Archäologen entdecken beim Tagebau in Profen südwestlich von Leipzig einen antiken Friedhof. Nach jahrelangen Untersuchungen steht jetzt fest: Im Grab aus der frühen römischen Kaiserzeit im freien Germanien lag eine Herrscherin.

Profen. "Ob ihnen die Götter aus Gnade oder im Zorn Silber und Gold versagt haben, vermag ich nicht zu entscheiden", schreibt Tacitus in seiner "Germania" über die Völker jenseits von Donau und Rhein. "Man kann beobachten, dass bei ihnen silberne Gefäße, die ihren Gesandten und Fürsten als Ehrengabe überreicht worden sind, nicht höher eingeschätzt werden als Gefäße aus Ton." Auch gebe es "kein Prunken in der Ausgestaltung der Leichenbegängnisse."

Zwei Jahrtausende später scheint der berühmteste Historiker der römischen Antike widerlegt: Der germanische Goldfund aus der Zeit um Christi Geburt, den Sachsen-Anhalts Landesarchäologe Harald Meller jetzt im Landesmuseum für Vorgeschichte in Halle präsentierte, umfasst den Schmuck einer Königin oder Fürstin. Die je zwei Gewandspangen, aufgebogene Armreife, Ringe und goldenen Ketten mit zapfenförmigen Anhängern bestehen aus zusammen 430 Gramm reinem Gold.

Mit dem "Goldschatz von Profen" wurden auf dem antiken Friedhof von Mai 2006 bis September 2007 insgesamt 600 Urnen aus Ton und Bronze im Block geborgen und in mühevoller Kleinarbeit im Labor des Museums freigelegt.

In den Gefäßen fanden sich Beigaben etwa aus Glasperlen, eiserne Schwerter, Lanzenspitzen, Messer und eine Schere aus Eisen. Die Entdeckung gelang auf einem Urnenfriedhof im Braunkohletagebau Profen im Burgenlandkreis um Naumburg/Saale. Die Gegenstände lagen zusammen mit den Überresten einer Frau in einer Urne aus Bronze, die zuvor als Weingefäß gedient hatte.

In der Urne fanden sich auch eine Bernsteinperle, Teile von Silbergefäßen sowie Reste von Bärenkrallen. "Die Leiche lag bei der Einäscherung vermutlich auf einem Bärenfell, so wie es nur bei germanischen Kriegern üblich war", sagt Meller. "Die Frau kam sehr wahrscheinlich aus der Herrscherfamilie eines germanischen Fürsten. Es ist das bisher reichste Frauengrab aus dem freien Germanien der frühen römischen Kaiserzeit."

Der spektakuläre Fund führt in eine Epoche, deren Helden jeder kennt und über die dennoch kaum jemand etwas weiß: die Jahre um Christi Geburt im freien Germanien, in denen das römische Imperium seine erste vernichtende Niederlage erlitt durch die von Arminius angeführten Cherusker und ihre Verbündeten in der Schlacht des Jahres 9 n. Chr. im Teutoburger Wald, die der deutsche Volksmund bis heute mit dem Spottlied "Als die Römer frech geworden..." besingt.

Es ist ein Ereignis von welthistorischem Rang.

Seit 15 v. Chr. versucht Augustus die Nordgrenze seines Reiches zu sichern: In diesem Jahr stoßen seine Stiefsöhne Tiberius und Drusus an die Donau vor, dann beginnt in vier Feldzügen der Vormarsch zur Elbe. In traditioneller Uneinigkeit schwanken Germaniens Stämme zwischen Widerstand und freiwilligem und damit ehrenvollen Anschluss an die überlegende Kultur und Zivilisation der prestigereichen Weltmacht.

Die elbgermanischen Hermunduren im heutigen Sachsen-Anhalt, Thüringen und Nordbayern sind, so Tacitus, "den Römern treu ergeben. Deshalb gewähren wir ihnen als einzigen Germanen Handelsrecht nicht nur am (rechten) Donauufer, sondern auch tief im Innern des Landes und sogar in der blühenden Hauptstadt der rätischen Provinz", also in den gerade erst eroberten südgermanischen Gebieten um Augusta Vindelicorum, aus dem später Augsburg wird.

