Transplantation: Vor 20 Jahren wurde das erste Herz in Hamburg verpflanzt. Welche Erfolge liegen heute vor uns? Die Pioniere von damals wagen einen Ausblick.

Das Herz des Menschen: eine faustgroße Pumpe, die 100 000-mal am Tag schlägt. Dabei presst es je eine Blutmenge, die in eine Tasse passt, durch die Blutbahnen, versorgt den Körper mit lebenswichtigem Sauerstoff. Das Leben eines jeden Menschen hängt am Herzen, so wie das von Lisa Trapp, die heute vor 20 Jahren als erste Patientin in Hamburg das Herz eines fremden Menschen eingepflanzt bekam und so überlebte. Prof. Dr. Niels Bleese (63) war damals der verantwortliche Operateur in dem 20-köpfigen UKE-Team. Heute blickt der Chef-Herzchirurg des Albertinen-Krankenhauses (Schnelsen) auf dieses Ereignis zurück und fragt, was die Herzmedizin der Zukunft noch alles möglich macht.

Damals hatte der junge Mediziner zuvor "im besten Zentrum der Welt im amerikanischen Stanford" bei den erfahrensten Transplanteuren gelernt wie Prof. Noman Shumway. Der Eingriff, der heute 500-mal im Jahr in deutschen Herzzentren vorgenommen wird, war damals Pionierarbeit.

So war im Einzelnen unbekannt, wie der Körper auf das fremde Organ reagieren und wie stark die Abstoßungsreaktion ausfallen würde. Prof. Dr. Wilfried Rödiger (66), damals der verantwortliche Kardiologe: "Wir haben die Patientin zwei Monate völlig von der Außenwelt isoliert." Zu groß sei die Befürchtung gewesen, dass für gesunde Menschen harmlose Keime das Leben der Frischoperierten gefährden.

Lisa Trapp, die Patientin, erhielt vor 20 Jahren ein neues Medikament aus Amerika mit dem Wirkstoff Cycloasporin A. Es sollte verhindern, dass der Körper das fremde Organ abstößt. Der gefährliche Nebeneffekt: Die natürlichen Abwehrkräfte waren größtenteils lahm gelegt. Heute sind die Abstoßungsreaktionen genauer bekannt. Deshalb können die auch heute noch nötigen Medikamente nach Transplantationen besser dosiert werden.

Dass ein Mensch mit einem fremden Herzen 20 Jahre überlebt, ist für Bleese auch heute noch "ein kleines medizinisches Wunder". Dass dies möglich wurde, sei auch ein Erfolg der Kollegen in der Kardiomyopathie-Ambulanz des UKE gewesen, die eine "sehr gute medizinische Nachbehandlung garantiert haben", so Bleese.

Denn selbst bei Schnupfensymptomen muss bei Transplantierten schnell und sicher geklärt werden: Ist das eine harmlose Erkältung oder bahnt sich eine lebensgefährliche Abstoßungsreaktion an? Das können nur Fachleute, die ein Speziallabor zur Verfügung haben, erkennen und Gegenmaßnahmen treffen.

Seit der ersten Herz-Transplantation in Hamburg hat die Herzchirurgie bedeutende Fortschritte gemacht. Bypass-Operationen gehören heute zur Routine. Rund 1000 Menschen werden allein im Albertinen-Krankenhaus jedes Jahr am Herzen operiert. Bleese: "Wir wagen uns an Patienten heran, die früher als inoperabel galten." Mitral- oder Aortenklappen werden wieder hergestellt oder ersetzt, angeborene Herzfehler behoben.

Wohin steuert die Herzchirurgie? Bleese ist überzeugt, dass immer mehr Herz-OPs in Zukunft ohne den Einsatz der Herz-Lungen-Maschine vorgenommen werden - das heißt, am schlagenden Herzen, "und damit besonders schonend für den Patienten". Im Albertinen-Krankenhaus sind das 20 Prozent der Herz-OPs, bundesweit erst sechs Prozent. Im Albertinen wurde eine Spezialplattform entwickelt, die den Teil des Herzens ruhig stellt, in dem der Chirurg seine Feinarbeit leistet. "Auch das Kunstherz wird kommen", meint Bleese, allein schon wegen des industriellen Interesses, das dahinter stehe. Die Zahl der Herz-Transplantation müsste jedoch nicht zwangsläufig steigen, meint Rödiger. Rückblickend auf 20 Jahre meint er, dass man nur fünf Prozent der Patienten, die andere Ärzte mit dem Hinweis auf eine Transplantation ins UKE überwiesen hätten, wirklich auf die Liste für ein neues Herz gesetzt habe. "Allen anderen konnte man durch andere Operationen oder mit Medikamenten besser helfen."

Was wird die Zukunft noch bringen? Bleese prophezeit eine stärkere Verschmelzung der Disziplinen Herzchirurgie und Kardiologie hin zu "Spezialisten für die Intervention am Herzen". So steigt das Einsatzgebiet der Katheter, der beweglichen Drähte, die über die Gefäße bis zum Herzen vordringen. Damit können zum Beispiel Herzrhythmusstörungen beseitigt werden, indem mit Hochfrequenzstrom die für die Störung verantwortlichen Gefäßstellen verödet werden. So genannte Stents - Stützen, die verengte Gefäße erweitern - gibt es heute mit einer Spezialbeschichtung mit Stoffen, die ihre Wirkung verbessern.

Weitere Erfolge sieht Rödiger "in den nächsten zehn Jahren durch die Stammzelltherapie". Eine der Möglichkeiten: mit körpereigenen Zellen defekte Herzgefäße wieder herstellen. Vielleicht ein neuer Weg zu weiteren kleinen medizinischen Wundern.