In den Städten Neumünster und Rendsburg sind die verfeindeten Motorrad-Gangs im Juni schon aufeinandergetroffen. Seitdem ist die Kripo Kiel alarmiert. Seit Wochen beobachtet sie die Aktivitäten der Bandidos und deren Unterstützer-Klubs.

Droht ein blutiger Revierkampf unter Motorradgangs um die Vorherrschaft in Schleswig-Holstein? Die Kripo Kiel ist alarmiert. Seit Wochen beobachtet sie die Aktivitäten der Bandidos und deren Unterstützer-Klubs etwa in Neumünster und Rendsburg. Die Bandidos versuchen seit Mai, in dem Land zwischen den Meeren Fuß zu fassen - einer Region, die bisher zum "Hoheitsgebiet" der verfeindeten Rivalen von den Hells Angels gehört. Koordiniert werden die Polizeiaktionen von Polizeidirektor Joachim Gutt, dem Leiter der Abteilung Einsatz beim LKA Kiel. "Unser Ziel ist es, ein Aufeinandertreffen rivalisierender Motorradklubs zu verhindern", sagte er dem Abendblatt. Im Klartext: Die Polizei fürchtet Mord und Totschlag.

Als Hintergrund des drohenden Bandenkrieges vermutet die Kripo das Abstecken von Revieren für Waffen- und Drogenhandel, illegale Prostitution und Schutzgelderpressung. Als Vorboten für einen drohenden Krieg deuten Fahnder die Aufmärsche; etwa Anfang Juni, als 150 Hells Angels aus Norddeutschland und Skandinavien bei den Bandidos und deren Unterstützern anrollten. Bei Kontrollen beschlagnahmte die Polizei mehr als 20 Hieb- und Stichwaffen bei den Hells Angels und den sie unterstützenden Red Devils.

Das norddeutsche Hells-Angels-Zentrum glaubt die Kripo in Kiel ausgemacht zu haben, wo die Rocker ein Bordell (Eros Laufhaus), eine Kneipe (San-Si-Bar) und ein Tätowierstudio etabliert haben. Ein Fahnder zum Abendblatt: "Die Hells Angels sind offenbar wild entschlossen, die Bandidos und deren verbrüderte Klubs im Norden nicht Fuß fassen zu lassen." Beide Rockergruppen sind für ihre beispiellose Brutalität bekannt. Gerichtsnotorisch ist der Überfall der Hells Angels auf eine Gruppe von Bandidos.

14 Bremer Hells Angels schlugen eine Gruppe ihrer Erzfeinde mit Baseballschlägern halb tot. Sie zerschlugen Arme und Beine, damit ihre Opfer nicht mehr aufs Motorrad steigen können. Eines der Opfer rächte sich. Im Jahr 2007 schoss der Bandido Heino B. einem Hells Angel, der in Ibbenbühren (Kreis Steinfurt) einen Motorradhandel betrieb, in den Rücken, wurde später zu lebenslanger Haft verurteilt.

So weit will es die Polizei in Schleswig-Holstein nicht kommen lassen. Seit Ende Mai zieht sie um Neumünster und Rendsburg herum Schutzpolizisten zusammen. Sie will verhindern, dass der von einigen Rockern ausgerufene "Nordische Krieg" beginnt.

"Schleswig-Holstein war bisher reines Hells-Angels-Land", sagt Jürgen Sievers, Chef der Ermittlungsabteilung am Landeskriminalamt Kiel. Jeder, der einen Motorradklub eröffnete, musste mit dem Besuch der Hells Angels rechnen. Meistens reichte es, wenn die schwergewichtigen (und meist tätowierten) Männer drohend aufkreuzten. Auch in schleswig-holsteinischen Tattoo-Geschäften tauchten sie auf.

Diese Studios gelten nach Angaben der Kriminalpolizei bei den Hells Angels als strategisch wichtige Orte. Häufig würden die Tattoo-Läden Hinweise auf ihre Hells-Angels-Zugehörigkeit geben. Diese firmieren gern nur unter den Farben Rot/Weiß oder der Zahl 81 (8. und 1. Buchstabe ergeben HA für Hells Angels). Ob ein versuchter Brandanschlag am 11. Juni auf ein Tattoo-Studio in Rendsburg etwas damit zu tun hat, wird jetzt ermittelt.

Besonders genau beobachtet das Landeskriminalamt die Internetauftritte der Rockerklubs, weil über Botschaften Stimmung gemacht werde. Auf einer Chicanos-Internetseite heißt es: "Die rot-goldene Front bekommt ungewollten Zulauf, der eventuell den Nordischen Krieg entscheidet - Sport frei!" Rot-Gold sind die Farben der Bandidos und der verbrüderten Chicanos. Bandidos aus anderen Bundesländern bestellen Grüße: "Haut im Norden alles um! Wir stehen hinter euch!"

Bis April waren im Norden fast ausschließlich Hells Angels und ihre "Supporter" (Unterstützer), die Red Devils, vertreten. Standorte sind: Flensburg, Rendsburg, Kiel, Heide, Ostholstein, Neumünster, Lübeck, North End (Alveslohe). Zum Norden gehört in der Hells-Angels- Kartografie auch Harbour City. Dahinter verbirgt sich der örtliche Hamburger Klub, der eigentlich verboten ist. Hells Angels und Bandidos zählt die Polizei zur organisierten Kriminalität.

Die Rockerklubs bezeichnen sich selber als "Bruderschaft". Beide haben ihren Ursprung im Militär. 1948 wurde der Hells Angels Motorcycle Club (HAMC) im US-Bundesstaat Kalifornien von Air-Force-Piloten gegründet. 1969 machten Hells Angels in Altamont Schlagzeilen, als sie bei einem Rolling-Stones-Konzert einen Farbigen vor der Bühne erstachen.

Den ersten deutschen Ableger gründeten die Hells Angels 1973 in Hamburg. Hier sind sie jedoch seit 1988 verboten, weil sie Wirte terrorisierten und am Tod eines Disco-Betreibers auf Sylt beteiligt waren. Die Bandidos wurden von Vietnam-Veteranen gegründet. Ihr Logo ist ein mexikanischer Bandit mit Machete und Pistole. Die Bandidos kamen 1989 zuerst nach Skandinavien; dort tobte ein erbitterter Bandenkrieg, bei dem auch Raketenwerfer gegen "die Hells" eingesetzt wurden. Seit 1999 sind sie in Deutschland, haben aktuell 47 örtliche Klubs.