Die Brennstoffzelle für Autos wird kommen. Aber das dauert noch einige Jahrzehnte. Denn derzeit ist die Technik zu teuer und zu energieaufwendig.

Das Zeitalter der fossilen Kraftstoffe wie Kohle, Öl und Gas geht zu Ende, alternative Treibstoffe müssen in einigen Jahrzehnten massenhaft verfügbar sein, wenn wir unsere Mobilität behalten wollen. Wasserstoff gilt vielen Experten als Öko-Sprit der Zukunft. Doch kann er die hohen Erwartungen erfüllen? Darüber diskutierten Experten und Publikum auf dem 41. Umwelt-Forum des Hamburger Abendblatts.

Erste Wasserstoff-Autos 2015 - ist das realistisch? Die Brennstoffzellen-Technologie hat in den vergangenen Jahren extreme Fortschritte gemacht. Die neuesten Autos haben Reichweiten von mehreren Hundert Kilometern, können bei minus 20 Grad starten. Allerdings müssen die Rahmenbedingungen stimmen. Es muss genug Leute geben, die so ein Auto fahren wollen, die Behörden müssen die Fahrzeuge genehmigen, wir müssen überall tanken können. Dies sind größere Hürden als die Technologie der Fahrzeuge.

Prof. Werner Tillmetz, Nationale Organisation Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie (NOW)

Sind Wasserstoff-Autos nur ein Feigenblatt der Autoindustrie? Nicht der Brennstoff ist das Problem, sondern die Autos selbst, vor allem ihr Gewicht. Man könnte sie seit zehn, 15 Jahren so konstruieren, dass sie nur ein Drittel des Kraftstoffs verbrauchen, ohne Komforteinbuße. Aber das passiert nicht. Wasserstoff wird in Zukunft eine Rolle spielen. Und die wird umso größer, je geringer der Gesamtbedarf ist. Heute wäre der Wasserstoff-Bedarf so groß, dass wir bei 100-prozentiger Versorgung das Eineinhalbfache des deutschen Strombedarfs zusätzlich installieren müssen, um die nötige Wasserstoffmenge per Elektrolyse herstellen zu können. Definitionsgemäß sollen regenerativ erzeugte Energien eingesetzt werden, in Deutschland hauptsächlich Windstrom.

Wolfgang Lohbeck, Greenpeace

Solarstrom aus der Sahara Es gibt eigentlich nur zwei regenerative Energiequellen mit großen Potenzialen: die Wind- und die Sonnenenergie. Wir sollten die Solarenergie wo immer möglich nutzen.

Prof. Rüdiger Bormann, GKSS Geesthacht und TU Harburg

Um ein Kilogramm Wasserstoff herzustellen, ist die neun- bis zehnfache Wassermenge nötig. Das Wasser gibt es in der Wüste nicht.

Wolfgang Lohbeck

Wie hoch sind die Wirkungsgrade? Die Wasserstoff-Wirtschaft ist eine Verlustkaskade. Wenn Sie Wasserstoff mit Strom erzeugen und über die Brennstoffzelle wieder Strom produzieren, sind von den 100 Kilowattstunden, die Sie einsetzen, etwa 70 bis 75 Prozent verloren. Sie können sich den Umweg über Wasserstoff sparen. Der Umstieg auf Elektroautos mit Strom aus der Steckdose wäre viel schneller zu schaffen und ist mit weniger Verlusten verbunden.

Wolfgang Lohbeck

Das Elektroauto ist eine Alternative für Strecken bis 100 Kilometer. Bei langen Strecken sind batteriebetriebene Autos nicht sinnvoll, weil die Batterien zu schwer und zu teuer sein werden. Der Wasserstoff verschwendet eine gewisse Menge Energie, aber wir haben keine bessere.

Prof. Rüdiger Bormann

Man kann Wasserstoff auch direkt aus Solarenergie gewinnen, ohne Umweg über den Strom. Dazu werden spezielle Algen eingesetzt, die Wasserstoff produzieren.

