Geesthacht. „Oli radelt“ klappert wieder Rathäuser wie jetzt in Geesthacht ab und sammelt Spenden. Täglich trotzt er einer tödlichen Bedrohung.

Die Besuche von Oliver Trelenberg in den deutschen Rathäusern sind kurz, aber intensiv. Der Westfale ist ein echter Typ, hat die Arme vollflächig tätowiert und ist nicht auf den Mund gefallen. Er hat immer etwas zu erzählen von seinen Reisen. Jetzt durfte er sich in Geesthacht ins Goldene Buch der Stadt eintragen.

„So sieht man sich wieder“, freute sich Bürgermeister Olaf Schulze bei der Begrüßung. Er erschien mit Jackett und Hemd, Oliver Trelenberg in Arbeitskleidung. Die besteht in seinem seinem Fall aus kurzer Radfahrerhose und -trikot. „Radeln für den guten Zweck“, steht darauf. Das ist Werbung in eigener Sache, darum ist der Erfinder von „Oli radelt“ unterwegs.

Große Ehre in Geesthacht: Spendenradler Trelenberg fährt ins Goldene Buch

„Jedes Jahr, wenn ich irgendwo hinkomme, ist ja für mich ein geschenktes Leben“, sagt Oliver Trelenberg zu der Wertigkeit von Dingen. „Wenn ich wie jetzt in Stralsund am Wasser stehe, dann denke ich: Danke, lieber Gott.“ Eine derartige Einstellung vermisse er bei den anderen Tourenradfahrern, die er unterwegs trifft. „Auf den Radwegen fahren zu 80 Prozent Leute, die nur von Leistung erzählen, die haben für links und rechts gar keinen Blick.“

Oliver Trelenberg fährt seit 2015 in jedem Jahr quer durch Deutschland, um Spenden für einen guten Zweck zu sammeln. Immer für eine andere Organisation, in diesem Jahr ist es wünschdirwas e.V. – ein Kölner Verein, der schwer kranken Kindern und Jugendlichen Herzenswünsche erfüllt. 3695 Kilometer hatte er auf dem Tacho, als er Geesthacht erreichte. Rund 4250 Kilometer werden es am Ende der Tour sein.

Wenn er sich verschluckt, kann das den Tod bedeuten

Angefangen, intensiv Fahrrad zu fahren, hat er 2009. Oliver Trelenberg spürte, dass es ihm nach schweren Lebenskrisen einfach gut tat. 2013 wurde bei ihm Kehlkopfkrebs diagnostiziert. Nur mit Glück behielt er seine Stimme. Von der Erkrankung ist er zwar geheilt, aber wegen der OP fehlt ihm jetzt der Kehlkopfdeckel. Würde sich Oliver Trelenberg verschlucken, könnte das tödlich für ihn enden.

Schirmherr der Aktion von „Oli radelt“ ist Oberbürgermeister Erik O. Schulz aus Hagen. Dort lebt Oliver Trelenberg. An die Rathäuser der Städte, die Oliver Trelenberg aufsuchen will, werden vorab Schreiben der Stadt Hagen verschickt mit der Bitte um Unterstützung.

Wegen seiner Verdienste wurde Oliver Trelenberg 2017 zum Weihnachtsempfang bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier eingeladen.
Wegen seiner Verdienste wurde Oliver Trelenberg 2017 zum Weihnachtsempfang bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier eingeladen. © Privat

Nicht immer gibt es rechtzeitig eine Rückmeldung. Oliver Trelenberg hat daher manchmal unterwegs alle Hände voll damit zu tun, auf der Fahrt herauszubekommen, ob der Besuch noch klappen wird. Und wo er schlafen kann. Denn die Organisation von Kost und Logis gehört dazu. „35 Übernachtungen sind geklärt, 40 nicht“, erläutert Oliver Trelenberg.

