Bundesumweltminister Peter Altmaier will dort allen radioaktiven Abfall lagern. Das geht aus einem internen Schreiben hervor.

Brunsbüttel. Der Bund will Brunsbüttel anstelle von Gorleben zum zentralen Zwischenlager für alle 26 Behälter mit radioaktivem Abfall machen, die Deutschland von 2015 an zurücknehmen muss. Es sollen also auch aufgearbeitete Brennelemente aus der französischen Anlage in La Hague auf dem Gelände des Kernkraftwerks an der Elbe gelagert werden - und nicht nur die aus dem britischen Sellafield. Das geht aus einem Brief von Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) an seinen schleswig-holsteinischen Amtskollegen Robert Habeck (Grüne) hervor, der dem Hamburger Abendblatt vorliegt. In dem Schreiben mit Datum vom 8. April heißt es, dass mit der Verabschiedung des Standortauswahlgesetzes keine weiteren Transporte ins Zwischenlager Gorleben stattfinden sollen. Und weiter: "Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, für die ab 2015 anstehenden Rücktransporte von höchstens 21 Behältern aus Großbritannien und fünf Behältern aus Frankreich ein geeignetes Zwischenlager zu bestimmen. Nach Überprüfung der hierfür in Betracht kommenden Standorte komme ich zu dem Ergebnis, dass eine Unterbringung im Standortzwischenlager Brunsbüttel den Vorzug verdient."

Altmaier begründet dies unter anderem damit, dass der Transport "auf kürzestem Weg" über den Seeweg möglich sei und sich der Hafen "nur rund zwei Kilometer vom Standortzwischenlager entfernt" befinde. Offenbar wurde bereits eine technische Untersuchung vorgenommen. Altmaier schreibt: "Der Hafen wurde im Zuge einer Studie der GNS (Gesellschaft für Nuklear-Service mbH) aus technischer Sicht als geeignet für den Umschlag von Behältern mit verglasten Abfällen eingestuft." Außerdem, so der Umweltminister, sei in Brunsbüttel Platz: "Das Standortzwischenlager verfügt über 80 Stellplätze für Großbehälter, von denen jedoch voraussichtlich lediglich 19 für die Entsorgung von Brennelementen aus dem Kernkraftwerk Brunsbüttel benötigt werden."

In dem Brief beschreibt Altmaier auch, warum andere Standorte für ihn nicht infrage kommen. Zum Beispiel Lubmin in Mecklenburg-Vorpommern. Im dortigen Zwischenlager seien 74 der 80 Stellplätze bereits belegt, für eine Erweiterung müssten "umfangreiche Härtungsmaßnahmen" durchgeführt werden. "Die zeitliche Dauer der zu klärenden Fragen und zu treffenden Maßnahmen ist derzeit nicht abschätzbar", so Altmaier. Mit anderen Worten: Das dauert alles zu lange.

Und auch das Zwischenlager Unterweser (Niedersachsen) bekommt vom Umweltbundesminister schlechtere Noten als Brunsbüttel. Es gibt zwar einen Hafen, aber der ist nicht zwei, sondern 14 Kilometer vom Lager entfernt. Von den 80 Stellplätzen sind schon rund 40 vergeben.

Von einem Landtransport der fünf in der französischen Wiederaufbereitungsanlage La Hague stehenden Castoren ins Zwischenlager des KKW Philippsburg (Baden-Württemberg) hält der Minister ebenfalls wenig. Für ihn ist das nur die zweitbeste Lösung. "Für den Fall, dass ein Transport der fünf Behälter auf dem Seeweg nicht möglich wäre (Zustimmung Frankreichs ist hierfür erforderlich), käme beispielsweise ein Transport auf der Schiene nach Baden-Württemberg in Betracht", heißt es in dem Schreiben an Habeck.

Der ist inzwischen zurückgerudert. Zwar soll mit der Suche nach einem Endlager begonnen werden, zwar soll Gorleben nicht mehr als Zwischenlager genutzt werden - aber wo die 26 Castoren nun untergebracht werden, ist laut Habeck offen, weil man sich in diesem Punkt nicht hat einigen können. Zudem sei gerade ein Umbau des Zwischenlagers beantragt worden, zugleich solle dort die Zahl der Stellplätze deutlich verringert werden. Habeck verlangt eine solidarische Lösung des Problems, fordert andere Länder auf, ebenfalls Castoren zwischenzulagern. Bereut er es mittlerweile, überhaupt die Bereitschaft zur Zwischenlagerung gezeigt zu haben? "Nein", sagt er, "ich habe dieses politische Versteckspiel satt. Immer dieses Agieren nach dem Motto 'Wer sich bewegt, verliert.'" Ob Schleswig-Holstein überhaupt die rechtliche Möglichkeit hat, das vom Bund angestrebte Zwischenlager Brunsbüttel zu verhindern, ließ Habeck offen.

Die großen Atomkonzerne ließen am Mittwoch unbeantwortet, ob sie überhaupt bereit sind, andere Standorte als Gorleben als Lagerstätte zu beantragen. Man sei von der Politik überrascht worden und in entsprechende Überlegungen nicht einbezogen worden, teilte das Deutsche Atomforum (DAtF) verschnupft mit. Die Konzerne haben einen Rechtsanspruch, ins Gorlebener Zwischenlager zu liefern. Hier haben sie sich für Millionenbeträge Plätze für die Castoren reservieren lassen. Ganz so überraschend, wie jetzt behauptet, dürfte die Berliner Entscheidung für die großen Atomstromproduzenten aber nicht gewesen sein. Ihr Tochterunternehmen, die Gesellschaft für Nuklear-Service, hat die Studie angefertigt, die die Eignung von Brunsbüttel als Zwischenlager bestätigt.

Schleswig-Holsteins Innenminister Andreas Breitner (SPD) hat die Bundesregierung indes zum Handeln aufgefordert. Der Bundesumweltminister sei jetzt in der Pflicht, für einen nationalen Konsens zu sorgen, sagte Breitner am Donnerstag in Brunsbüttel. Hintergrund ist, dass neben Schleswig-Holstein bislang nur Baden-Württemberg seine Bereitschaft erklärt hat, sich an der Zwischenlagerung von Transportbehältern mit hoch radioaktivem Müll zu beteiligen. Man sei grundsätzlich bereit, Teil der Lösung des bundesweiten Problems zu werden. „Schleswig-Holstein kann aber nicht allein die Lösung sein“, betonte der Minister.