Biomasse: Wie Energie aus Pflanzen gewonnen wird. Bergedorfer Wissenschaftler und Lüneburger Entwickler wandeln Holz und (später) Stroh in hochwertige Energie um.

Es ist rötlich-braun, riecht nach Rauch und erinnert von der Konsistenz her an Ahornsirup: frisches Öl aus Holz. Das Lüneburger Unternehmen Pytec hat mit Partnern eine Anlage entworfen, die aus sechs Tonnen Holzhackschnitzel gut vier Tonnen Pyrolyseöl erzeugt. Es speist im ersten kommerziellen Pilotprojekt ein Blockheizkraftwerk, um Strom und Wärme für ein Sägewerk bei Cuxhaven zu produzieren. Es könnte aber auch fossiles Rohöl ersetzen und zu Kraftstoffen raffiniert werden. Das Projekt ist eine von mehreren erfolgsversprechenden Techniken, die heute im Mittelpunkt einer Fachtagung der TuTech Innovation und der Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) stehen.

Die Tagung und Hausmesse beschäftigen sich mit den Perspektiven von Biokraftstoffen. Ökologisch besonders interessant sind Verfahren, die entweder Erntereste wie Stroh oder aber den Holzüberschuß im deutschen Wald nutzen - "es wächst derzeit etwa 50 Prozent mehr Holz nach als entnommen wird", sagt Dr. Dietrich Meier vom Institut für Holzchemie der Bundesforschungsanstalt für Forst- und Holzwirtschaft in Bergedorf (BFH). Er schätzt, daß die Biomasse Holz das Potential hat, in Zukunft entweder zehn Prozent des deutschen Kraftstoff- oder zehn Prozent des Strombedarfs zu decken.

Die thermische Zersetzung von zusammengesetzten Stoffen unter Sauerstoffabschluß (Pyrolyse) ist eigentlich ein alter Hut. Wenn der Prozeß, wie beim Holzmeiler, besonders langsam läuft, liefert er je 35 Prozent Holzkohle und Gas sowie 30 Prozent Öl. Ist die Temperatur besonders hoch (800 bis 1300 Grad), entstehen (wie bei den Imbert-Holzvergasermotoren um 1920) zu 85 Prozent Gas. Erfolgt die Zersetzung rasant, in etwa einer Sekunde, verdampft das Holz blitzartig. Bei der anschließenden Kondensation des Dampfes entstehen zu 70 bis 75Prozent Öl, knapp 20 Prozent Gas und um die zehn Prozent Kohle. Dieses Verfahren, die Flash-Pyrolyse, nutzt Pytec.

"Es ist so, als würden Sie einen Eiswürfel auf die heiße Herdplatte legen - dabei wird nichts naß, sondern das Wasser verdampft sofort", erklärt Stefan Schöll, Geschäftsführer von Pytec. In seinen Anlagen, die er für Tagesdurchsätze von sechs, zwölf und 48 Tonnen Hackschnitzel-Trockenmasse plant, treffen die Holzspäne auf eine rotierende, 600 Grad heiße Scheibe und verdampfen sofort. Dann werden dem Dampf die Kohlepartikel entzogen, der Rest durchläuft einen Kondensator. "Das gewonnene Gas und die Kohle reichen aus, um das Holz vorzutrocknen und die Scheibe im Pyrolysator zu erhitzen", sagt Schöll. Die Anlage braucht also keine zusätzliche Energiezufuhr von außen.

Seit August 2005 läuft seine erste Pilotanlage, entwickelt von der Pytec und der BFH. Sie steht beim Sägewerk Hagenah in Bülkau im Kreis Cuxhaven. Schöll: "Wir verarbeiten täglich 15 Tonnen frische Holzhackschnitzel. Nach dem Trocknen bleiben sechs Tonnen übrig, aus denen wir dann gut vier Tonnen Öl gewinnen." Daraus ließen sich im angeschlossenen Blockheizkraftwerk (BHKW), einem umgebauten Dieselmotor, 7,2 Megawattstunden Strom sowie die im Betrieb benötigte Wärme erzeugen. Auch aus Stroh habe seine Laboranlage im HAW-Campus Bergedorf bereits Öl produziert, erzählt Schöll. "Aber mit ihm habe ich noch keinen Motor zum Laufen gebracht."

Die Stromproduktion aus Holz mit einer Kombination aus Flashpyrolyse und BHKW hat einen Wirkungsgrad von 20 bis 30 Prozent. Dieser liege um etwa zehn Prozentpunkte höher als bei anderen Verfahren, die Biomasse als Feststoff einsetzen, betont der Diplom-Holzwirt Meier.

Schöll und Meier registrieren derzeit einen Ansturm auf den Energieträger Holz - sowohl beim Einsatz im heimischen Kamin als auch bei der Entwicklung von High-Tech-Verfahren. "Ich könnte jede Woche fünf Anlagen verkaufen", sagt Schöll, "Es gibt viele Glücksritter, die glauben, mit der Holzpyrolyse schnelles Geld machen zu können." Seine kleineren Anlagen seien aber nur durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz wirtschaftlich, sagt der gebürtige Schwabe. Er sucht sich die Kundschaft genau aus, denn noch gilt es, in Kooperation mit dem Betreiber die Kinderkrankheiten der Technik zu erkennen und auszumerzen.

Nicht nur bei der Geschäftsentwicklung, auch bei den einzelnen Anlagen setzt Schöll auf das Motto "small is beautiful". Biomasse falle dezentral an und sollte vor Ort verarbeitet werden. Dies erspare Transportaufwand: "Es macht einen Unterschied, ob Sie 15 Tonnen frische Holzschnitzel durch das Land fahren oder vier Tonnen Pyrolyseöl."

Für den Fall, daß Raffinerien eines Tages Interesse an seinem hölzernen Rohöl zeigen sollten, hat der rührige Unternehmer schon die perfekte Logistik im Kopf: "Tankwagen, die Tankstellen beliefern, könnten auf ihrem Rückweg zur Raffinerie gleich an verschiedenen Stellen Pyrolyseöl einsammeln."

Informationen im Internet: www.pytecsite.de

Website des Umweltministeriums: www.erneuerbare-energien.de