Berlin. Durchschnittsdeutscher isst 100 Gramm Saccharose pro Tag, WHO empfiehlt nur 25 Gramm. In vielen Lebensmitteln stecken Alternativen.

Knapp 36 Kilogramm weißen Zucker(Saccharose) konsumiert der Durchschnittsdeutsche pro Jahr, fast 100 Gramm pro Tag. Die Weltgesundheitsorganisation WHO empfiehlt, täglich nicht mehr als 25 Gramm, umgerechnet etwa 6 Teelöffel, zu verzehren. Diese Menge ist schon mit einem 0,3-Liter-Glas Apfelsaft oder einem 150-Gramm-Becher Fruchtjoghurt erreicht. Übergewicht ist ein allgegenwärtiges Problem, auch Krebs und Herz-Kreislauf-Krankheiten begünstigt der viele Zucker indirekt. Natürliche und künstliche Ersatzstoffe sollen die Lösung sein. Doch sind sie wirklich gesünder?

Zuckeraustauschstoffe

Jeder Deutsche schluckt sie täglich, mindestens morgens und abends: sogenannte Zuckeraustauschstoffe. Dabei handelt es sich um Zuckeralkohole, deren Grundstoff meist aus natürlichen Quellen gewonnen, anschließend aber stark chemisch bearbeitet wird. Weil sie die Zähne nicht schädigen, süßen sie zum Beispiel Zahnpasta.

Für die Lebensmittelindustrie sind die süßen Platzhalter eine praktische Erfindung. Um Saccharose zu verstoffwechseln, benötigt der Körper viel Insulin. Bei Zuckeralkoholen ist das anders, deshalb finden die Zuckeraustauschstoffe oft Verwendung in Lebensmitteln für Diabetiker, die kein oder kaum eigenes Insulin produzieren können. „Im Bereich der Süßwaren werden Zuckeraustauschstoffe insbesondere bei Kaugummi und Bonbons eingesetzt“, sagt Solveig Schneider, Sprecherin des Bundesverbandes der Deutschen Süßwarenindustrie (BDSI). Aber auch Marzipan gebe es in einer zuckerfreien Variante.

1995 bekam diese Produktgruppe mit der Neuauflage der Richtlinie für Zuckerwaren vom Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde einen eigenen Namen: „Zuckerfreie Zuckerwaren“. Auch in Diätprodukten sind die Stoffe beliebt. „Sie bringen 2,4 Kalorien pro Gramm auf die Waage. Damit sind sie zwar nur halb so schwer wie Zucker, aber sie sind auch nur etwa halb so süß“, sagt Schneider. Meist sind deswegen gleich mehrere und recht hohe Dosen der Stoffe enthalten.

Spätestens an dieser Stelle wird es problematisch, denn gesund sind die Zuckeralkohole nicht. Die Verbraucherzentrale Hamburg (VZHH) warnt, sie könnten allesamt „in bestimmten Fällen zu Problemen führen“. Ab etwa 50 Gramm pro Tag könnten sie stark abführend wirken. „Bei Einsatzmengen über zehn Prozent muss das auch auf der Verpackung stehen“, sagt Nicole Merbach, Lebensmittelexpertin bei der Stiftung Warentest. Sorbit könne schon ab 20 Gramm am Tag zu Magenkrämpfen führen, diese Menge stecke schon in 30 Gramm Diätmarmelade, so die VZHH. Ab 30 Gramm Isomalt – enthalten in einer halben Tafel Diätschokolade – könnten starke Blähungen entstehen. Lebensmittel mit Xylit, Lactit und Maltit sollten von Kindern gar nicht verzehrt werden, warnen die Verbraucherschützer. Eine Begrenzung für den Einsatz der Stoffe in Lebensmitteln gibt es nicht.

Süßstoffe

Bei Süßstoff denken viele zuerst an einen weißen Spender mit blauem Druckknopf, der oft auf Omas Kaffeetafel stand. Die Mischung aus den Stoffen Natriumcyclamat (E 952) und Saccharin-Natrium (E 954) ist hierzulande ein Klassiker. Neuer ist der Süßstoff Stevia. In Deutschland ist nicht die Stevia-Pflanze zugelassen, sondern ihre Süßstoffe, die Stevioglykoside. Mit grünen Blättchen wird der Süßer auf vielen Produktverpackungen als natürlich beworben. Wegen starker Nachbearbeitung handele es sich laut VZHH aber nicht mehr um einen natürlichen Stoff.

„Es reichen schon winzige Mengen, um Lebensmittel zu süßen. Da sie allerdings häufig bittere, metallische oder lakritzartige Noten haben, werden sie meist mit anderen Süßungsmitteln kombiniert“, so Nicole Merbach. Lightprodukte mit Süßstoffen seien daher nicht immer kalorienfrei, weil sie aus geschmacklichen Gründen nur einen Teil des Zuckers ersetzen. Aber auch wenn ein Lebensmittel tatsächlich nur Süßstoffe enthält, ist es nicht zwingend zum Abnehmen geeignet. So liefern etwa Aspartam und Thaumatin nach Angaben der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE), ähnlich wie Haushaltszucker, etwa vier Kilokalorien pro Gramm. Der Brennwert der übrigen Süßer liegt quasi bei null.

Dennoch sind Süßstoffe umstritten, die VZHH rät vom Verzehr größerer Mengen ab, knapp die Hälfte der Stoffe sei für Kinder nicht empfehlenswert. Immer wieder zeigten Studien, dass die Stoffe durch ihren süßen Geschmack den Appetit anregen sollen. Zwar sei „diese Hypothese in entsprechenden Experimenten nicht bestätigt worden“, schränkt die DGE ein. Doch in jedem Fall sei „weitere unabhängige Forschung erforderlich“, so VZHH.

Zubereitete Süßungsmittel

Einige Süßungsmittel lassen sich theoretisch auch in der eigenen Küche und ohne starke synthetische Eingriffe zubereiten. Viele Früchte, aber auch Gemüse- und Getreidearten enthalten Zucker, der sich durch Filtern, Erhitzen oder Einkochen extrahieren lässt. Dazu zählen zum Beispiel Dicksäfte aus Agave, Apfel oder Birne ebenso wie Rübenzucker, Ahorn- und Reissirup. Auch Kokosblütenzucker wird gewonnen, indem Blütensaft aus Palmen eingekocht wird, im Laden steht er meist in gemahlener Form. Auch Honig zählt zu dieser Gruppe der Süßungsmittel.

Besonders häufig kommen zubereitete Süßungsmittel in Biolebensmitteln zum Einsatz, da die Branche künstliche Zusatzstoffe ablehnt. Die Süße kommt in erster Linie durch den Fruchtzucker Fructose. „Schätzungsweise jeder dritte Erwachsene in Deutschland leidet unter Fructoseunverträglichkeit“, sagt Silke Restemeyer von der DGE. Sie bekommen schon bei geringen Mengen des Fruchtzuckers Beschwerden in Bauch und Darm. Große Mengen führen bei den meisten Menschen zu Magen-Darm-Problemen wie Durchfall oder Blähungen.

„Kalorien lassen sich mit Honig, Sirup und Dicksaft nicht sparen“, weiß Ernährungsexpertin Merbach. Sie liefern genauso viele Kalorien wie Saccharose. „Honig oder Dicksäfte sind Lebensmittel, die man nur gelegentlich und in Maßen essen sollte“, sagt Silke Restemeyer. „Wer abnehmen oder sich ausgewogener ernähren möchte, sollte zuckerreiche Lebensmittel insgesamt reduzieren.“