Das Schiffshebewerk Scharnebeck könnte künftig eine Zusatzfunktion als Energiespeicher einnehmen und bei Bedarf schnell Strom liefern.

Scharnebeck. Das Schiffshebewerk in Scharnebeck ist ein weithin sichtbares technisches Wahrzeichen der Region: Mit seiner Hilfe überwinden Binnenschiffe auf dem Elbe-Seiten-Kanal 38 Meter Höhenunterschied zwischen Elbmarsch und Geest. In zwei riesigen Wassertrögen absolvieren die Fracht- und Sportschiffe ihre Passage in einer hundert Meter langen Wanne aus Stahl. Das Bauwerk, für das die Wasserschifffahrtsverwaltung Uelzen zuständig ist, steht seit rund dreißig Jahren.

In Zukunft könnte das Hebewerk eine zusätzliche Funktion als Energiespeicher erfüllen. "Wir arbeiten an einem Konzept, das es ermöglichen soll, Hebewerke und Schleusen an Bundeswasserstraßen als Energiespeicher zu nutzen", sagt Hubertus Schulte, Mitarbeiter des Hebewerks. "Überall wo sich derzeit an Bundeswasserstraßen Abstiegsbauwerke befinden, existieren bereits Pumpen. Diese Pumpen könnten nach einer einfachen Umrüstung genutzt werden, um einen Teil des Wassers im Kanal in Energie umzusetzen", sagt Schulte.

Sechs Millionen Kubikmeter Wasser werden derzeit noch ungenutzt in jedem Jahr aus dem Elbe-Seiten-Kanal abgelassen und in die Elbe geleitet. "Das ist Regenwasser, das den Kanal verlassen muss, damit der nicht überläuft", erklärt Schulte. 33 Meter stürzt das Wasser vor dem Hebewerk in die Tiefe, bevor es im Unterhafen vor dem Hebewerk verschwindet und von dort aus in die Elbe strömt. Die bei diesem Sturz frei werdende Energie könnten die Pumpen, die das Hebewerk bereits enthält, nach einer einfachen Umrüstung in Strom verwandeln: Und das zu jeder Tages- oder Nachtzeit, immer dann, wenn neue Energie gebraucht wird.

"Technisch ist das machbar und unter dem Aspekt des Umweltschutzes ist es interessant", bestätigt Frank Offenmüller, Leiter des Bauhofs im Schiffshebewerk. Wenn die Pumpen des Hebewerks ertüchtigt werden und die Turbinen ihre Arbeit aufgenommen haben, könnten sieben bis acht Megawatt Strom pro Stunde erzeugt werden."Der Elbe-Seiten-Kanal würde dann fünf Zentimeter Wasser mehr als bisher führen, weil wir das Regenwasser stauen. Bei Bedarf könnte das zusätzliche Wasser im Kanal sofort durch die Pumpwerke in Strom verwandelt werden. Das funktioniert immer, unabhängig vom Wetter", erklärt Schulte.

Derzeit ist man in Scharnebeck auf der Suche nach Partnern für das Pilotprojekt. Mathias Möller, Leiter der Abteilung regenerative Energien eines Energieunternehmens in Dahlenburg, hat Interesse an einer Mitarbeit an dem Vorhaben. "Wir möchten uns an der weiteren Planung beteiligen", sagt Möller, dessen Firma, die Energieversorgung Dahlenburg-Bleckede AG, bereits rund 20 000 Einwohner des Landkreises Lüneburg mit Energie beliefert.

Als Partner im Gespräch ist auch die Leuphana Universität Lüneburg, die das Pilotprojekt im Rahmen des EU-Innovationsinkubators weiterentwickeln möchte. Hubertus Schulte selbst ist optimistisch, was die Umsetzung seiner Idee angeht. Privat hat er bereits Erfahrung im Einsatz regenerativer Energien: Gemeinsam mit anderen Mitstreitern gründete er vor zwanzig Jahren eine GmbH, um eine Bürgerwindkraftanlage in Dahlem zu aufzubauen. Seitdem arbeitet er an Verbesserungskonzepten für regenerative Energien.

Das Pilotprojekt in Scharnebeck könnte auch die Windkraft effizienter machen. Bisher werden Windkraftanlagen einfach abgeschaltet, wenn das Stromnetz keine weitere Energiezufuhr bewältigen kann. Das wäre nicht mehr nötig, wenn an den Bundeswasserstraßen demnächst Energie "geparkt" werden könnte. "Das System, um das es hier geht, hat den Vorteil, flexibel zu sein. Wenn regenerative Energien demnächst an Bundeswasserstraßen zwischengespeichert werden könnten, würde das unsere Energiekonzepte optimieren. Die Investitionskosten für das Hebewerk sind gering, betriebswirtschaftlich rechnet es sich", sagt Schulte.