Niedersachsens Universitäten haben so viele Anmeldungen, dass die Kapazitäten oft nicht ausreichen. Auch sonnabends Vorlesungen.

Hannover. Eigentlich hat die niedersächsische Wissenschaftsministerin Johanna Wanka (CDU) allen Grund zur Freude. Eine Umfrage der Deutschen Presse-Agentur belegt, dass die Hochschulen den doppelten Abiturjahrgang weitaus besser verkraften, als alle Kritiker erwartet haben. Ausgerechnet der Präsident der Universität Hannover, Professor Erich Barke, aber hat mit einem Aufruf an seine Kollegen, für bedürftige Studenten zu spenden, die Diskussion über die Studiengebühren wieder angeheizt.

Neben Bayern ist Niedersachsen das Bundesland, das bei den Studenten jährlich weiter 1000 Euro abkassieren wird, genau die Summe, um die Uni-Chef Barke jeden Professor bittet.

Weniger dramatisch als erwartet ist die Zahl der Studienanfänger gestiegen - trotz des doppelt so großen Abiturjahrgangs, weil es mehr Reifeprüflinge wegen des gleichzeitigen Abis nach acht und nach neun Jahren gab. Und trotz des Wegfalls der Wehrpflicht. Die Uni Hannover etwa rechnet mit 4600 Studienanfängern nach 3200 im vergangenen Jahr. Dank mehr als acht Millionen Euro zusätzlicher Mittel aus dem Hochschulpakt von Bund und Ländern, meint Präsident Erich Barke, sei das zu verkraften. Es gibt zwei neue Hörsäle, das Lehrpersonal wird verstärkt.

An der Technischen Universität Braunschweig wird künftig montags bis freitags von 8 bis 22 Uhr gelehrt, sonnabends bis 15 Uhr. Für größere Prüfungen will man die Stadthalle oder auch einen Kinosaal anmieten. Und wie auch an allen anderen Hochschulen des Landes steigt die Lehrverpflichtung der Professoren um eine auf künftig neun Wochenstunden, befristet bis 2015.

Auch die Uni Göttingen weitet die Lehrzeiten auf Sonnabend aus, aus modernisierten Hörsälen können Vorlesungen nach Bedarf auch in andere Säle übertragen werden.

Aus der Sicht der Oppositionsparteien im Landtag gibt es einen Zusammenhang zwischen den Studiengebühren und der Tatsache, dass die Zahl der Studierwilligen nicht so stark steigt, wie es rein rechnerisch zu erwarten war. Die Abgeordnete Gabriele Andretta, hochschulpolitische Sprecherin der SPD: "Die Initiative von Uni-Präsident Barke widerlegt die Behauptung von Wissenschaftsministerin Wanka, wonach Studiengebühren nicht abschrecken." Die Lage, so Andretta, sei in Niedersachsen sogar noch schlimmer als in Bayern, weil es dort weitaus großzügigere Freistellungsregeln gibt, die Familien mit mehreren Kindern entlasten: "Niedersachsen kassiert dagegen sogar bei BAföG-Empfängern eiskalt ab."

Genau hier hat Barke angesetzt. In einer E-Mail an alle 340 Professoren der Leibniz-Universität Hannover bat er, jeweils 1000 Euro im Jahr zu zahlen: "Das wäre ein schönes Zeichen." Barke will mit dem Geld Studenten die Studiengebühren abnehmen, die noch in der Regelstudienzeit sind, aber wegen ihres Alters über 25 kein Kindergeld mehr erhalten. Barke kritisierte zudem, es gebe bundesweit "kein wirksames Stipendiensystem". Alle Anfragen zu seinem Vorstoß lässt Barke von der Pressestelle der Uni abwimmeln: "Dazu sagen wir gar nichts." Und auch Wissenschaftsministerin Wanka will Barkes Hilferuf an die eigenen Kollegen nicht kommentieren. Ihr Sprecher Rüdiger Fischer verweist auf die Vorteile der Studiengebühren für die Universitäten.

So bestätige eine neue Studie des Centrums für Hochschulentwicklung dem Land einen Spitzenplatz bei der Betreuungsrelation von Professoren und Studenten. Und der CDU-Abgeordnete Jens Nacke springt der Ministerin bei mit der Feststellung: "Die bessere Qualität der Lehre kommt den Studierenden ein Leben lang zugute."

Für die hochschulpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Gabriele Heinen-Kljajic, ist der Spendenaufruf dagegen "der Paukenschlag im Abgesang auf die Studiengebühren" und ein Beweis, dass alle Stipendiensysteme gescheitert sind: "Die Studiengebühren müssen abgeschafft und vollständig aus Landesmitteln kompensiert werden."

Die Landeshochschulkonferenz (LHK) hat sich mit einem mehrheitlichen Bekenntnis für Studiengebühren in die Diskussion eingeschaltet: "Eine Abschaffung würde weitreichende negative Konsequenzen für die Studienbedingungen und die Hochschulen mit sich bringen, kommt daher für die Mehrheit der LHK-Mitglieder nicht in Betracht." Es geht um derzeit jährlich rund 100 Millionen Euro Studiengebühren, die den niedersächsischen Hochschulen zufließen. Deren Rektoren glauben nicht, dass das Land diese Mittel beim Wegfall der Gebühren dauerhaft kompensieren würde: "Die Zahlung bliebe von der jeweiligen Haushaltssituation abhängig."

Die LHK macht auch deutlich, dass es aus ihrer Sicht Wichtigeres gibt als steigende Studentenzahlen. Wenn das Land mehr Geld gäbe, statt Studiengebühren zu erheben, so rechnet die LHK vor, müssen auch mehr Studenten angenommen werden bei gleichem Personal: "Dadurch würde die Studienqualität sinken."