"Überall dürfen sie ohne Wachen über die Grenze", schildert der Historiker die Handelsvorteile der Hermunduren, "und während wir den übrigen Stämmen nur unsere Waffen und Lager zeigen, haben wir ihnen, ohne dass sie es gewünscht hätten, unsere Häuser und Gutshöfe geöffnet." "Nicht gewünscht" haben die Hermunduren dieses Entgegenkommen höchstens aus Bescheidenheit, denn ihre Bewunderung für die römische Wirtschafts- und Lebensweise, vor allem aber die militärische Strategie und Technologie ist groß. Von Rom als Bündnispartner anerkannt zu sein verschafft den germanischen Fürsten Prestige und ihren Stämmen Frieden, freilich um den Preis, Tribute zahlen und junge Männer zu den Legionen schicken zu müssen.

In den Augen der Römer sind die Völker von der Elbe, wie der Wiener Historiker Herwig Wolfram in seinem Standardwerk "Das Reich und die Germanen" nach antiken Quellen schreibt, "groß und schön", aber "furchtbar schmutzig und den grässlichsten Toilettensitten ergeben", denn "sie verwenden Butter als Haarpomade, und zwar dann mit besonderer Vorliebe, wenn sie bereits ranzig riecht." Die Gefahr besteht nicht in ihrer Zahl, denn "in Wirklichkeit umfasst ein solches Volk erstaunlich wenig Menschen": 100 000 ist die Höchstgrenze, davon 15 000 bis 20 000 Krieger. Dennoch: "Das kalte Klima ihrer nördlichen Urheimat und deren lange Winternächte", so Wolfram, "fördern ihren ungestümen Drang, sich gewaltig zu vermehren. Wie der nächste Winter sicher kommt, so kommen auch die Barbaren mit der Regelmäßigkeit einer Jahreszeit. Ist einer dieser Heuschreckenschwärme abgewehrt oder gar vernichtet, taucht schon der nächste aus den Sümpfen und Wäldern Germaniens auf."

Das harte Leben stählt die Menschen, in den kleinen Dörfern droht keine städtische Verweichlichung, die Nahrung bleibt immer knapp, das Hüten der Rinderherden vor Raubtieren wie Bär und Wolf verlangt eine waffentüchtige Mannschaft, und miteinander liegen die germanischen Stämme ständig in Fehde. Für die Männer ist der Tod in der Schlacht ebenso Alltag wie für die Frauen die Verschleppung in die Sklaverei. Die Ehefrau des Arminius, Thusnelda, wird vom rachsüchtigen Vater als Schwangere an den römischen Feldherrn Germanicus ausgeliefert, der die Unglückliche mit dem inzwischen geborenen Thumelicus im Triumphzug durch Rom führt. Der Sohn nimmt sich später das Leben, statt zum Vergnügen der sensationslüsternen Römer als Gladiator zu kämpfen.

Vielleicht hat die Tote von Profen, deren Schatz in rund drei Jahren in einer Dauerausstellung des Museums gezeigt werden soll, die unglückliche Thusnelda gekannt. Vielleicht war ihre Familie mit ihrem römerfreundlichen Vater Segestes verbündet und hat sogar beim Mord an Arminius mitgewirkt, der zwölf Jahre nach seinem Sieg bei einem Gastmahl in die Falle gelockt und von den eigenen Verwandten erschlagen wird. Sicher ist nur, dass es den Römern auch später trotz aller Anstrengungen nie gelang, den Norden und Osten Germaniens ihrem Reich einzugliedern. Zur Zeit des Tacitus waren die Chancen dafür fast auf den Nullpunkt gesunken. "Im Gebiet der Hermunduren entspringt die Elbe, einst ein hochberühmter und wohlbekannter Fluss", klagt der Historiker, "jetzt kennt man ihn nur noch vom Hörensagen."


In Sachsen-Anhalt war zuletzt 1990 ein germanischer Goldschatz entdeckt worden. Er ist derzeit in Venedig zu sehen. Beide Goldschätze werden in drei Jahren in der Dauerausstellung zur römisch-germanischen Zeit im Landesmuseum Halle ausgestellt. Internet: www.archlsa.de