann er nicht aus seiner hessischen Haut. Die prägenden Jahre seiner Kindheit und frühen Jugend in Büdesheim am Rande der Wetterau nahe der Stadt Friedberg haben ihn jetzt eingeholt. Mit seiner Lebensgefährtin Christiane Walter eröffnete er die erste Apfelweinschänke Norddeutschlands im kleinen Dorf Dahlem bei Dahlenburg.

"Ich bin in Hessen aufgewachsen. Dort wird man mit Apfelwein großgezogen", sagt der 53 Jahre alte Grafiker schmunzelnd. Dennoch soll seine Schenke kein billiger Abklatsch der hessischen Originale sein. "Typische Äppelwoi-Wirtschaften wie in Frankfurt-Sachsenhausen lassen sich nicht einfach in der Elbtalaue eröffnen." Tradition und Mentalität sind anders.

"Wir bieten daher abseits von Bembel und Schunkelromantik, wie einst in der Fernsehsendung zum Blauen Bock mit Heinz Schenk gepflegt, die etwas andere, norddeutsche Form von Apfelweinkultur an", so Gerstacker. Vorbilder für die Schenke "Appleslounge" auf dem Bauernhof in Dahlem mit idyllischem Innenhof und großer Terrasse seien Straßenwirtschaften und Buschenschänken, in denen Landwirte ihre Erzeugnisse ausschenken dürfen. "Unser Apfelwein und Cider sind regionale Produkte, die aus Äpfeln alter Sorten hergestellt werden, die in Gärten und auf Streuobstwiesen an der Elbe im Landkreis Lüneburg wachsen", sagt er.

Die riesige geschmackliche Vielfalt ihrer inzwischen 13 selbst erfundenen und hergestellten Wein- und Ciderprodukten möchten die beiden vermitteln. Zudem wollen sie Apfelweine aus aller Welt anbieten. "Apfelwein gibt es nicht nur in Hessen, sondern auch in Spanien, Frankreich, England, Skandinavien, Japan, Kanada und den USA."

Apfelwein komme in Mode, sagt Gerstacker. Bislang habe er mit dem Image eines Arme-Leute-Getränks zu kämpfen gehabt. "Doch die jüngeren Winzern erkennen, dass das Getränk ein edler Wein, ein wunderbares Sommergetränk und prima Durstlöscher ist, und im Winter als leckerer Punsch serviert werden kann."

Überdies biete der Cider von der Elbe als stiller Süßwein eine bunte Geschmackswelt. "Apfel lässt sich wunderbar kombinieren, der Cider mit 13 Prozent Alkoholgehalt ist ein Dessertwein, der an Sherry erinnert und als Aperitif vor oder als Digestif nach der Mahlzeit getrunken werden kann."

Die Experimentierfreude von Bernd Gerstacker und Christiane Walter hat Cider- und Fruchtweinsorten hervorgebracht, deren Zutaten für viele verschiedene Aromen sorgen: Apfel mit Espressobohnen, Quitte, Hagebutte, Ingwer, Zitronengras, Chili- und Pfefferschoten, Rosmarin, Thymian, Rosenblüten und Holunder. Doch nicht alle Kombinationen schmecken. "Basilikum geht gar nicht. Das schmeckt wie eingeschlafene Füße", sagt Gerstacker.

Im vergangenen Jahr produzierten er und seine Partnerin 5000 Liter Apfelwein, der einen Alkoholgehalt von etwa fünf Prozent hat. Zudem haben sie 3000 Halbliterflaschen eigenen Cider auf Lager. "Die Mosterei Günther in Bleckede macht für uns die Grundvergärung und wir veredeln Apfelwein und Cider." Hessisch sei an den Produkten nichts, sagt er. "Wir stellen die norddeutsche Variante her und die ist softer als die hessische." Während das Original sauer und herb schmeckt, zeichnet sich das Repro aus der Elbtalaue durch einen trockenen, aber fruchtigen Geschmack aus. "Wir vergären in Stahltanks und nicht im Holzfass. Außerdem geben wir keine Esche bei, wie es in Hessen üblich ist", erklärt er.

Die Idee, Apfelwein herzustellen kam Bernd Gerstacker und Christiane Walter bereits vor mehr als zehn Jahren, als sie noch in Hamburg lebten, und ein Wochenendhaus in Gienau bei Dahlenburg hatten. "Wir wunderten uns, dass so viele Äpfel an den Bäumen in der Elbtalaue wachsen, dass aus ihnen aber fast nur Tafelobst wird."

Gerstacker erinnerte sich an seine Kindheit in Hessen. "Wir kauften uns Schredder und Presse, sammelten Äpfel an den Obstbaumalleen auf und legten los mit der Apfelweinproduktion." Das habe so viel Spaß gemacht, dass der Ehrgeiz erwachte, ein komplettes Produkt auf den Markt zu bringen. "Der letzte logische Schritt war jetzt die Eröffnung der ersten Apfelweinschänke in Norddeutschland."

Ganz ohne einen hessischen Akzent kommt das Wirtshaus am Wiesenweg 7 in Dahlem, die freitags und sonnabends jeweils von 12 bis 21 Uhr und Sonntag von 14 bis 19 Uhr geöffnet ist, dann doch nicht aus. Ein Apfelbaum der Sorte "Friedberger Renette" ist der Blickfang im Innenhof-Ensemble.