Besonders schön sei das Engagement in Zossen in Brandenburg gewesen, sagt er. Der stellvertretende Bürgermeister kam ihm auf dem Fahrrad entgegen, die Zossener hatten vorab schon selbst gesammelt. „Da war ich baff“, sagt Oliver Trelenberg. Und das passiert ihm eher selten. Ansonsten habe er festgestellt, dass in Mecklenburg-Vorpommern die Unterstützung sehr groß sei, wogegen es in Bayern öfter mal heißen würde: „Nö“.

Spenden werden wegen Angst vor Überfällen nur überwiesen

Die Spenden nimmt Oliver Trelenberg nicht in bar entgegen, das wäre zu gefährlich. Er ist oft in einsamen Gegenden unterwegs, da könnten Räuber auf dumme Gedanken kommen. Sie werden ausschließlich überwiesen. Aus Geesthacht gab es wie im vergangenen Jahr 100 Euro plus eine Übernachtung im Lindenhof. Im vergangenen Jahr waren am Ende der Tour 14.139 Euro zusammengekommen. Insgesamt hat „Oli“ Trelenberg über die Jahre an die 70.000 Euro an Spenden eingesammelt.

In Geesthacht ist Oliver Trelenberg zum dritten Mal nach 2018 und 2022. Bürgermeister Olaf Schulze hatte ihm vor einem Jahr versprochen, dass er sich bei der Wiederkehr ins Goldene Buch der Stadt eintragen dürfe. Das ist eine besondere Auszeichnung. Das neue Goldene Buch wurde 2005 begonnen.

 Feierlicher Moment: Oliver Trelenberg (r.) hat im Ratssaal auf dem Stuhl Platz genommen, auf dem sonst Bürgervorsteher Arne Ertelt die Ratsversammlung leitet. Bürgermeister Olaf Schulze hat ihm das Goldene Buch der Stadt für einen Eintrag überreicht.
Feierlicher Moment: Oliver Trelenberg (r.) hat im Ratssaal auf dem Stuhl Platz genommen, auf dem sonst Bürgervorsteher Arne Ertelt die Ratsversammlung leitet. Bürgermeister Olaf Schulze hat ihm das Goldene Buch der Stadt für einen Eintrag überreicht. © Dirk Palapies

Die meisten Unterschriften stammen von Neujahrsempfängen. Einträge aus Einzelanlässen finden sich selten. Als einer der wenigen hat am 16. Mai 2019 Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn unterschrieben. Er war Teilnehmer einer Veranstaltung der Bundestagsabgeordneten Nina Scheer in Geesthacht. Und nun auch Oliver Trelenberg. Auch für ihn ist das etwas Besonderes. Nur noch in Butzbach durfte er sich bisher ins Goldene Buch eintragen

Tourstart in diesem Jahr war am 30. Mai um 9.30 Uhr in Hagen. Zunächst ging es den Rhein hinauf zum Schwarzwald und zum Bodensee. Oliver Trelenberg saß jeden Tag im Sattel, die erste Pause gönnte er sich erst am 18. Juni in Wangen im Allgäu – sie dauerte gerade mal einen Tag.

Erst an der Ostsee gab es die zweite Pause der Tour

Über Memmingen ging es zurück in den Norden, die Schleife führte über Brandenburg und Berlin zur Ostsee über Angermünde nach Ahlbeck auf Usedom. Dort legt „Oli“ am 15. Juli die zweite eintägige Pause ein. Über die Fahrt entlang der Ostseeküste gelangte der Spendenradler unter anderem nach Bad Schwartau und Mölln, von dort nach Lüneburg und schließlich nach Geesthacht.

Danach geht es weiter in den Norden bis Kiel und Neumünster, über Pinneberg führt der Weg nach Sittensen auf die Südseite der Elbe und weiter Richtung Achim und Cloppenburg nach Westen. Am 12. August will er wieder zurück in Hagen sein.

