Schwarzenbek. Berichte über Falschlieferungen häufen sich: Diebe tauschen teure Technik gegen Billig-Artikel. Was ein Schwarzenbeker erlebte.

Der ersten Freude folgte schnell der Schreck: Als ein Schwarzenbeker den Karton mit seinem bei Amazon bestelltes Smartphone öffnete, fand er statt des erwarteten aktuellen iPhone 14 im Wert von 800 Euro lediglich zwei Tafeln Schokolade der amerikanischen Marke „Ben & Jerrys“ vor. „Wenigstens war es eine gute Marke“, sagt der Geprellte mit einer gehörigen Portion Galgenhumor gegenüber unserer Zeitung.

Für die Lieferung hatte er eigens einen Übergabecode mit Amazon vereinbart. „Während ich mit dem Kurierfahrer diskutierte und auf die Polizei wartete, hat meine Frau sich durch diverse Instanzen bei Amazon telefoniert, bis sie in einer speziellen Abteilungen landete, die sich genau mit solchen Falschlieferungen befasst“, berichtet der Schwarzenbeker, der seinen Namen nicht veröffentlicht wissen möchte.

Online-Handel: Kunden berichten über Falschlieferungen bei Amazon

Später stellte sich heraus: Ein Nachbar von ihm war ebenfalls betroffen. Dieser hatte ein Smartphone von Samsung bei einem Händler bestellt und ebenfalls Schokolade erhalten. „Ein weiterer Bekannter hat ein Paket von einer Packstation in Schwarzenbek abgeholt. Es war bereits geöffnet. Das Päckchen enthielt ein Ladegerät, dass noch vorhanden war. Es hat ein ähnliches Gewicht wie ein Handy. Die Vermutung liegt nahe, dass auch hier ein Dieb am Werk war, aber statt des Ladegeräts auf ein hochwertiges Handy aus war“, erzählt der Mann. Deshalb bestehe der Verdacht, dass irgendwo in der Logistikkette von der zentralen Versandstation von Amazon in Bad Oldesloe bis zum Endkunden die Ware gegen Schokolade getauscht worden sei.

Böse Überraschung: Ein Schwarzenbeker hat bei Amazon ein iPhone 14 im Wert von 800 Euro bestellt und stattdessen diese Schokolade bekommen.
Böse Überraschung: Ein Schwarzenbeker hat bei Amazon ein iPhone 14 im Wert von 800 Euro bestellt und stattdessen diese Schokolade bekommen. © hfr | hfr

Der Kurierfahrer, der dem Schwarzenbeker das Paket übergeben hatte, nachdem dieser den richtigen Übergabecode genannt hatte, war ebenso überrascht wie das Opfer. „Ich öffnete das Paket sofort, sah die Schokolade und sprintete dem Fahrer hinterher, der bereits wieder auf dem Weg zu seinem Wagen war. So schnell bin ich lange nicht mehr gelaufen, aber ich habe ihn noch vor der Abfahrt erwischt“, berichtet der geprellte Schwarzenbeker.

Diebstahl hat sich offenbar irgendwo in der Lieferkette ereignet

Der Fahrer war sich keiner Schuld bewusst und erklärte sich sofort damit einverstanden, die Polizei zu verständigen. Sein Disponent hatte per Telefon ebenfalls dazu geraten. „Bei dem Fahrer wurde von der Polizei nichts gefunden, im Fahrzeug auch nicht. Offensichtlich hatte er nichts mit den Taten zu tun. Die Handys scheinen an einer anderen Stelle in der Lieferkette gegen die Schokolade ausgetauscht worden zu sein“, so das Betrugsopfer. Das Geld hat er mittlerweile von Amazon zurückerstattet bekommen.

Amazon selbst hält sich bedeckt und hat auf einen umfangreichen Fragenkatalog unserer Zeitung nach einigen Tagen mit einer nichtssagenden Standardantwort reagiert: „Wir arbeiten intensiv daran, ein vertrauenswürdiges Einkaufserlebnis zu schaffen, indem wir Kunden, Verkaufspartner und Amazon vor Betrug und Missbrauch schützen und wir setzen Systeme ein, um verdächtiges Verhalten zu erkennen. Die Zufriedenheit unserer Kunden hat für uns oberste Priorität. Wir haben zusätzliche Kontrollmechanismen eingeführt, die es Akteuren mit schlechten Absichten bereits jetzt noch schwerer machen, Kunden, Verkaufspartner und Amazon zu betrügen. Wir arbeiten intensiv daran, die Kundenerfahrung in diesen Fällen zu verbessern – und stehen dafür auch mit dem Verbraucherschutz und den Behörden im Austausch“, teilte eine Unternehmenssprecherin mit.

