Laut Ministerium verschlechtern sich die Aussichten auf Schadenersatz für Bauern nach dem Insolvenzantrag von Harles und Jentzsch.

Hamburg. Nach dem Insolvenzantrag des Futterfettherstellers Harles und Jentzsch werden voraussichtlich Tausende Bauern auf den Kosten des Dioxin-Skandals sitzen bleiben. Bislang gibt es niemanden, der für die Gifttests, Probeschlachtungen und Verdienstausfälle zahlen will, die sich pro Hof auf mehrere Zehntausend Euro summieren können. Mit der möglichen Pleite des mutmaßlichen Verursachers des Skandals hätten sich die Aussichten auf Schadenersatz deutlich verschlechtert, sagte die Sprecherin des niedersächsischen Landwirtschaftsministeriums, Natascha Mahnski. "Man kann das so sehen, dass sich das Unternehmen aus der Verantwortung stehlen will."

Harles und Jentzsch hatte am Mittwoch vor dem Amtsgericht Pinneberg Insolvenzantrag gestellt. "Hintergrund sind bereits gestellte Schadenersatzansprüche, die zu einer Zahlungsunfähigkeit der Firma führen können", sagte ein Sprecher des vorläufigen Insolvenzverwalters Heiko Fialski dem Abendblatt. Zurzeit werde geprüft, ob zumindest der Handel mit chemischen Fetten fortgeführt werden könne. Hierdurch könnten gegebenenfalls die Interessen der betroffenen Gläubiger besser gewahrt werden als bei einer sofortigen Betriebsstilllegung. Fette für Tierfutter darf die Uetersener Firma seit Bekanntwerden der Dioxin-Panschereien nicht mehr herstellen.

Das Unternehmen steht im Zentrum des Dioxin-Skandals, weil bei einer Tochterfirma im niedersächsischen Bösel vermutlich dioxinbelastete Industriefette eines Biodieselherstellers ins Futterfett gemengt worden waren. Von dort gelangte das Gift zu Futtermittelherstellern und auf Bauernhöfe in ganz Deutschland.

Unterdessen gibt es neue Erkenntnisse über den Verbleib von 180 Schweinen, die im niedersächsischen Landkreis Verden mit dioxinhaltigem Futter gemästet worden waren. Das Fleisch ist wahrscheinlich größtenteils schon auf den Tellern der Verbraucher gelandet. Nach Angaben der Firma TönniesFleisch wurden die Tiere im Dezember in fünf Lieferungen in einen Schlachthof des Unternehmens in Weißenfels in Sachsen-Anhalt gebracht. Dort seien sie geschlachtet, zerlegt und an weiterverarbeitende Betriebe ausgeliefert worden, sagte Tönnies-Sprecher Markus Eicher. "Angesichts der Mindesthaltbarkeit muss man davon ausgehen, dass zumindest das Fleisch der 145 Tiere aus den ersten vier Lieferungen bereits verzehrt ist", sagte er.

Die letzten 35 Tiere aus dem Landkreis Verden seien am 30. Dezember an den Schlachthof in Weißenfels geliefert worden. Ihr Fleisch sei am 3. Januar an drei weiterverarbeitende Betriebe ausgeliefert worden. Dies habe man auch den Behörden in Sachsen-Anhalt mitgeteilt, die nun versuchten, zumindest Teile des Fleisches noch aufzuspüren und zu sperren. Bei Probeschlachtungen in Verden waren Dioxin-Werte festgestellt worden, die rund 50 Prozent über dem zulässigen Grenzwert lagen.

Mit einem Maßnahmenplan für sichere Futtermittel machen die SPD-geführten Länder nun auch zunehmend Druck auf Bundesagrarministerin Ilse Aigner (CSU). Der gestern veröffentlichte Zehn-Punkte-Katalog umfasst unter anderem eine Zulassungspflicht und eine Haftpflichtversicherung für alle Futtermittelunternehmen. Außerdem fordert das Länderbündnis strenge Standards für die Eigenkontrollen der Betriebe und eine Weiterentwicklung der staatlichen Überwachung.

Das Papier ist Grundlage für die von Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz initiierte Sonderkonferenz der Verbraucher- und Agrarminister am kommenden Dienstag. In einer gemeinsamen Erklärung der Ressortchefs aus Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Berlin kündigen die Länder an, ihre Vorschläge "notfalls über den Bundesrat" durchzusetzen.

Aigner will heute ihren eigenen Aktionsplan mit Konsequenzen aus dem Dioxin-Skandal vorstellen. Dabei geht es unter anderem um schärfere Regeln für die Kontrolle von Futtermitteln. Die gesamte Produktionskette soll auf den Prüfstand. Aigner will zudem die Anforderungen an Unternehmen verschärfen, die Rohstoffe für Futtermittel liefern. Europaweit soll durchgesetzt werden, dass Futterfette nicht in Anlagen hergestellt werden dürfen, die auch Industriefette produzieren.