Die Signale werden von Bojen oder Unterwassermikrofonen aufgefangen: Forscher werten erste Daten aus.

Seit 1996 gilt der Ostsee-Stör als ausgestorben, jetzt geht er den Fischern im Stettiner Haff und rund Rügen wieder ins Netz. Doch der kostbare Fang wird nicht filetiert, sondern den Forschern des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei in Berlin (IGB) gemeldet. Sie arbeiten für das deutsch-polnische Projekt zur Wiederansiedlung des Störs in der Oder. Bislang wurden 8500 einjährige Jungtiere ausgesetzt, um der 250 Millionen Jahre alten Art eine neue Zukunft zu geben. Die Ostsee-Störe sollen nur der Anfang sein. Anfang September wollen die Fischereibiologen die ersten Nordsee-Störe in der Elbe aussetzen, um zu schauen, ob sie sich ähnlich gut entwickeln wie die baltische Verwandtschaft.

Trotz der geografischen Nähe gehören die Störe zu unterschiedlichen Arten. Die Tiere der Oder sind Amerikanische Atlantische Störe (Acipenser oxyrinchus), die in ausreichender Zahl vor der ostkanadischen Küste leben und einstmals auch in der Ostsee heimisch waren. Dagegen gehören die Elbe-Störe zur europäischen Art Acipenser sturio. Sie überlebte in der Wildnis nur am südfranzösischen Fluss Gironde und ist auch dort vom Aussterben bedroht.

Seit etwa einem Jahrzehnt arbeiten deutsche, französische und polnische Biologen an den beiden Rettungsprojekten für die heimischen Störe. Im vergangenen Jahr begannen die ersten großen Besatzmaßnahmen: "Insgesamt setzten wir und unsere polnischen Kollegen etwa 7500 Jungstöre in der Oder und im polnischen Nebenfluss Warthe aus", erzählt Projektleiter Jörn Geßner vom IGB. 1200 dieser Tiere waren bereits 30 Zentimeter groß und trugen an ihrer Flosse Rückenmarken, einigen wenigen Fischen wurde zudem ein Ultraschallsender in die Bauchhöhle implantiert.

Die Signale der Sender werden von Bojen oder von Schiffen aus mithilfe von Unterwassermikrofonen aufgefangen. "Unsere Fische sind, wie erwartet, flussabwärts ins Stettiner Haff gewandert", sagt Projektleiter Jörn Geßner. Aber sie verhielten sich dabei sehr unterschiedlich. Während manche Störe in wenigen Tagen mehr als 100 Kilometer zurücklegten, blieben andere zunächst in der Nähe des Ortes, an dem sie ausgesetzt wurden. Weitere Daten liefern Ostseefischer, die den Biologen markierte Störe melden, die sie aus ihren Netzen gepult und wieder ausgesetzt haben. Pro Fisch kassieren sie dafür zehn Euro, 1200 Meldungen waren es im vergangenen Jahr. Geßner: "Von etwa 50 Prozent der ausgesetzten Tiere erhielten wir Rückmeldungen, manche ließen sich sogar bis zu dreimal fangen." Sein bisheriges Fazit: "Die Störe kommen in ihrem Lebensraum gut zurecht, einige legten phänomenal zu: Innerhalb von drei Monaten verdoppelten sie ihre Länge; ein Tier verdreifachte sein Gewicht."

Die Oderstöre sind allesamt Importe aus Kanada. Als Larven kommen sie nach Deutschland, werden dann in einer Zuchtstation in Born auf der Ostsee-Halbinsel Darß einige Monate aufgezogen und ausgesetzt. Zwar leben in Born inzwischen erste geschlechtsreife Tiere, aber bislang hat noch kein Weibchen ausgereifte Eier getragen, sodass es mit der Vermehrung noch nicht klappte. Und bis die ausgesetzten Tiere in der Ostsee laichreif werden, wird es mindestens noch zehn Jahre dauern, schätzt Dr. Henning von Nordheim vom Bundesamt für Naturschutz (BfN).

Für den zweiten großen Meilenstein zum Comeback der Störe wird der Europäische oder Nordsee-Stör gebraucht. Auch hier hat die Vermehrung in Deutschland noch nicht geklappt, aber die Berliner Fischereibiologen profitieren von ersten Zuchterfolgen der französischen Kollegen an der Gironde, die 2007 und in diesem Jahr Fischnachwuchs bekamen. Sie setzten im Vorjahr fast 7000 Tiere aus und behielten 800 für die eigene Zucht zurück. "Wir haben von ihnen 500 Jungstöre erhalten und in diesem Jahr weitere 1000 Tiere beantragt", sagt Geßner.

Die ersten Europäischen Störe sollen von der kommenden Woche wieder in der Elbe schwimmen, als Lebensraumtester für einen möglichen späteren Besatz. Es wird nur eine Handvoll sein, und die Fische werden nach und nach dem Fluss übergeben. "Jedes Tier trägt einen Sender. Wir werden jeden einzelnen Stör mit dem Boot verfolgen, um zu sehen, wie er sich in seinem neuen Lebensraum verhält", sagt von Nordheim. Das Geesthachter Wehr werde zur Nagelprobe: "Wir rechnen damit, dass die Tiere darüber hinwegschwappen werden. Aber vielleicht ziehen sie auch vor dem Sog ihre Kreise und trauen sich nicht hinunter." Derzeit beginne ein weiteres BfN-Forschungsprojekt, das alle Flusssysteme Norddeutschlands, also auch Weser, Ems und Rhein samt Nebenflüssen, daraufhin untersucht, ob sie sich als Störlebensräume eignen, so von Nordheim. Die Erfahrungen an der Oder stimmen optimistisch. Allerdings fürchtet Projektleiter Geßner unkalkulierbaren Schwund: "Noch ist unklar, wie viele der streng geschützten Tiere in der Fischerei hängen bleiben."