Niels Webersinn ist der neue Chef des Stadtverbands Lüneburg. Der 31-Jährige will Problem der Überalterung in der Partei angehen.

Lüneburg. Attraktiver werden, vor allem für neue junge Mitglieder. Das hat sich der neue Vorsitzender der Lüneburger CDU, der 31-jährige Niels Webersinn, auf die Fahnen geschrieben. 40 der 46 Parteimitglieder, die zu den Vorstandwahlen in der Gaststätte des Hotel Heidepark gekommen waren, stimmten für den Youngster unter den Christdemokraten. Neben fünf Neinstimmen gab es auch eine Enthaltung.

Der aufstrebende Jungpolitiker hielt sich mit Bekenntnissen zur Partei nicht zurück, mahnte jedoch auch einen Blickwechsel an. "Wir müssen uns darauf konzentrieren, was wir sind, und was wir wollen. Erst dann können wir auch für andere interessant sein. Wir wollen die Politik zum Wohl aller Bürger in Stadt und Landkreis vorantreiben - und keine Klientel-Politik machen." Es sei wichtig, sich zu definieren und deutlich zu zeigen, "was ein christlich-konservatives Profil für uns in Lüneburg bedeutet".

Der studierte Betriebswirt und Jurist könnte die Chance der in die Jahre gekommenen Christdemokraten im Stadtverband sein. Unter seiner Führung, so die Hoffnung, könne die CDU politisch wieder punkten und als Partei stärker werden.

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Webersinn, der seit 1999 Mitglied der Christdemokraten ist, sitzt seit Beginn dieser Wahlperiode im Stadtrat. Als einer von zehn Fraktionsmitgliedern hat er klare Ziele für sich und seine Mitstreiter. "Zehn Plätze können nur der Boden des Fasses sein, das wir auffüllen müssen." Doch ist der Weg hin zu einer stärkeren Fraktion steinig. So steht die einstige Volkspartei vor dem Dilemma, dass seine Mitglieder immer älter werden und zu wenig junger Nachwuchs nachkommt.

"Bei einem Durchschnittsalter jenseits der 60 - wie in vielen Gemeinden im Landkreis und besonders im Kreistag - ist die Jugend unterrepräsentiert", sagt Webersinn. Das große Problem der CDU in Stadt und Landkreis ist die Überalterung. Gehen doch junge Leute ungern dorthin, wo ihre Eltern und Großeltern sitzen.

"Wenn junge Leute sich nicht mehr für Politik interessieren, dann überlassen wir das Feld den anderen", mahnt Webersinn. Unverblümt kritisiert er die Tatenlosigkeit CDU-Verantwortlicher und wirft ihnen vor, sich seit 20 Jahren nicht um einen Generationswechsel bemüht zu haben. "Jetzt ist es fünf vor zwölf."

Aufhorchen lassen Zahlen zum Mitgliederschwund der Bundespartei aus dem November 2011. In den ersten neun Monaten des vergangenen Jahres haben mehr als 10 000 Anhänger die Partei verlassen, bestätigte die CDU-Zentrale in Berlin. Die Mitgliederzahl rutschte unter eine halbe Million: Zum 30. September hatten 495 192 Bürger ein CDU-Parteibuch. Ende 2010 waren es noch 505 314 Mitglieder. Die ehemaligen Volksparteien SPD und CDU verlieren seit den 90er-Jahren beständig Mitglieder. Ein Grund dafür könnte das hohe Durchschnittsalter sein, in der CDU liegt es bei knapp 57 Jahren.

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In Lüneburg stehen dem neuen Vorsitzenden als Stellvertreter Susanne von Stern und Dirk ter Horst zur Seite. Während der 50 Jahre alte ter Horst seine Aufgabe darin sieht, Webersinn nach Kräften zu unterstützen, wirbt Susanne von Stern, 43, für sich: "Die Partei braucht jemanden, der die Mütter vertritt. Sind doch Kinder, Eltern und Senioren mein Thema."

Mit dem Vorsitz hat Niels Webersinn eine verantwortungsvolle Aufgabe übernommen, die immer weniger Menschen zwischen 30 und 40 Jahren ausfüllen können oder wollen. Gilt doch ein ehrenamtliches Engagement in dieser politischen Preisklasse als überaus anstrengend, gar als unmöglich, sobald sich Verantwortung in Beruf und Familie einstellt.

Zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf sagt Niels Webersinn, den noch keine Familie vom Engagement in der Kommunalpolitik abhält: "Im Stadtrat gibt es 40 Gremien, die besetzt werden müssen. Die sollte man auf die Hälfte reduzieren." Sonst sei das politische Ehrenamt von jungen Menschen mit Familie nicht zu schaffen. Er stellt zudem fest: "Wo auch immer man sich engagiert, werden Hürden gebaut."

In einer Bertelsmann-Studie zu Grundsätzen und Strategien einer zeitgemäßen Kommunalpolitik heißt es: "Das traditionelle Ehrenamt in der Stadt und auf dem Land verändert sein Gesicht. Politisch interessierte und sozial aktive Menschen engagieren sich heute anders als noch vor zwanzig Jahren. Wertewandel und Individualisierung haben die Bindung an Organisationen deutlich abnehmen lassen. Gleichzeitig machen die Anforderungen an Mobilität auf dem Arbeitsmarkt langfristige Bindungen auch objektiv immer schwieriger. Dies führt insgesamt dazu, dass die Menschen sich lieber in kürzeren Fristen einbringen wollen, und zwar in Aufgabenbereichen, die sie als konkreten Brennpunkt betrachten."

Werden die Deutschen auch weniger und älter, so bleiben sie doch länger gesund. Viele ältere Menschen wollen sich sinnvoll verwirklichen. Schätze, die gehoben werden können - auch in der Kommunalpolitik.