Landwirtschaft

Ökolandwirte bieten das „Leasing“ von Schweinen an

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Edgar S. Hasse
In der Arche-Region Flusslandschaft Elbe fühlen sich die Schweine sauwohl

In der Arche-Region Flusslandschaft Elbe fühlen sich die Schweine sauwohl

Foto: dpa/Michael Hanschke

In der Arche-Region an der Elbe kann man die Tiere bei Ökolandwirten ein Jahr lang besuchen – und dann verzehren.

Dannenberg.  Im Schweins­galopp laufen die Ferkel von Landwirt Ingo Rosenberg über die Wiese. Auf dem Hof Groß Banratz in der Elbtalaue haben die Rotbunten Husumer Schweine viel Auslauf und leckeres Futter – unter anderem Getreide und Kartoffeln, Gras und Heu.

Gut zwölf Monate währt ihr Leben. In dieser Zeit bekommen sie häufiger Besuch: Es sind Kunden, mit denen der frühere Hamburger Kaufmann einen „Leasing-Vertrag“ geschlossen hat. Sie zahlen monatlich 50 Euro für ihr Ferkel, können es auf dem Hof aufwachsen und herumtollen sehen. Und nach einem Jahr verzehren.

Bei der Vermarktung der alten Haustierrassen gehen Bauern der Archeregion Flusslandschaft Elbe neue Wege. Zwischen Lüneburg, Lüchow, Lübtheen und Boizenburg bieten Ökolandwirte das „Leasing“ von Schweinen an. Zwölf Monate lang darf sich das Borstenvieh in Freilandhaltung sauwohl fühlen und reichlich Fett ansetzen. Danach wird es geschlachtet und auf Kundenwunsch direkt nach Hause geliefert.

Es sind die alten Rassen wie das fortpflanzungsfreudige Angler Sattelschwein, die stressresistenten Bunten Bentheimer und das Rotbunte Husumer Schwein, das den Geschmack der umwelt- und gesundheitsbewussten Verbraucher trifft. Als Alternative zur industriellen Mast mit reichlich Antibiotika werden die Elbtal-Schweine so gehalten, wie es seit Jahrhunderten in Norddeutschland üblich ist.

Bei Diplom-Agraringenieurin Kathrin Ollendorf laufen Angler Sattelschweine sogar durch den Wald, stets auf der Suche nach Eicheln und anderem Eßbaren. Ihr sogenannter Hutewaldhof in Dannenberg steht für das Konzept, bei dem ein Wald als Weide für die Tiere genutzt wird. Die Landwirtin bietet das „Schweineleasing“ seit fast zwei Jahren an, nachdem alle fachlichen und organisatorischen Voraussetzungen für die Freilandschweinehaltung inklusive Waldweide erfüllt waren. Pro Angler Sattelschwein zahlen die Kunden 60 Euro im Monat. „Hinzu kommen die individuellen Kosten für Schlachtung, Zerlegung, Verarbeitung und Verpackung“, sagt Kathrin Ollendorf.

Einst waren die bis zu 350 Kilogramm schweren Angler Sattelschweine vor allen in der Region Kappeln in aller Munde. Nach dem Zweiten Weltkrieg überzeugte das Borstenvieh die hungrigen Norddeutschen mit seinem fetten Fleisch. Doch dieses Qualitätsmerkmal wurde dem Angler Sattelschwein zunehmend zum Verhängnis, als die Konsumenten eher abspecken wollten. Kaum einer wollte mehr fettes Schweinefleisch essen. Nun aber kehrt das Angler Sattelschwein zurück. „Die Fleischqualität ist geprägt durch den hohen intramuskulären Fettanteil, was eine wichtige Voraussetzung für guten Fleischgeschmack ist“, sagt Kathrin Ollendorf. Die Rasse sei widerstandsfähig. „Außerdem fressen und verwerten die Tiere noch Gras, wozu moderne Rassen nicht mehr in der Lage sind.“

Das „Schweine-Leasing“ in der Arche-Region hat sich bis nach Hamburg herumgesprochen. „Bei unserer Selbstvermarktung steht die Hansestadt ganz oben“, sagt Ingo Rosenberg. Das Interesse bei den Verbrauchern sei „sehr groß“. Die Kunden vom Hutewaldhof sind vor allem Familien mit Kindern, die sich ein ganzes Schwein teilen. Immerhin liefert ein Tier rund 100 Kilogramm Fleisch und Wurst. „Manchmal werden auch Leasing-Schweine verschenkt, dann natürlich mit Gutschein und Tierfoto“, sagt Kathrin Ollendorf. Selbst weite Anreisen würden in Kauf genommen, um die Tiere einmal in der Freilandhaltung erleben zu können. Das Interesse an Schweinen und ihrem Wohlergehen ist nach Angaben der Landwirte nicht nur eine Wunschvorstellung, sondern bei den Kunden wirklich vorhanden.
Wer ein solches Tier besucht, baut nicht selten eine persönliche Beziehung zu ihm auf. Gerade das verändere die Einstellung zum Konsum, sagt Kathrin Ollendorf. „Denn ein Schwein schenkt uns mit seinem Tod eine Menge hochwertiger Nahrung. Die Kunden lernen, das ganze Tier wertzuschätzen.“

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