Polizei kennt die neue Masche von Kriminellen bereits

Für die Polizei ist der aktuelle Fall nichts Neues. „Dieses Phänomen ist hier bekannt und dürfte strafrechtlich eher als Diebstahl oder Unterschlagung einzustufen sein, weniger als Betrug, weil vermutlich die hochwertige Ware auf dem Versandweg entnommen oder ausgetauscht wird. Betrug wäre es nur dann, wenn bereits der Verkäufer leere Pakete oder minderwertige Ware auf den Weg gebracht hätte“, sagte Sandra Kilian, Sprecherin der Polizeidirektion Ratzeburg. Eine auffällige Häufung solcher Fälle sei im Landeskriminalamt nicht bekannt.

Ein Paketbote liefert Pakete aus.
Ein Paketbote liefert Pakete aus. © dpa | Oliver Berg

Die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen berichtete bereits im Oktober 2022 über derartige Diebstähle in Zusammenhang mit Amazon. Das System sei immer gleich: Verbraucher bestellen ein teures Elektroprodukt, erhalten jedoch ein ganz anderes, im Preis vergleichsweise oft wertloses Produkt. Statt eines Laptops im vierstelligen Eurowert bekommt man beispielsweise eine Kochplatte. In einem anderen Fall wurde statt eines neuen iPhones nur eine Powerbank geliefert. Wieder andere hätten über gänzlich leere Pakete berichtet.

Auch auf amazon-watchblog.de berichten zahlreiche Nutzer über derartige Fälle. Einige berichten, sie hätten nach einer Reklamation bei Amazon das gezahlte Geld zurückerhalten. Bei anderen sei das nicht der Fall gewesen. Hier habe Amazon auf der Rücksendung der Ware bestanden, die die Kunden ja allerdings gar nicht erhalten hatten.

Laut dem Portal ist die Rechtslage eindeutig: Hat Amazon, soweit der Vertrag mit der Plattform direkt geschlossen wurde, etwas Falsches oder nur einen leeren Karton geliefert, ist der geschlossene Vertrag nicht erfüllt. Eine Falschlieferung wird wie ein Sachmangel, also wie ein Defekt, behandelt. Das bedeutet, dass die üblichen Gewährleistungsrechte zur Verfügung stehen, also zum Beispiel ein Recht auf Lieferung einer mangelfreien Sache. Die Aussage, man habe etwas Falsches oder nur einen leeren Karton bekommen, wird zugunsten von Verbraucherinnen vermutet. Amazon ist hier in der Nachweispflicht, dass das Paket mit dem richtigen Inhalt auf den Weg gebracht wurde, was faktisch nicht möglich sein wird. Kunden können nun auf eine Erfüllung des Vertrages, sprich eine Lieferung des bestellten Produktes bestehen.

Versandhändler gibt sich sehr zurückhaltend in der Informationspolitik

Über die genauen Umstände der Falschlieferungen ist nichts bekannt, da sich Amazon nicht nur gegenüber unserer Zeitung sehr zurückhaltend zeigt. Sollte es so sein, dass die Falschlieferungen nicht in den Lagern bei Amazon direkt initiiert werden, sondern auf dem Versandweg Produkte ausgetauscht oder entwendet werden, geht dies aber laut der Verbraucherzentrale nicht zulasten der Betroffenen. Amazon als gewerblicher Verkäufer ist für den gesamten Versandweg bis zur Ablieferung verantwortlich.

Die Falschlieferung sollte umgehend bei Amazon gemeldet werden. Dafür sollte ausschließlich schriftlich (nicht telefonisch) mit Amazon kommuniziert werden, um einen entsprechenden Nachweis zu haben. Zum Beweis sollten zudem Fotos des Inhalts und der gesamten Verpackung inklusive Verschlussstellen und Labels gemacht werden. Trotz des oft geringen Wertes sollte man die komplette Lieferung für spätere Auseinandersetzungen aufbewahren. Die falsch gelieferte Ware kann zudem von Amazon zurückverlangt werden. Sie sollte also keineswegs entsorgt – oder wie im Fall der Schokolade – aufgegessen werden.