Dauert das Leiden länger als ein halbes Jahr, müssen die Eltern einschreiten. Ein Experte gibt Rat.

Du gehörst nicht zu uns, mit dir wollen wir nichts zu tun haben." Kaum etwas ist für Kinder schmerzlicher, als abgelehnt, ausgegrenzt, gehänselt zu werden - von anderen Kindern, die sie doch so gerne als Freunde hätten. "Das erleben zehn Prozent aller Kinder, 50 Prozent aus derselben Klasse, zu 50 Prozent von Kindern aus einer anderen Klasse, 25 Prozent von diesen zehn Prozent erleben das länger als ein halbes Jahr. Immer wenn ein Kind auf Dauer ausgegrenzt oder gehänselt wird, sprechen wir von Mobbing", sagt Prof. Michael Schulte-Markwort, Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendpsychosomatik am Uniklinikum Eppendorf (UKE).

Auch wenn nicht jede Hänselei Mobbing ist, überflüssig ist sie auf jeden Fall. "Wenn ein Kind die Schwächen eines anderen benutzt, um es damit zu ärgern, nicht um es darauf hinzuweisen, muss ein Erwachsener reagieren und klarmachen, dass man so nicht miteinander umgeht", sagt Schulte-Markwort.

Hänseleien sind nicht ungewöhnlich. Es hat sie auch schon gegeben, bevor der Begriff Mobbing aufkam. Es sind Gruppenphänomene, die überall vorkommen, auch unter Erwachsenen. "In jeder Gruppe gibt es Gesetzmäßigkeiten, wie die Positionen verteilt sind: Es gibt immer einen Alpha-Menschen, der die Führung übernimmt, und eine Omega-Position. Sie hat derjenige, der potenziell zum Außenseiter wird. Das sind häufig Menschen, die nicht gut Anschluss finden, zurückhaltender sind, schüchterner, vielleicht Vorbehalte gegenüber der Gruppe haben", sagt Schulte-Markwort. Das gibt es auch in Großgruppen, in einer Klasse kann jemand Außenseiter sein, was in dem Moment vergessen ist, wenn die Klasse auf eine andere trifft. "Dann ist die andere Klasse der ,Feind', jede Gruppe braucht ,Feinde' zur Stabilisierung der eigenen Gruppe."

Wie es um die sozialen Beziehungen in seiner Klasse bestellt ist, kann jeder Lehrer einfach feststellen, zum Beispiel indem er die Kinder frei wählen lässt, mit wem sie zusammensitzen wollen, mit der Frage, mit wem man am liebsten Hausaufgaben macht oder seine Freizeit verbringt, oder bei der Mannschaftswahl beim Sport. "Lehrer sollten sich immer eine Soziometrie erstellen von ihrer Klasse, damit sie einschätzen können, wer zu den Außenseitern gehört. Ihre Aufgabe ist es dann, dafür zu sorgen, dass sie nicht aus der Gruppe fallen und nicht gemobbt werden", sagt der Kinderpsychiater. Darauf sollten Lehrer nicht nur in ihrer Klasse, sondern auch auf dem Schulhof achten.

Mobbing kann sehr unterschiedliche Formen annehmen: von Ausgrenzungen über Hänseln bis zu Quälereien. Das kann so weit gehen, dass Kindern aufgelauert wird, dass sie geschlagen oder erpresst werden. "Das ist gefährlich, weil die Mobbingopfer dadurch so beschämt sind, dass sie immer weiter Schweigegeld bezahlen und niemandem etwas davon erzählen", sagt Schulte-Markwort.

Deswegen erfahren Eltern lange oft nichts. Aber sie merken, dass ihr Kind unglücklich ist, abends nicht einschläft, immer nervöser wird oder in der Schule schlechte Leistungen bringt. Möglicherweise braucht es plötzlich immer mehr Taschengeld oder entwendet sogar heimlich Geld aus dem Portemonnaie der Eltern.

Wenn Eltern meinen, ihr Kind werde gemobbt, sollten sie es darauf ansprechen. Bestätigt sich der Verdacht, sollten sie sofort dafür sorgen, dass dem ein Ende gesetzt wird. "Ich erlebe oft, dass Eltern sich nicht trauen, fremde Kinder anzusprechen. Aber das wäre das Erste, auf jene, die mobben, zuzugehen und ihnen das zu verbieten", sagt der Kinderpsychiater. Als Nächstes sollten Eltern sich an die Lehrer und vielleicht an die Eltern wenden und versuchen, das unter Erwachsenen zu klären. Das heißt nicht, sich gegenseitig Vorwürfe zu machen, sondern sich bemühen, Hänseleien zu verhindern. "Sehr wirksam ist es, wenn Eltern, Lehrer und Kinder gemeinsam eine Konferenz abhalten und alle Erwachsenen im Schulterschluss den Kindern mitteilen, was sie ab sofort erwarten. Ist es bei dem Mobbing auch zu Straftaten wie Raub oder Erpressung gekommen, sollten Eltern sich nicht scheuen, die Täter anzuzeigen. Es kann für aggressive Mobbingtäter lehrreich sein, wenn sie vom Jugendbeauftragten der Polizei zum Gespräch gebeten werden." Damit es nicht so weit kommt, sollten Lehrer für ein Klassenklima sorgen, in dem Konflikte angesprochen und gemeinsam gelöst werden. Wenn ein Kind immer wieder gehänselt wird, kann der Lehrer in die Offensive gehen dadurch, dass er das Problem benennt und für Unterstützung sorgt: "Peter wird immer wieder gehänselt, das soll sich ändern. Deswegen möchte ich, dass immer einer von euch sich eine Woche an Peters Seite stellt und ihm hilft."

Wenn zwei Klassen sich das Leben schwer machen, kann es hilfreich sein, wenn die Klassenlehrer sich zusammentun und versuchen, den Konflikt zu lösen, am einfachsten, wenn die Kinder gemeinsam Gruppenaufgaben lösen.

Manchmal brauchen Mobbingopfer die Unterstützung eines Psychotherapeuten: Dabei ist immer der erste Schritt, diesen Kindern Selbstwertgefühl zu vermitteln. "Denn wir erleben oft, dass solche Kinder schon mit Misserfolgserwartungen in Gruppensituation gehen", so Schulte-Markwort.