Die Zukunft des Elbe-Seitenkanals entscheidet sich frühestens im kommenden Jahr

Lüneburg. Die Entscheidung über ein zweites Schiffshebewerk in Scharnebeck fällt frühestens im nächsten Jahr. Bei einer Podiumsdiskussion in der Industrie- und Handelskammer (IHK) Lüneburg-Wolfsburg sagte der zuständige Staatssekretär des Bundesverkehrsministeriums gestern, ein Planfeststellungsverfahren könne 2011 beginnen.

Unter dem Titel "Zur Zukunft des Elbe-Seitenkanals - Scharnebeck muss ausgebaut werden" hatten die IHK und die Stiftung der Bauindustrie Niedersachsen-Bremen zu der Diskussion eingeladen und damit bereits die inhaltliche Richtung des Vormittags vorgegeben: die Forderung nach einem zweiten Hebewerk in Scharnebeck.

Denn die bestehenden Tröge sind für moderne Binnenschiffe zu klein. Was das für Reeder ganz praktisch bedeuten kann, machte der Vizepräsident des Bundesverbands der Deutschen Binnenschifffahrt deutlich: "Wir haben Schiffe erworben, die wir von 105 auf 100 Meter verkürzt haben, um sie dem Hebewerk in Scharnebeck anzupassen", sagte Karl-Heinz Bellmer, selbst Reeder. "Kein Gewerbetreibender verringert gern seine Kapazitäten."

135 Meter Länge und 11,40 Meter Breite nannte Bellmer als moderne Standardgröße für Binnenschiffe. Damit werde eine Rentabilität erreicht, die Reedereien gegenüber anderen Verkehrsmitteln wettbewerbsfähige Transportpreise ermögliche.

Da auf dem Elbe-Seitenkanal zudem nur eine Beladung der Schiffe in zwei Lagen möglich ist, könne das Transportvolumen ausschließlich über die Länge und Breite von Schiffen vergrößert werden, sagte Bellmer. Und dass es bei der bestehenden Höhe bleiben wird, machte der Staatssekretär des Bundesverkehrsministerium auf Nachfrage aus dem Publikum deutlich: Ob der Kanal dreilagig ausgebaut werde, fragte ein Unternehmer. "Nein", antwortete Staatssekretär Enak Ferlemann (CDU), "es bleibt bei der Zweilagigkeit."

Auch nach der weltweiten Wirtschaftskrise ist noch der Bedarf nach einem Ausbau von Transportkapazitäten gegeben, referierte Prof. Torsten Schlurmann von der Universität Hannover. Sein Institut hatte Anfang 2009 eine Studie veröffentlicht über den Ausbau von Binnenwasserstraßen in Norddeutschland. Beruhend auf den Zahlen des Boom-Jahres 2007, fiel die Prognose für das Jahr 2025 damals zwar weit höher aus, als sie heute ausfallen würde.

Aber Schlurmann sagte auch: "Mit 2009 ist das Tal durchwandert, die Zahlen ziehen wieder an." Ferlemann ergänzte: Bis 2030 rechnet die Bundesregierung mit 70 Prozent mehr Güterfernverkehr.

Für Scharnebeck empfahl der Wissenschaftler Schlurmann, für einen Neubau nicht nur über ein weiteres Hebewerk nachzudenken, sondern auch über Abstiegsbauwerke und Schleusen. Investiert werden müssten dort rund 250 Millionen Euro, sagte Schlurmann auf Nachfrage des Moderators Lutz Lauenroth von der Deutschen Logistik-Zeitung.

Nicht schnell genug gehen kann der Neubau einer weiteren Anlage in Scharnebeck aus Sicht der Niedersächsischen Landesregierung. Staatssekretär Dr. Oliver Liersch (FDP), der für den verhinderten Verkehrsminister Jörg Bode (FDP) gekommen war, sagte: "Die Leistungsfähigkeit des Elbe-Seitenkanals ist durch das Hebewerk begrenzt. Es ist daher notwendig, jetzt zu starten." Weitere Schritte seien nötig, um einen wasserstandsunabhängigen Transport zu gewährleisten. Dann würde auch privates Investment folgen.

Ziel aus niedersächsischer Sicht sei, dass das Bundesverkehrsministerium "möglichst schnell" den Planungsauftrag für einen Neubau an die Wasser- und Schifffahrtsämter gebe.

Eine erste Berechnung hat derweil ergeben, dass ein zweites Hebewerk durchaus wirtschaftlich sein könne, sagte Enak Ferlemann dazu. Der Auftrag für die Analyse von technischer Machbarkeit und Wirtschaftlichkeit sei an die Wasser- und Schifffahrtsämter bereits gegeben. Der wolle er nicht vorgreifen, sagte er auf Nachfrage. Nur so viel: Für einen Neubau könne man "ganz positiv gestimmt" sein.

Oberste Priorität für die Wasserstraßen in Norddeutschland ist für Ferlemann jedoch der Abschluss von Unterhaltungsmaßnahmen an der Elbe, also der Ausbau des Flusses. Ziel sei, an 345 Tagen 1,60 Meter Wassertiefe zu gewährleisten. Ende 2010, spätestens im Frühjahr 2011 werde seine Abteilung ihr Gesamtkonzept Elbe inklusive Kanal und Hebewerk vorstellen.

Unter den rund 80 Zuhörern waren auch Karl Tödter, Samtgemeindebürgermeister in Scharnebeck, Uelzens Landrat Dr. Theodor Elster sowie die Landtagsabgeordneten Andrea Schröder-Ehlers (SPD) und Karin Bertholdes-Sandrock (CDU) sowie aus der Lüneburger Stadtverwaltung Fachbereichsleiter Markus Moßmann.