Das neue Endlagersuchgesetz muss alle Beteiligten einbinden

Atomkraft, das war Anfang der 60er-Jahre eine regelrechte Zauberformel für eine preiswerte und sichere Energieversorgung. Es war die Politik, die damals die Energieversorger energisch ermunterte, diesen Weg zu gehen. Schon deshalb ist es gut, dass die Politik sich jetzt erstmals nach Jahrzehnten der Verdrängung und Verniedlichung des Problems endlich ihrer Verantwortung stellt. Die Endlagerung der gefährlichen Atomabfälle ist eine nicht nur für Wissenschaft und Technik unglaublich große Herausforderung. Es geht vor allem um den Versuch, gesellschaftliche Akzeptanz zu schaffen für die notwendige Suche nach einem Endlager für hochradioaktiven Müll fast ausschließlich aus den Atommeilern. Nur zur Erinnerung: Vom gesamten Atommüll entfallen nur etwa zehn Prozent auf hochradioaktive Abfälle - aber die enthalten 99,9 Prozent des radioaktiven Inventars. Dies sind die Abfälle, für die Sicherheit über den schier unvorstellbaren Zeitraum von Hunderttausenden von Jahren gewährleistet werden muss.

Machen wir uns nichts vor: Ob am Ende ein Lager in Ton, Granit oder Salz ausgewählt wird, ob es im bayerischen Alpenvorland oder im Emsland liegen wird, vor Ort werden die Menschen auf die Barrikaden gehen und sich im wahrsten Sinne des Wortes querlegen. Umso wichtiger ist es, dass zu diesem Zeitpunkt kein Zweifel möglich ist, dass eine sachgerechte Entscheidung getroffen worden ist. Das wiederum setzt ein transparentes Verfahren voraus, bei dem keine gesellschaftliche Gruppe und keine Region sich verweigern kann, sich an der Suche zu beteiligen.

Das neue Endlagersuchgesetz ist noch nicht der große Durchbruch, der Prozess wird in quälend langsamen Schritten erfolgen und die Nerven aller Beteiligten strapazieren. Aber das Gesetzesvorhaben ist der erste ernsthafte Versuch in Deutschland, nicht über die Köpfe der Menschen hinweg Lösungen zu diktieren, sondern mindestens den Versuch zu unternehmen, einen gesellschaftlichen Konsens zu organisieren. Letzteres ist eine häufig überstrapazierte Formel - aber hier ist sie angebracht: Die Endlagersuche braucht die jetzt erreichte, breite parlamentarische Basis, damit anschließend eine breite gesellschaftliche Akzeptanz organisiert werden kann. Und eben weil wir von einem Prozess reden, der gut und gerne 20 bis 30 Jahre dauern wird, braucht es Rahmenbedingungen, die diverse Regierungswechsel unbeschädigt überstehen.

Ein Geburtsfehler des Gesetzes ist, dass erst einmal offen bleibt, ob die Ergebnisse der Enquetekommission in zwei Jahren dann auch tatsächlich und verbindlich einfließen in das weitere Verfahren. Das wird dann die erste Nagelprobe werden - darauf, wie ernst alle Beteiligten den Anspruch nehmen, zur besten möglichen Lösung zu kommen, auch wenn sie Zeit, Nerven und viel Geld kostet.

Mehr als nur ein Schönheitsfehler ist allerdings die Tatsache, dass der Standort Gorleben im Topf bleibt. Der Salzstock im Wendland passte damals wegen seiner abgelegenen Lage ins politische Konzept, Sicherheitsfragen spielten eine untergeordnete Rolle. Spannend wird deshalb, ob die Enquetekommission Sicherheitskriterien definiert, die Gorleben aus der anschließenden vergleichenden Suche ausschließen und ob die dann aktuelle Mehrheit in Bundestag und Bundesrat die Empfehlungen der Kommission auch umsetzt.

Entscheidend aber ist, dass eine ganz breite Mehrheit - erst der Politik und dann hoffentlich auch der Bevölkerung - sich zu der Verpflichtung bekennt, das gemeinsam angerichtete Problem auch gemeinsam zu lösen. Es kann nicht sein, dass Deutschland sich am Ende rauskauft aus der Atomkraft und den Müll in Länder exportiert, die es weniger genau nehmen mit der Langzeitsicherheit der Lagerung.