Die preiswerten Stangen sind eine relativ junge Entdeckung. Bis Juni haben sie Hochkonjunktur - auch in Form exotischer Rezepte.

Frisches deutsches Freiland-Obst schon im April? Fehlanzeige! Früh dran ist allerdings der Rhabarber, der botanisch gesehen zwar ein Gemüse ist, jedoch meist als Obst zubereitet wird.

"Unsere eigene Ernte läuft seit knapp drei Wochen", erklärt Melanie Meyer, Marktbeschickerin in Lüneburg. Sie meint damit ihren biologisch gezogenen Himbeer-Rhabarber, der in Drage an der Elbe unter Folie und auf Stroh gebettet besonders früh gedeiht.

"Er heißt Himbeer-Rhabarber wegen der durch und durch roten Farbe der Stangen", erläutert sie den Namen dieser süßesten Variante, deren Fleisch sich später weiß färbt. Säure-Spitzenreiter ist der grünstielige und fleischige Rhabarber.

"Ich esse gern Kompott, aber ich backe ungern - das macht mein Mann", lacht eine Lüneburgerin. Ihr Gatte fügt hinzu: "Bei uns wächst der im eigenen Garten." Eine andere Kundin, die gerade eine ganze Tüte mit den roten Stangen verstaut verrät: "Wir essen Rhabarber gern als Kompott, mit Vanillepudding oder Quark." Melanie Meyer empfiehlt, Rhabarberkompott mit Puddingpulver anzurühren, um das stumpfe Gefühl im Mund zu nehmen, das von dem hohen Säuregehalt herrührt. Ein Teil der Säure kann durch Schälen und kurzes Blanchieren entfernt werden. Das Gemüse, aus dem nicht nur saftige Kuchen, Säfte und Desserts, sondern auch süß-saure Soßen hergestellt werden, ist ab achtzig Cent pro Kilo zu haben. Die Preisspanne ist mit bis zu vier Euro relativ hoch.

Seine Erfolgsstory in Europa startete die aus Ostasien stammende Kulturpflanze Anfang des 20. Jahrhunderts. Als Heilpflanze bereits seit 2700 vor Christi bekannt, entdeckte man erst vor 250 Jahren in England, dass die fleischigen Stängel im Unterschied zu den heilkräftigen Wurzeln als Speise genießbar sind. Auf diese Weise verwendet wurden sie jedoch erst, seit bezahlbarer Zucker verfügbar ist.

Rhabarber enthält zwar mit 93 Prozent viel Wasser, jedoch schwindet seine Kalorienarmut dahin, wenn man den hohen Zuckerbedarf bedenkt, der das oxalsäurehaltige Gemüse in der Zubereitung benötigt. Trotzdem haben Rhabarber-Produkte auch gesundheitlich Einiges zu bieten, zum Beispiel eine Menge Vitamin C sowie Kalium und Kalzium. Rhabarber heißt soviel wie "fremdländische Wurzel", was sich vom griechischen Wort "barbaros" für "fremdländisch" ableitet. Die Anfangssilbe "Rha" stammt von dem alten Namen der Wolga ab, an deren Ufern die Pflanze angebaut wurde.

Auch in der Filmgeschichte spielt der Rhabarber eine kleine Rolle: Bei frühen Tonfilmen wurden die Statisten angewiesen, immer weiter "Rhabarber" zu sagen, wenn für eine Marktszene eine gleichmäßige aber lebhafte Geräuschkulisse erzeugt werden sollte. Die Redensart "Rhabarber, Rhabarber. . ." steht deswegen bekanntermaßen für sinnloses Geschwätz.