Rassismus

Lehrer lernen Umgang mit Extremismus an Kindergärten

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Grit Büttner

An dem Trainingsprogramm beteiligen sich vorerst drei von 19 Grundschulen und neun von zehn Heimen in Westmecklenburg.

Ludwigslust. „Du hast ja braune Augen!“ Schon solche kleinen Hänseleien können nach Ansicht von Extremismusexpertin Sandra Pingel-Schliemann Anzeichen von Alltagsrassismus in Schulen oder Kindergärten sein. In Westmecklenburg werden Pädagogen jetzt in einem dreitägigen Training unter dem Titel „AUGEN-BLICK-MAL!“ fit gemacht für den Umgang mit Fremdenfeindlichkeit und rechtsextremistischen Tendenzen bereits unter Kindergartenkindern und Grundschülern.

Veranstalter der Kurse sind die demokratische Fraueninitiative „Lola für Lulu“ in Ludwigslust – ein Projekt der Amadeu Antonio Stiftung Berlin – und das Regionalzentrum für demokratische Kultur Westmecklenburg. Ratlose Lehrer, Kita-, Hort- und Heimerzieherinnen, hätten sich das Training gegen Rechts gewünscht, so die promovierte Politikwissenschaftlerin Pingel-Schliemann. Sie kämen immer häufiger in die Situation, auf rechtsextreme, antidemokratische oder diskriminierende Einstellungen bei Kindern wie auch Eltern reagieren zu müssen. „Je früher wir die Kids demokratisch stärken, umso besser sind sie gewappnet gegen rechtsextremes Gedankengut“, sagt die Expertin.

In Mecklenburg-Vorpommern habe neben Ostvorpommern auch der Landkreis Ludwigslust ein rechtes Problem: Die Region ist seit Jahren Schwerpunkt rechtsextremistischer Aktivitäten, wie Cornelia Neumann vom Regionalzentrum bestätigt. Seit Mitte der 90er-Jahre gebe es eine regelrechte Siedlungsstrategie der NPD, die mit dem Zuzug von Führungskadern der Rechten – samt ihrer Familien – aus den alten Bundesländern einhergehe.

Zugleich sei der „Kampf um die Köpfe“ – um die der Kinder und Jugendlichen – in Südwestmecklenburg entbrannt. Die sogenannte „Schulhof-CD“ mit rechter Musik etwa werde nach wie vor verteilt, sagt Neumann. Kicker-Turniere im NPD-Wahlkreisbüro oder andere Treffs würden junge Leute in der strukturschwachen Gegend ebenso ansprechen wie symbolhafte Kleidung. Zwar sei der Landkreis Ludwigslust mit kulturellen Angeboten für die Jugend wie auch in der Schulsozialarbeit „relativ gut aufgestellt“ und die Affinität der Jugend zu rechten Gruppen sei nicht stärker als anderswo. Jedoch gingen auch hier rechtsextremistische Tendenzen durch alle Bildungs- und Berufsschichten, so Neumann. „Es sind nicht nur die leeren Räume, in denen Rechtsextremismus auf fruchtbaren Boden fällt“, sagt sie. Nicht nur sozial benachteiligte oder bildungsschwache Jugendliche seien empfänglich. „Das geht bis in die Gymnasien hinein.“

Neu sei, dass sich bereits Kindergärtnerinnen und Grundschullehrer mit der Thematik befassen müssten. „Lehrer müssen konsequent Werte vermitteln, sie haben einen Erziehungsauftrag“, betont Pingel-Schliemann. Sie verweist zudem auf die Tendenz hin zu rechtsextremistischen Elternvertretern oder anderen Ehrenamtlichen etwa in Sportvereinen der Region. Der Bedarf an Informationen und Schulungen sei kaum mehr zu decken, sagt sie.

An dem Mitte November angelaufenen Trainingsprogramm nehmen vorerst drei von 19 Grundschulen und neun von zehn Heimen der Region teil, die allerdings ungenannt bleiben wollen. Ab Januar gibt es das Angebot auch für Kindergärten. Im Kurs sollen Lehrer und Erzieher zu einem kritischen, aktiven Umgang mit antidemokratischen Ausdrucks- und Erscheinungsformen – wie versteckten Symbolen, Musik oder Internetseiten – befähigt werden. Ihr demokratisches Bewusstsein soll geschärft, Handlungsmöglichkeiten können in Rollenspielen geübt werden. Themen sind etwa „Kampf um die Kinder – Rechtsextreme und Familien“ oder „Rechtsextreme Erziehung – Kinder zwischen Drill und Defensive“.

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