„Unerwünscht wie Rauchen.“ Deutsche zunehmend von Handy-Manie genervt. Hamburger Schule verbietet Telefone. Der Soziologe Matthias Horx spricht von einer „Kultur der Störung“, in der wir leben.

Hamburg. Hände weg vom Handy! Zukunftsforscher sind sich sicher, dass es im Umgang mit Smartphones zu großen Veränderungen kommen wird. Er erwarte insgesamt eine abnehmende Nutzung, sagte Professor Dr. Ulrich Reinhardt von der Hamburger BAT-Stiftung für Zukunftsfragen gegenüber dem Abendblatt: „Nicht nur aus Höflichkeit, sondern weil die Faszination nachlässt und ein Umdenken stattfindet. Gerade die junge Generation würde sich eigentlich lieber mit Freunden treffen, als nur mit ihnen zu skypen, zu simsen oder zu telefonieren.“ Der Soziologe Matthias Horx spricht von einer „Kultur der Störung“, in der wir leben und dadurch zunehmend abgelenkt, unkonzentriert, nervös und geradezu asozial werden. „In wenigen Jahren wird das Suchtverhalten mit den elektronischen Medien so sanktioniert sein wie das Rauchen. Man wird dann als ungebildet und charakterschwach gelten, wenn man auf sein Smartphone starrt“, so Horx. An vielen Orten werde dann die Nutzung elektronischer Geräte verboten sein.

Auch Ulrich Reinhardt glaubt, dass sich „die Ächtung“ ausweiten werde: In Kirche, Kino und Theater sei die Nutzung digitaler Medien heute schon verpönt, in Zügen seien die Ruhebereiche ohne Handynutzung die beliebtesten, und bei privaten Verabredungen werde das Handy in der Tasche gelassen. „Wer sich nicht an diese Vorgaben hält, erzeugt mehr als Missfallen“, so Reinhardt. Immer mehr Bundesbürger seien schon vom Piepsen des Handys genervt, vom Mithören der Gespräche ganz zu schweigen.

Eine zunehmende Empörung vieler Menschen über das geradezu suchtartige Verhalten einiger Handy-Nutzer beobachtet auch Etiketteberaterin Meike Slaby-Sandte. Sie empfiehlt ein Verbot an Orten, in denen viele Menschen aufeinandertreffen wie der Bahn oder dem Wartebereich in Flughäfen, nicht nur wegen der störenden Lautstärke, sondern weil durch die Geräte ein Teil unserer Kommunikationskultur verloren gehe: „Niemand muss überhaupt noch jemanden ansprechen, um zu kommunizieren.“ Denn jeder habe seinen Ansprechpartner dabei – das Telefon.

Gerade junge Menschen greifen in jeder freien Minute zum Smartphone und gehen online. Einige Hamburger Schulen haben bereits ein generelles Handy-Verbot eingeführt. Lars Holster, schulpolitischer Sprecher der SPD-Bürgerschaftsfraktion und Lehrer an der Stadtteilschule Süderelbe, sagt, dass es zunehmend Probleme durch auf YouTube gestellte Handy-Videos gegeben habe, außerdem seien viele Smartphones geklaut worden. Nun gibt es an der Stadtteilschule ein Verbot im Unterricht sowie in den Pausen. Lediglich die Oberstufe darf ihre Geräte in Freistunden im Aufenthaltsraum nutzen. Bei Verstößen wird das Telefon abgenommen, erst durch die Unterschrift der Eltern erhält man es zurück. Die Regelungen wurden gemeinsam von Lehrern, Eltern und Schülern entwickelt. Holster: „Die Schüler forderten selbst die härtesten Konsequenzen.“