Jahreshauptversammlung des SPD-Ortsverbandes Lüneburg: Vorschläge des Parteivorsitzenden Gabriel lösen verhaltenes Echo aus.

Lüneburg. 55 Menschen sind es, die an diesem Abend in der Ritterakademie in Lüneburg über das Schicksal ihrer Partei im Kommunalwahlkampf entscheiden. 479 Mitglieder hat er noch, der Ortsverband Lüneburg - Stand 31. April dieses Jahres. "455 waren es im Jahr 2009", sagt Sigrid Dworatzek, Kassiererin der Partei und gute Seele in der Geschäftsstelle des Ortsvereins. 23 Austritte - die meisten Abgänge durch Todesfälle - und 39 Eintritte habe es gegeben. Die Alterspyramide ist steil, auch bei der SPD. Leicht fällt es nicht, neue Mitglieder zu gewinnen. Und das, obwohl die SPD-Jugend, die Jusos, in Lüneburg einen lebhaften Eindruck macht. Aber es sind eben nur eine Handvoll junger Leute, die sich regelmäßig und aktiv einbringen.

Hiltrud Lotze, Vorsitzende des Ortsverbandes, weiß um alle diese Probleme - und beschönigt sie nicht. Ohne Pathos referiert sie an diesem Abend über das, was in der Partei derzeit nicht geht: Ein Arbeitskreis für Migranten und Spätaussiedler ist eingeschlafen. Der Stammtisch, zu dem einmal im Monat eingeladen wurde, um über Lüneburger Themen zu sprechen, pausiert. "Da müssen wir überlegen, ob wir das fortsetzen", sagt Lotze. Und auch eines ihrer Lieblingsprojekte, ein Singkreis, der alte und neue Arbeiterlieder auf Veranstaltungen zum Besten geben könnte, ist mangels Beteiligung nicht aktiv. Dabei tut die Partei in Lüneburg einiges, um im Gespräch zu bleiben: Infostände in Fußgängerzonen, Filmabende im Programmkino, Bürgerempfänge mit Politprominenz, Europafeste und Winterabende, sogar Hausbesuche der Mitglieder hat es gegeben. Das Spektrum ist groß, doch die Resonanz oft bescheiden. "Wir hatten im vergangenen Sommer einen Abend zum Thema Stadtwerke - auch der hätte viel besser besucht sein können", sagt Lotze.

Trotz allem, verzagt wirkt die Vorsitzende des Ortverbandes, die an diesem Abend mit 50 von 53 gültigen Stimmen von den Mitgliedern des Ortsvereins wiedergewählt wird, nicht. Zum Modell der Parteiendemokratie gebe es in ihren Augen keine Alternative. Die Versuche des Bundesvorsitzenden Sigmar Gabriel, der seine Partei durch vermehrte Einbindung von Nichtmitgliedern stärken will, begrüßt sie zwar, der Versuch müsse aber Grenzen haben: "Ich finde, dass nach wie vor ein Unterschied zu erkennen sein muss bei den Rechten der Mitglieder und denen der Nichtmitglieder", sagt sie.

Mehr Teilhabe, mehr Basisdemokratie - bei vielen SPDlern lösen die Vorschläge ein verhaltenes Echo aus. Grundsätzlich ist er schon dafür, den Leuten mehr Mitsprache anzubieten - zum Beispiel auch im Internet, meint Stefan Minks, stellvertretender Vorsitzender des Ortsvereins. "Das wird auch versucht - es gibt schon eine ganze Reihe von Befragungen und Meinungsumfragen. Irgendwann läuft man aber Gefahr, dem neuesten Trend nur hinterher zu hecheln", meint Minks. Genau wie Margit Tauss, die gemeinsam mit ihm an diesem Abend in den Vorstand des Ortsvereins einzieht, sieht er Grenzen für dieses Vorgehen. "Wo eigene Betroffenheit da ist, kommen die Leute. Je abstrakter ein Thema, desto schwieriger wird es", sagt Minks.

Was nach wie vor am besten funktioniere, sei der persönliche Kontakt. "Viele von uns werden auf der Straße angesprochen, diese Art der Kommunikation läuft gut", sagt Margit Tauss. Auch die Ratsfraktion ist mit der Arbeit der vergangenen Legislaturperiode zufrieden. "40 Anträge und Anfragen hat die SPD in den Stadtrat eingebracht", sagt Heiko Dörbaum, Fraktionsvorsitzender im Stadtrat. Vom Gruppenpartner CDU sei da deutlich weniger gekommen. "Ich erinnere mich nur an eine Initiative", meint Dörbaum.

Als Erfolg auch der SPD verbucht er das Aus für das AKW in Krümmel, insgesamt sieht er die Region auf gutem Weg. "Wir werden uns für den weiteren Ausbau der Krippenplätze stark machen", sagt er. Ein Krippenplatz sei aber teuer - und die Fördermittel von Bund und Land gering. Auch die Zukunft des Theaters möchte er sichern. Dort klaffe indes eine Finanzlücke im Etat, die Stadt und Landkreis mit eigenen Mitteln kaum stopfen könnten. Die Zusammenarbeit mit den Jusos will er intensivieren, die Arbeit der Fraktion mit öffentlichen Sitzungen mehr nach außen tragen. Womit er wieder beim eigentlichen Thema dieses Abends ist. Draußen vor der Ritterakademie hat es erneut zu regnen begonnen. "Ach wissen Sie", sagt ein gestandener Genosse beim Verlassen des Gebäudes, "das Problem haben nicht nur wir. CDU und FDP geht es doch genauso."