Prof. Wolfgang Winkler, Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg

Eine Pkw-Brennstoffzelle kostet 50 000 Euro. Geht es preiswerter? Es gibt zwei wesentliche Ansätze: die Produktionszahlen und die Art der Herstellung. Derzeit ist das Gewicht pro Kilowatt Leistung noch zehnmal so hoch wie ein konventioneller Motor, die Kosten sind fünf- bis sechsmal so hoch. Wir müssen das Volumen für die chemischen Austauschflächen reduzieren. Dabei hilft uns die Mikroverfahrenstechnik. Sie wird das Volumen auf ein Zehntel verkleinern. Heutige Verfahren sind noch nicht für die Massenfertigung geeignet.

Prof. Wolfgang Winkler

Wie teuer werden die Autos? Wenn ein Wasserstoff-Fahrzeug in der Stückzahl wie heutige Autos produziert wird, 100 000, 200 000 oder 300 000 pro Jahr, wird es plus minus 20 Prozent das Gleiche kosten wie heutige Autos.

Prof. Werner Tillmetz

Die zukünftige Mobilität werden Autos wie Tata Nano in China oder Indien tragen, Preis: 2000 bis 3000 Euro. In diesen Ländern haben teure Brennstoffzellen keine Chance.

Wolfgang Lohbeck

Die chinesische Regierung plant, dass es 2020 in China 120 Millionen Fahrzeuge gibt. Davon sollen 20 Millionen mit Wasserstoff fahren, leider aus Kohle hergestellt. Diese Fahrzeuge werden Brennstoffzellen haben. Die Chinesen entwickeln kostengünstige Versionen. Wenn die Brennstoffzelle nicht aus Deutschland kommt, kommt sie nach Deutschland.

Prof. Johannes Töpler (Publikum), Deutscher Wasserstoffverband

Wie speichert man Wasserstoff? Wasserstoff kann man als Gas komprimieren und mit 300 bis 400 bar in Druckgastanks lagern. Das Komprimieren kostet etwa 15, 20 Prozent der Gesamtenergie. Zudem birgt der hohe Druck ein gewisses Sicherheitsrisiko. Die Industrie entwickelt Materialien, die Belastungen der Tanks, etwa bei einem Unfall, standhalten sollen. Man kann Wasserstoff auch verflüssigen. Nachteil: Der Siedepunkt liegt bei minus 250 Grad. Dazu wird teure Technik benötigt. BMW-Untersuchungen zeigten, dass bei einem halb vollen Tank täglich neun Prozent des Wasserstoffs verdampfen. Drittens können Sie in Feststoffspeichern Wasserstoff chemisch binden. Die metallischen Speicher nehmen den Wasserstoff wie ein Schwamm auf und geben ihn ab, wenn sie erwärmt werden. Sie sind sehr crashsicher, wiegen derzeit aber 300 bis 400 Kilo.

Prof. Rüdiger Bormann

Wie gut sind die Batterien? Modernste Lithium-Ionen-Batterien können 200 Wattstunden Energie pro Kilo Gewicht speichern, Druckwasserstoffspeicher 500 bis 600 Wattstunden. Das erhöht die Reichweite um Faktor zwei bis drei.

Prof. Werner Tillmetz

Auch für Lkw, Schiffe, Flugzeuge? M it Pkw wird am meisten verdient, da kann man am meisten forschen. Bei Nutzfahrzeugen im Überlandverkehr laufen die Motoren im Dauerbetrieb im Optimum, die Energieverluste sind vergleichsweise gering. Hier macht es Sinn, Biodiesel einzusetzen. Bei der Freizeitschifffahrt, die kurze Strecken zurücklegt, ist der Wasserstoffantrieb super. Bei großen Schiffen wird es schwierig, die benötigte Energie zu speichern, die Wirkungsgrade hinzubekommen. Aber den Bordstrom können Brennstoffzellen liefern. Das gilt auch für Flugzeuge.

Prof. Werner Tillmetz

Es gibt sowohl bei Schiffen als auch bei Flugzeugen Projekte, die Brennstoffzellen auch als Antrieb nutzen.

Prof. Wolfgang Winkler

Langfristig werden Schiffe und Lkw mit Wasserstoff fahren. Den Biodiesel würde ich fürs Flugzeug reservieren. Dort spielt Gewicht eine zentrale Rolle, und Wasserstofftechnik ist mit Gewicht verbunden. Grundsätzlich wird die Energie erheblich teurer. Das wird Mobilität massiv einschränken.

Prof. Rüdiger Bormann


Zusammenfassung: Angelika Hillmer