Von der Navigation per App hält Oliver Trelenberg nichts

Unterwegs ist es für Passanten, die ihn treffen, gar nicht so einfach, bei Oliver Trelenberg etwas zu spenden. „Ich muss den Leuten erst eine Frikadelle ans Knie quatschen“, meint er. Soll heißen: Ohne ein Gespräch und einen Flyer zur Information, was das alles soll, kann bei ihm keiner eine Summe loswerden. Die Flyer gehen schnell weg. Damit er nicht alle auf einmal mitschleppen muss, schickt er sich welche an feste Adressen voraus. 250 Stück ins Allgäu und 250 Stück nach Ahlbeck. 150 Stück etwa führt er noch mit sich.

Auf ein Navigationssoftware verlässt sich Oliver Trelenberg nicht, obwohl er ein Handy dabei hat und seine Fans per sozialer Netzwerke wie Facebook regelmäßig informiert. Er ordert seine Tourenbücher stets bei einem österreichischen Kartenverlag, die Planung der nächsten Reise macht er in der Weihnachtszeit. Wenn andere es sich zusammen besinnlich machen, findet er die Ruhe, um die Etappen abzustecken.

Wichtig: Wo ist ein SB-Waschsalon auf der Strecke?

So ganz ohne Internet-Suchfunktion kommt er aber doch nicht aus. „Ich google vorher immer nach einem SB-Waschsalon“, verrät Oliver Trelenberg. Schließlich nimmt er aus Gewichts- und Platzgründen kaum Kleidung mit, lieber wird frisch gewaschen. Zwei überschaubare Packtaschen jeweils vorn und hinten und eine am Lenker, mehr Stauraum gibt es nicht. Da sind ein wenig Wechselkleidung, Wetterschutz und Hygieneartikel drin – insgesamt etwa 30 Kilo.

Er selbst sei schlichtweg arm, sagt Oliver Trelenberg. Aber er hat Unterstützer. Die Flyer werden kostenlos hergestellt, für den technischen Support in Sachen Fahrrad sorgt das Shimano-Werk in Stuttgart. Dort fährt er jedes Jahr unter großem „Hallo“ der gesamten Belegschaft vor. Weil ihm die Luftzufuhr schwerer fällt, ist er seit drei Jahren auf einem gesponsorten E-Bike von Merida unterwegs.

Gefahren werden muss bei jedem Wind und Wetter

Er reißt nicht nur so gut wie täglich seine 50 bis 80 Kilometer ab, „sondern fährt auch bei jedem Wind und Wetter“, erklärt Oliver Trelenberg. „Ich denke da nicht drüber nach, wenn es regnet. Nur Gewitter finde ich unangenehm.“ Aber auch da quält er sich durch, die Nutzung von Wetter-Apps lehnt er ab, er findet, sie mindert die Lebensqualität, wenn man seine Planung nach der Vorhersage ausrichtet.

Seine Termin sind immer 16 Uhr vor Ort, die will er unbedingt einhalten, deshalb sind keine Pausen drin. „Das sind eigentlich immer Punktlandungen“, sagt der Erfinder von „Oli radelt“ stolz. „In erster Linie geht es mir darum, Menschen zu zeigen: Steckt den Kopf nicht in den Sand.“

Spendenempfänger: Stadt Hagen; Geldinstitut: Sparkasse Hagen Herdecke; IBAN: DE 23 4505 0001 0100 0004 44; Verwendungszweck: Oli radelt für wünschdirwas e. V. Kassenzeichen 800900010008.

„Tschüs, bis zum nächsten Mal“: Bürgermeister Olaf Schulze verabschiedet Oliver Trelenberg nach dem gut 90 minütigen Treffen im Rathaus wieder. Der fuhr danach in den Lindenhof zum Übernachten.
„Tschüs, bis zum nächsten Mal“: Bürgermeister Olaf Schulze verabschiedet Oliver Trelenberg nach dem gut 90 minütigen Treffen im Rathaus wieder. Der fuhr danach in den Lindenhof zum Übernachten. © Dirk Palapies | Dirk Palapies