Hamburg. Architekt Neil Winstanley plante in Barmbek mehrgeschossige Häuser aus Holz. Eingezogen ist eine Baugemeinschaft und seine Familie.

1600 Quadratmeter Grundstück, drei Gebäude, zwölf Wohnungen, dazu ein gemeinsamer Garten, der alles verbindet: Was nüchtern klingt, bedeutet für Familie Winstanley seit fünf Jahren echte Lebensqualität in Hamburgs ersten Mehrfamilienholzhäusern auf dem ehemaligen Barmbeker Güterbahnhof.

„Alle wohnen gern hier, die Kinder spielen zusammen – das ist gewachsen, weil man schon während der Bauphasen gemeinsam durch Dick und Dünn gegangen ist“, sagt Neil Winstanley, der als federführender Architekt das Baugemeinschaftsprojekt mit seinem Büro Spine Architects realisiert hat – und mit seiner Frau Andrea Kintrup und den beiden 6- und 13-jährigen Kindern dort selbst wohnt.

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Zum hohen Wohlfühlfaktor trägt neben der offenen Architektur der Wohnungen auch der gemeinsame Garten bei. „Das fördert die Kommunikation“, sagt der Architekt.

Originalbesetzung auch nach fünf Jahren

„Unser Konzept ist voll aufgegangen. Nach fünf Jahren wohnen wir hier immer noch in der Originalbesetzung.“ Wie innovativ die Gebäude sind, sieht man ihnen allerdings nicht an.

„Da es damals ein Pionierprojekt für die Holzbauweise war, haben wir uns nicht auch noch an eine Holzfassade herangetraut“, gesteht Winstanley.

Architekt Neil Winstanley und seine Frau Andrea Kintrup genießen die Helligkeit ihrer Wohnung
Architekt Neil Winstanley und seine Frau Andrea Kintrup genießen die Helligkeit ihrer Wohnung © Roland Magunia/Hamburger Abendblatt | Roland Magunia/Hamburger Abendblatt

Deshalb präge jetzt ein Wärmedämmverbundsystem (WDVS) das äußere Erscheinungsbild. Auch dass die tragenden Wände und Decken aus Holz sind, ist nicht sichtbar: Sie sind selbst in der Wohnung der Winstanleys fast vollständig weiß verkleidet.

Der Planer schwärmt von den baulichen Vorteilen des Materials – offene Grundrisse ließen sich so realisieren. „Dass wir uns so wohlfühlen, liegt auch daran, dass wir Licht von allen Seiten erleben; dadurch wirkt alles hell und freundlich“, sagt der Familienvater.

Offene Bauweise und guter Schallschutz

Das Zuhause der Familie gruppiert sich um einen Gebäudekern mit Bad, WC und Haustechnik. Auf der einen Seite befinden sich die Schlafräume, auf der anderen die Küche sowie Büro- und Medienraum.

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Dazwischen liegt der Ess- und Wohnbereich. „Fernsehen muss man gelegentlich mit Kopfhörer. Das ist das einzige Manko der offenen Bauweise“, sagt der Architekt.

Dafür kann man komplett um den Kern herumlaufen, wodurch das Gefühl entsteht, es gebe mehr Platz als tatsächlich vorhanden ist. „Jede Wohnung hat zudem ein Erkerzimmer; wir nutzen es als Schlafzimmer, das dadurch etwas größer ist als es der Grundriss hergibt.“

Nichts weist in den Räumen auf die Holzbauweise hin.
Nichts weist in den Räumen auf die Holzbauweise hin. © Roland Magunia/Hamburger Abendblatt | Roland Magunia/Hamburger Abendblatt

Damit trotz Familienleben auf mehreren Geschossen im Haus Ruhe einkehren kann, wurde für guten Schallschutz gesorgt. „Über uns wohnt eine Familie mit drei Kindern. Davon hört man fast nichts“, sagt Andrea Kintrup.

Zu verdanken sei dies der baulichen Trennung von Wänden und Decken im Holzbau. „In Massivbauweise ist das so nicht realisierbar“, sagt der Architekt.

Schnelleres Bauen, Klimaschutz und Bauförderung

Weiterer Vorteil: Da tragende Teile aus Holz gegenüber konventionell errichteten Gebäuden rund ein Drittel dünner ausfallen können, bekommt man etwa drei Prozent mehr Fläche.

Außerdem ist schnelleres und saubereres Bauen möglich. „Und man nervt nicht monatelang mit Baulärm die Nachbarn“, führt der Architekt an. „Außerdem leisten wir hier unseren Beitrag zum Klimaschutz, denn im Holz wird schließlich CO2 gespeichert.“

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Mittlerweile ist der Holzbau kein Sonderfall mehr, auch ist er nicht mehr viel teurer als konventionelle Bauweisen, denn die Produktionskapazitäten wurden bundesweit erweitert.

Hamburg unterstützt zudem diese Bauweise durch ein Förderprogramm. Der Zuschuss muss bei der Hamburgischen Investitions- und Förderbank (IFB) beantragt werden.

Kommunikativer Leben im Haus

Doch die innovative Architektur ist nur eine Seite dieses gelungenen Bauprojekts. „Das Leben in der Baugemeinschaft ist schon etwas Besonderes, gerade für die Kinder. Die können sich hier auch mal nur für eine halbe Stunde mit jemandem verabreden und das alleine organisieren. In der Innenstadt konnte man dagegen kaum gemeinsam vor die Tür gehen – wir leben hier viel kommunikativer“, freut sich Andrea Kintrup.

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Als Nächstes steht die Feier zum fünfjährigen Bestehen der Baugemeinschaft an. In der gemeinsamen Laube, die aus dem Restmaterial der Holzhäuser errichtet wurde, stapeln sich bereits die Getränkekisten.

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Ob die Wohnungen auch im höheren Alter noch überzeugen, wenn die Kinder ausgezogen sind? „Mit dieser Frage haben wir uns noch nicht auseinandergesetzt, allerdings können die Innenwände mit wenig Aufwand umgestellt werden“, sagt der Architekt.

Von seiner Terrasse kann er bald auf ein weiteres Baugemeinschaftsprojekt schauen, für das sein Büro jüngst den ersten Preis erhielt. Bessere Aussichten kann es doch nicht geben!