Friederike Reif aus Bardowick will jungen Afrikanern helfen, neue Perspektiven aufzubauen. Drei Monate wird sie im Elendsviertel Mathare leben.

Bardowick. Ein Slum ist anders, als die meisten von uns denken. Soviel hat Friederike Reif schon gelernt. Es gibt dort Läden, Polizei und Werkstätten, und die Bewohner versuchen, die wenige Kleidung, die sie haben, sauber zu halten - um sich ein Stück ihrer Würde im Elend zu bewahren.

"Die meisten Menschen hier haben völlig falsche Bilder im Kopf", erklärt die Studentin. Und doch kann wohl kein Vorbereitungskurs der 23-Jährigen das vermitteln, was sie in genau einer Woche erwartet. Dann fliegt Friederike Reif nach Nairobi im ostafrikanischen Kenia - und wird mit der Realität eines solchen Elendsviertels konfrontiert werden.

Die Leuphana-Studentin, die in diesen Tagen ihre letzten Prüfungen im Fach Sozialpädagogik ablegt, wird für knapp drei Monate im Stadtteil "Mathare" in Nairobi leben und arbeiten. Mathare ist einer der größten Slums Afrikas. In der kenianischen Hauptstadt leben derzeit geschätzt über drei Millionen Menschen, mehr als 60 Prozent von ihnen in Slums. Allein Mathare zählt 500 000 Einwohner.

"Langsam werde ich nervös", gibt Friederike zu. Verständlich - denn Nairobi gehört zu den gefährlichsten Städten der Welt, steht in einer Reihe mit Lagos und Johannesburg. "Man muss bestimmte Regeln kennen, dann ist das Risiko gering", erklärt die junge Frau. Dazu gehört, nach Einbruch der Dämmerung nicht mehr allein aus dem Haus zu gehen, bestimmte Viertel und Straßen zu meiden und immer ein Portemonnaie dabei zu haben, das geklaut werden kann. "Das richtige Geld trägt man dort in der Unterwäsche."

Als Weiße gilt Friederike in Kenia als reich. Kein Wunder: Eine Wohnung kostet in Nairobi fünf Euro pro Monat. Dabei habe sie es als Frau noch vergleichsweise leicht. Sogar Ausgehen und Party machen funktioniere in Nairobi besser als gedacht, haben ihr ihre Vorgängerinnen berichtet. Männer dagegen hätten es ungleich schwerer und könnten sich kaum frei bewegen, da etwa Prostituierte oft versuchten, die reichen Weißen zum Sex zu drängen, oder Frauen eine Überlebenschance darin sehen, sich von ihnen schwängern zu lassen.

Friederike Reif weiß: "Diese Reise wird sicher eine krasse Erfahrung, die nicht immer nur positiv sein wird." Aber was zieht die junge Lüneburger Studentin in so eine gefährliche Gegend? "Ich will sehen, wie es ist, richtig arm zu sein. Das ist auch für meinen späteren Job wichtig." Der soll einmal in der interkulturellen Jugendarbeit sein. Daher will Friederike auch in Nairobi in erster Linie den Jugendlichen und Kindern im Slum helfen, eine bessere Perspektive zu schaffen. Das Projekt, an dem sie mitarbeiten wird, besteht in der Planung und Realisierung des ersten "Nairobi Social Youth Forum". In einer Festivalwoche Ende November sollen Jugendliche aus allen Stadtteilen und mit den unterschiedlichsten sozio-ökonomischen Hintergründen in Workshops zusammengebracht werden. Das Forum soll das Bewusstsein auf die zunehmenden sozialen Ungleichheiten innerhalb Nairobis und im Nord-Süd-Kontext richten und soziales Engagement unter Jugendlichen stärken. Die Ergebnisse des "Nairobi Social Youth Forums" sollen abschließend in Hamburg präsentiert und aufgearbeitet werden.

"Ich möchte mit den Einheimischen kooperieren", sagt Friederike Reif. Vor Ort wird sie mit jungen Menschen von der Graswurzelorganisation "Mathare Roots Youth Group" zusammenarbeiten. Sie sind direkt im Slum aufgewachsen und haben den Sprung aus dem Elend geschafft. "Die haben einen viel besseren Einblick - nicht wie irgendwelche Abgesandten von der UN, die von Tuten und Blasen keine Ahnung haben."

Das internationale Programm für Arbeits- und Studienaufenthalte (ASA)unterstützt die Reise der Studentin mit einem Stipendium, einen Teil der Flug- und Lebenshaltungskosten muss sie trotzdem selbst tragen. "Sonst hätte ich mir das aber nie im Leben leisten können", sagt Friederike.

Ein kleines Problem hat sie allerdings noch so kurz bevor es losgeht. Es heißt "Kisuaheli": "Eigentlich wollte ich die Sprache vorher lernen. Aber bis jetzt kann ich nur bis zehn zählen, hallo und tschüs sagen." Aber das wird sich wohl ändern.

Friederike Reif wird vom 1. Oktober bis zum 22. Dezember in Nairobi sein. Während dieser Zeit wird sie mehrmals in der Lüneburger Rundschau über ihre Arbeit und ihre Erlebnisse im Slum Mathare berichten.