Die Verkürzung der Wehrpflicht auf sechs Monate stellt die Bundeswehr vor große Herausforderungen. Ein Besuch in Deutsch Evern.

Lüneburg. Oberbürgermeister Ulrich Mädge ist mit der Bundeswehr in Lüneburg groß geworden. Regelmäßig erlebte er Gelöbnisse junger Soldaten oder den Großen Zapfenstreichs auf dem Marktplatz vor dem Rathaus. Seit einigen Jahren finden Gelöbnisse einzig in der noch verbliebenen Theodor-Körner-Kaserne statt. "An uns liegt es nicht, wenn diese Zeremonielle nicht mehr auf dem Markt stattfinden", sagt Mägde, der ein Anhänger öffentlicher Gelöbnisse ist.

Der oberste politische Repräsentant der Hansestadt weiß um den erheblichen logistischen Aufwand derartiger Veranstaltungen für die Bundeswehr. Sie wurden mit Pfiffen und Buhrufen begleitet, groß war das Polizeiaufgebot um Ausschreitungen in Zaum zu halten. Dennoch, "die Bundeswehr in Lüneburg ist die Verbindung der Wehr mit der Bürgerschaft im öffentlichen Raum."

Deshalb verfolgt er kritisch die derzeitigen Diskussionen um die Schließung weitere Standorte. "Eine Schließung wäre bedauerlich für die Stadt. Damit ginge das Bindeglied zwischen Bürgerschaft und Armee verloren." Einen möglichen Grund für die Aufgabe der Kaserne erkennt Mädge nicht. Bedroht seien Kasernen mit unter 1000 Soldaten. In Lüneburg sind 2000 junge Männer und Frauen stationiert.

Ende Mai fand in der Theodor-Körner-Kaserne das Gelöbnis von 200 Rekruten aus dem Aufklärungslehrbataillon 3 sowie dem Logistikbataillons 3 statt. Es ist der letzte Durchgang, der für neun Monate Wehrdienst leistet. Folgen werden im Juni Rekruten, die einen verkürzten Wehrdienst von sechs Monaten absolvieren.

"Wir werden mit der Verkürzung zurecht kommen müssen", sagt der 30-jährige Leutnant Ivo Weikert. Der Offizier im Stab des Aufklärungsbataillons 3 ist zuständig für die Informationstechnik und Pressearbeit der Aufklärer. "Zukünftig fehlt die Zeit, die Rekruten im Anschluss an den dreimonatigen Grundwehrdienst in allen, vor allen Dingen in den zeitaufwendigen Fachbereichen auszubilden." In den engen Zeitplan müssen noch Übungen passen und der Urlaub, der den Rekruten zusteht. Der 31-jährige Oberleutnant Roman Kalex ist überzeugt: "Als Kraftfahrer, Fernmelder oder Panzerschützen sind die Rekruten dann nicht mehr einsetzbar."

Derweil absolvieren die jungen Soldaten des Aufklärungslehrbataillons und Logistikbataillons eine 72-Stunden-Übung im Biwak auf dem Gelände des Standortübungsplatzes in Deutsch Evern.

Es ist trocken, die Temperatur liegt bei angenehmen 23 Grad Celsius. Es ist ein Glück für Rekruten und Ausbilder. Somit entfällt der Kampf gegen Naturelemente. Laub und Moos bedecken den Waldboden; dazwischen frei geräumte Wege, die vom Zeltlager der Rekruten zu den Schießstellungen führen. Die Nächte im Freien sind zwei bis sechs Stunden kurz. Die Rekruten üben den Feuerkampf, das Alarmpostenablösegespräch wird trainiert, Streifen gehen im Unterholz ihre Wege ab.

"Wir trainieren das Leben im Felde, die Tätigkeiten des Einzelschützen. Hier wird Basis der Grundfertigkeiten des Soldaten gelegt", sagt Kalex. Dazu gehört das Anlegen von Stellungen und Alarmposten, der Kampf im bewaldeten Gelände, Karten- und Kompassausbildung, die Tätigkeiten als Meldesoldat, das Verhalten bei Nacht und vieles anderes. Hunderte Mal müssten die Abläufe wiederholt werden, bis sie beherrscht würden, erklärt Kalex. Über den Zustand der Männer kann der Offizier nicht klagen: "Zum Wehrdienst kommen die besten 20 Prozent eines Jahrgangs."

Einige der Rekruten haben sich frühzeitig als Zeitsoldaten verpflichtet. Wie Berufssoldaten werden auch sie bei dienstlicher Notwendigkeit in den Auslandseinsatz geschickt werden. "Wurden von dem Aufklärungslehrbataillon bisher vor allem Einzelpersonen wie Feldnachrichtenkräfte in den Einsatz geführt, rechnen wir im kommenden Jahr mit einer Kompanie von 100 Mann, die nach Afghanistan abkommandiert werden soll", sagt Leutnant Weikert.

Keinen Kommentar aus der Theodor-Körner-Kaserne gibt es zu den jüngst formulierten Plänen von Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU). Im Rahmen der Sparvorschläge für das Ministerium regt er an, die Bundeswehr von derzeit 250 000 auf 150 000 Soldaten zu verkleinern. Zugleich erwägt er eine Aussetzung der Wehrpflicht, womit 400 Millionen Euro im Jahr gespart werden könnten.