Berlin. Wenn Kinder ein Instrument lernen, wird es mitunter hart für die Nachbarn. Welche Regelungen und Pflichten gibt es beim Musizieren?

Klavier, Trompete, Geige oder Akkordeon: Für die einen erzeugen diese Instrumente schöne Musik, für die anderen Lärmbelästigung. Wenn Nachbarn ein Instrument spielen oder Hausmusik machen, sorgt dies immer wieder für Streit – manche Fälle landen sogar vor Gericht.

Grundsätzlich gilt: Ein komplettes Verbot, zu Hause zu musizieren, ist unzulässig. In gewissen Grenzen muss Hausmusik als übliche Freizeitbeschäftigung möglich sein, entschied der Bundesgerichtshof (Az.: V ZR 143/17). Maßstab sei der verständige Durchschnittsmensch.

Was das bedeutet, erklärt Helena Klinger vom Eigentümerverband Haus & Grund Deutschland: Besonders sensible Personen könnten „sich nicht auf ihre besondere Empfindlichkeit berufen, solange ein gesunder Mensch die Geräuschkulisse als normal empfindet“.

Zimmerlautstärke ist problemlos

Neben objektiven Maßstäben sollten Nachbarn sich an gesellschaftliche Gegebenheiten anpassen. „Das Musizieren ist in Wohnvierteln üblich und daher auch zu dulden“, erklärt Klinger. Insbesondere, wenn sich Musiker bei Lautstärke, Zeitraum und Zeitpunkt an den Lebensumständen und Bedürfnissen anderer Hausbewohner orientieren.

Wie viel Musik erlaubt ist, hängt auch vom Umfeld ab: „In einer Seniorenwohnwohnanlage gelten andere Grundsätze als etwa in einem Haus mit vielen jungen Leuten“, erklärt Annett Engel-Lindner vom Immobilienverband Deutschland IVD. Solange Musiker in Zimmerlautstärke spielten, dürften Nachbarn sich daran nicht stören.

Wenn Mieter lauter musizieren, müssen sie die Bestimmungen in ihrem Mietvertrag oder in der Hausordnung beachten, gibt Engel-Lindner zu bedenken. Dort steht auch, welche Ruhezeiten sie einhalten müssen: Üblich sind die Zeiträume zwischen 22 und 6 Uhr sowie zwischen 13 und 15 Uhr; und oft auch sonntags.

Hellhörigkeit spielt eine Rolle

„Die meisten Gerichte halten das Musizieren für zwei bis drei Stunden täglich für zumutbar“, erklärt Engel-Lindner. Eine einheitliche Rechtsprechung existiere dazu nicht, es komme immer auf den Einzelfall an. Da könnte etwa auch der bauliche Abstand der Wohnungen zueinander oder die Hellhörigkeit der Räume eine Rolle spielen, so Helena Klinger.

Wie lange jemand musizieren darf, hängt auch vom Instrument ab: Nach einem Beschluss des Landgerichts Freiburg ist etwa Schlagzeugspielen je eine Stunde vormittags und nachmittags erlaubt (Az.: 4 T 20/03) – und nach 19 Uhr ganz zu unterlassen, befand das Landgericht Nürnberg-Fürth (Az.: 13 S 5296/90).

• In diesen Fällen darf der Vermieter in die Wohnung kommen

Viele Gerichtsurteile für Klavierspiel

Ein Akkordeon kann hingegen laut Landgericht Kleve täglich 90 Minuten gespielt werden (Az.: 6 S 70/90). „Die meisten Gerichtsentscheidungen gibt es zum Klavierspiel“, sagt Annett Engel-Lindner. Die Bandbreite der Toleranz reiche von eineinhalb bis drei Stunden pro Tag.

Klavierspieler dürfen meist nur wochentags bis 20 Uhr beziehungsweise an Sonn- und Feiertagen bis 19 Uhr spielen, erklärt Engel-Lindner. Für Berufs- und Hobbymusiker gelten grundsätzlich die gleichen Regeln. Erstere sollten aber konkrete Vereinbarungen im Mietvertrag aufnehmen lassen, rät Rolf Janßen vom Mieterschutzverein Frankfurt am Main.

Unterrichten nicht im Übermaß

Will ein Musiker in seiner Wohnung Unterricht geben, kann dies in bestimmten Grenzen zulässig sein – wenn es sich etwa um sechs bis sieben Stunden wöchentlich handelt, so das Amtsgericht Freiburg (Az.: 10 C 2250/90).

Auch gegen das Aufstellen eines Klaviers spricht in der Regel nichts – sofern die Statik des Gebäudes dies aushält. „Klaviere wiegen bis zu 300 Kilogramm, Flügel bis zu 600 Kilogramm“, sagt Engel-Lindner.

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Um Ärger zu vermeiden, können Musiker Tricks anwenden: Geige etwa mithilfe eines Hoteldämpfers (Tonwolf genannt) üben, bei der Trompete ebenfalls einen Dämpfer verwenden oder andere Techniken wählen.

Gemeinsam Kompromisse finden

„Es gibt heutzutage verschiedene Systeme, mit denen ein Musiker ein Klavier bei Bedarf stummschalten kann und sein eigenes Spiel über Kopfhörer wahrnimmt“, erklärt Engel-Lindner. Damit können Musiker zu jeder Tages- und Nachtzeit spielen.

Grundsätzlich sollten Nachbarn Rücksicht nehmen und bei Verdruss erst mal ein konstruktives Gespräch suchen. „Bestenfalls ist der lärmende Mieter seinerseits proaktiv und geht vor den ersten Beschwerden auf seine Nachbarn zu“, empfiehlt Klinger. Gemeinsam lassen sich dann oft leichter Kompromisse finden.