Wohnen im Denkmal: 60 Menschen verwalten basisdemokratisch die dreiflügelige Anlage in Rotherbaum. Studenten und Renter kommen zusammen.

"Wir leben hier wie in einem Dorf und doch zentral im Herzen dieser Stadt. Jeder kennt jeden und es sind viele Freundschaften entstanden. Anonymität gibt es hier glücklicherweise nicht", sagt Nieke Erbsleben. Die geborene Hamburgerin wohnt seit 29 Jahren im Schröderstift, einem Bauwerk, das auf den Hamburger Kaufmann Johann Heinrich Schröder zurückgeht. Er rief 1850 eine eigene Stiftung ins Leben und stattete sie mit einem Vermögen von einer Million Mark aus. Mithilfe des Geldes entstand das Schröderstift.

In der Wohnanlage sollten, so der explizite Wunsch des Stifters, vor allem bedürftige Frauen höherer Stände unterkommen. Den Zuschlag für die Realisierung des Baus erhielt der jüdische Architekt Albert Rosengarten, der eine dreiflügelige Anlage im Stil des romantischen Historismus mit integrierter Kirche errichten ließ.

Heute leben im Schröderstift etwa 60 Menschen im Alter zwischen einem und 62 Jahren in basisdemokratischer Selbstverwaltung zusammen.

Als Nieke Erbsleben in das Stift einzog, war sie Studentin. Seit 1992 bewohnt sie eine Dachgeschosswohnung in Haus 13, die sie heute mit ihren beiden Kindern und ihrem Partner Michael Stascheit teilt. "Früher gab es in den meisten Wohnungen keine Toiletten oder Duschen. Und besonders warm wurde es mit den Kohleöfen auch nicht. Das hat sich inzwischen geändert. Fast alle der 40 Wohnungen haben wir modernisiert - mit fachlicher Unterstützung des Denkmalschutzamtes."

Ein fünfköpfiger Vorstand leitet die Mieterselbstverwaltung (MSV)

Wenn Nieke Erbsleben vom Leben im Schröderstift erzählt, dann beginnen ihre Augen zu leuchten. Es sei schön, so eng mit so vielen verschiedenen Menschen auf einem Gelände zu leben und gemeinsam wichtige Entscheidungen zu treffen. "2011 stand zum Beispiel eine Dachsanierung an, die wie alle Maßnahmen vom fünfköpfigen Vorstand der Mieterselbstverwaltung (MSV) genehmigt werden musste. Der Vorstand wird jährlich von allen Bewohnern gewählt.".

Das selbst verwaltete Hamburger Wohnprojekt wurde 1981 gegründet. Im selben Jahr schloss die MSV Schröderstift mit der Stadt einen bis 2016 gültigen Leihvertrag ab. Dieser gibt dem eingetragenen Verein unter anderem das Recht, das Stiftsgebäude, das ursprünglich eigentlich abgerissen werden sollte, eigenständig zu renovieren und zu verwalten. Für die Grundsanierung gab es eine einmalige öffentliche Förderung in Höhe von mehr als einer Million Mark. "Wenn es darum geht, das Stift in Schuss zu halten, dann packen eigentlich alle so gut es geht mit an. Das gilt auch für die Organisation unserer regelmäßig stattfindenden Kinder- und Mieterfeste oder gemeinsame Gartenaktionen", sagt der Tischler und Architekt Michael Stascheit, der seit nunmehr acht Jahren ein Stiftler ist.

+++Schröderstift: Das Dorf mitten in der Stadt+++

In das Stift kam er als Wandergeselle des Schachts "Axt und Kelle", um bei einem Dachgeschossausbau zu helfen. Er verliebte sich - und blieb. Für ihn ist das Schröderstift nicht nur ein unverwechselbarer Ort mit einer hohen Lebensqualität, sondern auch eine architektonische Perle. "Die Häuser und vor allem die Kuppel der Kirche sind wahnsinnig schön gebaut. Und man trifft in allen Ecken auf Geschichte", schwärmt der Wahlhamburger.

Apropos Kinder: "Die gab es hier früher mehr", sagt Nieke Erbsleben. Und überhaupt sei das Leben im Schröderstift insgesamt ruhiger geworden: In den 80er- und teilweise auch in den 90er-Jahren habe man mehr zusammen gefeiert, diskutiert und gearbeitet. "Das liegt wahrscheinlich daran, dass wir jetzt alle einsichtiger geworden sind", lacht die Stiftlerin. Wegzuziehen kommt für sie und Michael Stascheit nicht infrage. Dabei könnte der grüne Teil der Idylle bald Geschichte sein. Denn die Stadt plant eine Erweiterung des Geomatikums und will dafür wahrscheinlich einen Teil des urigen Parks hinter dem Schröderstift nutzen. Falls dies geschieht, müsste der Abenteuerspielplatz der Kinder mit Schaukel, Baumhaus und Feuerstelle weichen. "Das darf nicht passieren", sagen Nieke Erbsleben und Michael Stascheit. Die beiden sind sich einig: Dieses Denkmal im Herzen der Stadt und das letzte Grün müssen erhalten bleiben.