Celle. Sie stammt aus Tokio und ist eine gefragte Manga-Künstlerin. Dem großen Pokémon Hype entkommt die Japanerin an einem ungewöhnlichen Ort.

  • Pokémon-Figuren stammen aus Japan und sind Fantasiewesen, für die eine eigene Welt erfunden wurde
  • Die kleinen bunten Monster sind vor allem bei Kindern sehr beliebt
  • Dahinter stecken allerdings ernst zu nehmende Künstler, die in Japan Legendenstatus genießen

Pokémon-Sammelkarten sind seit Jahrzehnten auf Schulhöfen beliebte Tauschobjekte. Mit den Taschenmonstern im Manga-Stil, ihren Karten, Computerspielen und Zeichentrickfilmen verbinden Kinder, Jugendliche und Erwachsene fernöstliche Kultur und japanische Lebensart.

Kaum jemand würde sie mit Celle in der Lüneburger Heide in Verbindung bringen – und doch birgt die Residenzstadt ein unter Pokémon-Fans offenes Geheimnis: Hier lebt und arbeitet die Manga-Künstlerin Midori Harada seit inzwischen zehn Jahren.

Pokémon zeichnen in der Lüneburger Heide? Midori Harada liebt diese Kombination

Über ihr genaues Alter schweigt die Japanerin mit gewinnendem Lächeln, doch zumindest verrät sie, dass sie in den 1990er-Jahren für vier Jahre an der Kunsthochschule in Tokio studiert hat. „Um 1996 hat dann die Pokémon-Firma Künstlerinnen und Künstler gesucht, die schnell zeichnen und den passenden Stil treffen können“, sagt Harada.

Midori Harada zeigt einen von ihr im Manga-Stil gestalteten Eisbären. Die Wesen namens „Fuwa Fuwa no Kuma“ hat die Künstlerin schon viele Geschichten auf der ganzen Welt erleben lassen.
Midori Harada zeigt einen von ihr im Manga-Stil gestalteten Eisbären. Die Wesen namens „Fuwa Fuwa no Kuma“ hat die Künstlerin schon viele Geschichten auf der ganzen Welt erleben lassen. © epd | Bjoern Schlueter (Schlüter)

Sie bringt beide Qualifikationen mit, heuert an und wird zunächst beauftragt, Bilder für Fan-Artikel zu erstellen. Ab 2002 zeichnet sie dann für das Sammelkartenspiel und illustriert zudem bis 2010 Landschaften und Karten für Videospiele der Pokémon-Reihe.

Das Sammelkartenspiel ist in Japan seit 1996 auf dem Markt, in Deutschland seit 1999. Der Erfolg schlägt sich eindrucksvoll in Zahlen nieder. Bis 2023 werden weltweit rund 53 Milliarden Pokémon-Karten verkauft.

Pokémons wie Gallopa, Flamara oder Terribark verleiht Harada Gestalt

Über 300 Motive stammen von Harada. Pokémon wie Gallopa, Flamara, Glibunkel, Donphan oder Terribark verleiht sie Gestalt. Doch wie kommt eine Künstlerin, die sonst auf Sammelkarten-Conventions weltweit unterwegs ist, ausgerechnet in die beschauliche Residenzstadt Celle? Eine Zufallsbekanntschaft gab ihr im richtigen Moment den entscheidenden Tipp.

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„Im Jahr 2011 hat ein deutsch-japanischer Anwalt einige meiner Bilder in Tokio gekauft und mir als gebürtiger Celler von der Stadt erzählt“, sagt Harada. Ihr sei schon länger aufgefallen, wie groß der Markt für japanische Mangas und Computerspiele in Europa ist, weswegen sie auch schon mit dem Gedanken gespielt habe, dorthin überzusiedeln, verrät die Künstlerin.

Bei einem ersten Besuch in Deutschland hatte sie 2010 schon die Metropolen Hamburg, Berlin und München kennengelernt. „Aber das Leben in der Großstadt kannte ich ja zur Genüge aus Tokio“, sagt sie mit einem Lachen.

„Ich liebe die Ruhe, die gemütlichen Gassen und die Landschaft rund um die Stadt“

Die Pokemon-Plüschfiguren Gengar, Pummeluff, Blitza und Evoli. Midori Harada hat für jede dieser Figuren mindestens eine Sammelkarte gezeichnet.
Die Pokemon-Plüschfiguren Gengar, Pummeluff, Blitza und Evoli. Midori Harada hat für jede dieser Figuren mindestens eine Sammelkarte gezeichnet. © epd | Bjoern Schlueter (Schlüter)

2014 erhält Harada schließlich ein Künstlervisum, besucht Celle und schließt die Stadt in ihr Herz. Nach nur einem Monat in Berlin zieht sie in die Residenzstadt. „Ich liebe die Ruhe, die gemütlichen Gassen, Fachwerkhäuser und die Landschaft rund um die Stadt“, sagt sie. „Außerdem kann ich hier spazieren gehen, und niemand weiß, wer ich bin.“

Ihre neuen Heimat findet praktisch sofort Einzug in ihre Kunst. Schon 2015 bringt Harada das Manga-Bilderbuch „Celle und die flockigen Eisbären“ heraus. Diese Eisbären tragen im Japanischen den Namen „Fuwa Fuwa no Kuma“ und ziehen sich fortan durch sämtliche Erscheinungen Haradas.

Knapp 60.000 Menschen folgen den offiziellen Accounts von Fuwa Fuwa no Kuma

„Ich wollte nicht immer nur Pokémon zeichnen, sondern auch meine eigenen Originale erschaffen“, sagt Harada. Der Erfolg gibt ihr Recht. Die Bären verfügen inzwischen über viele Fans. So folgen knapp 60.000 Menschen bei Instagram und Twitter den offiziellen „Fuwa Fuwa no Kuma“-Accounts. Die Bären finden sich auch in den jährlich erscheinenden Celle-Kalendern, die von Harada mit immer neuen Werken illustriert werden. „Die Bären reisen um die Welt und erleben überall viele Geschichten“, sagt Harada.

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Am liebsten möchte die Künstlerin mit ihren Bildern und Geschichten den Menschen helfen, sagt sie. So ist es auch kein Zufall, dass sie einen Plüschbären mit einer Hose in den Farben der ukrainischen Flagge in ihrer Nähe hat. „Ich habe im vergangenen Jahr einen Manga-Workshop für aus der Ukraine geflüchtete Kinder in der Volkshochschule hier in Celle gegeben“, sagt Harada. „Das war schon etwas Besonderes.“

Mit der Kunst des Zeichnens geflüchteten Kindern helfen

Schon länger verkauft sie ihre Kunst für gute Zwecke und sammelt Spenden für die Ukraine. „Im Rahmen solcher Charity-Veranstaltungen biete ich auch Workshops an, aber das kommt nicht an die direkte Arbeit mit den geflüchteten Kindern heran.“

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In Celle lebt Harada allein. Und sie möchte gerne noch lange in der Fachwerkstadt bleiben. „Meine Einbürgerung ist beantragt und kann eigentlich nicht mehr lange auf sich warten lassen“, verrät sie.

Dennoch geht es für sie bald erst einmal zurück nach Japan. „Ende April und bis in den Mai werde ich eine Sonderausstellung in Tokio machen“, sagt die Künstlerin. Eine weitere Ausstellung ist schon in Luxemburg geplant, auch Pokémon-Karten wird sie weiter illustrieren und noch während sie spricht, meldet sich der Veranstalter einer großen Sammelkarten-Convention bei ihr, um sie einzuladen. „Ich habe jedenfalls keine Langeweile“, sagt sie und lacht.