Der Keim Staphylococcus aureus verursacht weltweit die meisten Infektionen in Krankenhäusern. Etwa 75 000 Menschen infizieren sich jährlich in...

Der Keim Staphylococcus aureus verursacht weltweit die meisten Infektionen in Krankenhäusern. Etwa 75 000 Menschen infizieren sich jährlich in deutschen Kliniken mit Staphylococcus aureus, so Petra Gastmeier von der Berliner Charite. MRSA verursachen etwa 16 000 dieser Infektionen. Durch die resistenten Keime sterben der Hygiene-Fachärztin zufolge jährlich bis zu 500 Patienten. Dagegen geht ihr Kollege Alexander Friedrich vom Universitätsklinikum Münster von 500 bis 1500 MRSA-bedingten Todesfällen aus. Beide Angaben beruhen auf Schätzungen, denn eine Meldepflicht für MRSA gibt es in Deutschland nicht.

Dabei steigt der Anteil jener Bakterien, die gegen Antibiotika resistent sind. Gleichzeitig staunen Forscher, wie schnell sich die Mikroorganismen ihrer Umgebung anpassen. Wolfgang Witte verfolgt die Entwicklung der Bakterien seit 35 Jahren. "Es gibt eine besondere Dynamik", sagt der Leiter des Nationalen Referenzzentrums für Staphylokokken am Robert-Koch-Institut. "Das ist miterlebte Evolution."

Ihr erstaunliches Anpassungsvermögen demonstrierten die Keime schon Anfang der 1960er-Jahre. Sechs Monate nach Einführung des Antibiotikums Methicillin entdeckten Forscher in südenglischen Kliniken die ersten Staphylokokken, denen das neue Mittel nichts mehr anhaben konnte. Der für diese Widerstandsfähigkeit verantwortliche Mechanismus beunruhigt Mediziner bis heute, denn der sogenannte Methicillin-resistente Staphylococcus aureus (MRSA) ist gegen viele gängige Antibiotika immun. Dass das Kürzel "MR" oft salopp mit "multiresistent" gleichgesetzt wird, mag sprachlich nicht korrekt sein, trifft aber den Kern des Problems.

Staphylococcus aureus ist weit verbreitet: Die Bakterien besiedeln 30 Prozent der Bundesbürger, meist in der Nase. Während resistente Stämme in der normalen Bevölkerung nur selten auftreten, hat sich ihr Vorkommen in Krankenhäusern in den 1990er-Jahren laut Witte verzehnfacht. Waren 1990 nur zwei Prozent der in Kliniken gefundenen Aureus-Staphylokokken Methicillin-resistent, so stieg ihr Anteil bis 2001 auf 20 Prozent. Gegenwärtig verharre der Wert bei etwa 21 Prozent, sagt der Mikrobiologe. Allerdings schwankt der Anteil zwischen den Kliniken und sogar von Station zu Station beträchtlich. Auf Intensivstationen liegt er bei etwa 36 Prozent.

Dass gerade Krankenhäuser das Hauptreservoir der resistenten Keime bilden, führt Axel Kramer vom Universitätsklinikum Greifswald auf einen "Antibiotika-Missbrauch" zurück: "Wenn wir weniger Antibiotika verschreiben würden, hätten wir auch weniger MRSA", betont der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene (DGKH). Die gerade in Kliniken viel verordneten Mittel fördern die widerstandsfähigen Erreger durch klassische Selektion: Sie töten sensible Bakterien, während resistente Keime überleben.

Weil in Krankenhäusern viele Menschen auf engem Raum leben, breiten sich die Mikroorganismen schnell aus. Ein mit MRSA besiedelter Patient hinterlässt die Keime im Bad, an Lichtschaltern, Türklinken oder auf dem Boden. Hauptüberträger sind allerdings Ärzte und Pflegepersonal. Sie haben im Alltag oft nicht die Zeit, sich vor jedem Kontakt 30 Sekunden Hände oder Stethoskop zu desinfizieren. "Die Ausbreitung von MRSA in Krankenhäusern ist auch ein Zeichen verbesserungsbedürftiger Hygiene", sagt Witte. Bleiben die Bakterien auf der Haut, sind sie meist harmlos. Gelangen sie aber in den Körper, etwa durch einen Beatmungsschlauch, können sie Wundinfektionen, Lungenentzündungen oder Blutvergiftungen verursachen.

Melden müssen Kliniken den Keim nur bei gehäuftem Auftreten. "Wir brauchen eine Meldepflicht für MRSA", sagt Kramer. Handlungsbedarf sieht auch das Bundesgesundheitsministerium. "Wir wollen eine MRSA-Meldepflicht auch für Einzelfälle", sagt der Parlamentarische Staatssekretär Rolf Schwanitz. Der Entwurf für eine Verordnung soll noch in diesem Jahr kommen.