Weltgesundheitsorganisation hält Einsatz für ethisch vertretbar. Frage der Verteilung der geringen Vorräte weiter offen.

Monrovia/Genf. Angesichts der grassierenden Ebola-Epidemie in Westafrika hält die Weltgesundheitsorganisation (WHO) den Einsatz experimenteller Wirkstoffe für vertretbar. Das gab die Organisation am Dienstag nach Konsultationen mit Medizinethikern bekannt. „Das Expertengremium hat Konsens darüber erzielt, dass es ethisch ist, unter den besonderen Umständen dieses Ausbruchs sowie unter Einhaltung bestimmter Bedingungen unerprobte Mittel mit bislang unbekannten Nebenwirkungen als potenzielle Therapie oder zur Vorbeugung anzubieten“, heißt es in einer WHO-Mitteilung.

In jedem Fall müssten ethische Vorgaben eingehalten werden. Dazu gehöre Transparenz bei allen Aspekten der Behandlung der Patienten ebenso wie deren auf seriösen Informationen beruhendes Einverständnis, die ärztliche Schweigepflicht gegenüber Dritten und die Respektierung der Würde der Patienten.

Im Kampf gegen Ebola bieten experimentelle Wirkstoffe mehrerer Pharmafirmen Anlass zur Hoffnung. Dass es mit keinem dieser Präparate bisher klinische Testreihen gab, „heißt nicht, dass sie nicht sicher wären“, sagte die Stellvertretende WHO-Generalsekretärin Marie-Paule Kieny am Dienstag in Genf. „Es heißt nur, dass wir davon nicht überzeugt sein können.“ Nun gelte es, eine Reihe einzelner Probleme zu lösen, sagte Kieny.

Dazu zählt sicherlich die Kernfrage, wer die nur in begrenzten Dosen vorhandenen, experimentellen Medikamente bekommen sollte. Kieny sagte, es stünde derzeit viel zu wenig von den Mitteln zur Verfügung. „Ich glaube nicht, dass es eine gerechte Verteilung geben kann, wenn etwas nur in solch kleinen Mengen verfügbar ist.“ So sei der Vorrat an ZMapp beinahe erschöpft. Firmen und Forschungseinrichtungen in mehreren Ländern arbeiteten bereits verstärkt an der Bereitstellung von Präparaten. Dabei gehe es um aus Blut gewonnene Antikörper, aber auch um potenzielle Impfstoffe.

Bereits vor der WHO-Entscheidung hatte der US-Sender CNN berichtet, dass Liberia als erstes afrikanisches Land das noch nicht zugelassene Präparat ZMapp einsetzen will. Mehrere Dosen des Medikaments sollten demnach noch in dieser Woche nach Liberia gebracht und für erkrankte Ärzte verwendet werden. ZMapp, ein zuvor nur an Affen getestetes Mittel, war auch bei zwei mit Ebola infizierten US-Amerikanern und bei einem Spanier eingesetzt worden. Die US-Helfer sollen auf dem Weg der Besserung sein, der in Spanien behandelte Patient starb dagegen am Dienstag in Madrid, wie aus Krankenhauskreisen verlautete. Der 75-jährige Geistliche Miguel Pajares hatte sich in Liberia infiziert und war als erster Ebola-Patient zur Behandlung nach Europa gebracht worden. Er ist das erste bekannte europäische Opfer.

Währenddessen teilte das türkische Gesundheitsministerium mit, ein Fluggast aus Nigeria sei am Dienstag auf dem Flughafen in Istanbul mit starkem Fieber angekommen. Mediziner seien nicht sicher, ob die Frau Ebola-infiziert sei, sie hätten aber Sicherheitsmaßnahmen ergriffen.

Der Ebola-Verdacht bei einem Studenten aus Deutschland in Ruanda hat sich hingegen zum Glück nicht bestätigt. „Der Test des Ebola-Verdachtsfalles ist negativ. Es gibt kein Ebola in Ruanda“, teilte das Gesundheitsministerium des ostafrikanischen Landes mit. Es handelte sich – wie bei vielen Verdachtsfällen bisher – um Malaria.

Der britische Virologe Jonathan Ball hat währenddessen vor den Risiken einer Anwendung nicht vollends erforschter Medikamente gewarnt. „Man kann nicht definitiv sagen, dass etwas, das bei Tieren funktioniert und sicher ist, auch bei Menschen funktioniert und sicher ist“, sagte der Wissenschaftler von der Universität Nottingham am Dienstag. Die Entscheidung der WHO könne auch dazu führen, dass Misstrauen unter afrikanischen Ländern geschürt werde, sagte Ball. Doch er zeigte auch Verständnis für die Entscheidung. „Wenn man sich vor Augen führt, dass es eine 60-Prozent-Wahrscheinlichkeit gibt, an einer Ebola-Infektion zu sterben, dann kann man verstehen, wie man zu der Entscheidung gekommen ist.“

Sie erschwere aber auch den Fortschritt klinischer Studien. Es sei wichtig, die Verwendung der Präparate in klinische Studien einzubetten, um gesicherte Ergebnisse zu Nutzen und Nebenwirkungen zu bekommen, betonte Tom Solomon, Direktor des Instituts für Infektionen an der Universität Liverpool. Ärzte nutzten eingeführte Medikamente häufiger auf experimenteller Basis für andere Krankheiten als eigentlich vorgesehen. „Der Unterschied ist, dass diese neuen Medikamente überhaupt noch nicht evaluiert sind.“

Bis zum 9. August hatten die Behörden der betroffenen Länder der WHO 1800 bestätigte und Ebola-Verdachtsfälle gemeldet, mehr als 1000 Tote waren registriert. Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen (MSF) sucht nun erfahrene Ärzte, Krankenpfleger, Psychologen und Epidemiologen im Kampf gegen die Epidemie. „Durch die extrem harten Arbeitsbedingungen können wir internationale Mitarbeiter im klinischen Bereich nur für maximal zwei Monate einsetzen“, sagte die Leiterin der Personalabteilung, Helen O’Neill.

Bewerber sollten Erfahrungen mit Ebola oder ähnlichen Erkrankungen haben. Erforderlich seien körperliche und geistige Fitness sowie Gesundheit. MSF ist in Sierra Leone, Guinea und Libera mit rund 70 internationalen und mehr als 600 lokalen Mitarbeitern im Einsatz.