7000 Experten treffen sich bis Sonnabend zu dem viertägigen Jahreskongress im CCH, um die neuesten Entwicklungen zu diskutieren. Computer- und Magnetresonanztomografie eröffnen neue Möglichkeiten.

Hamburg. Wer das Wort Radiologie hört, denkt zunächst an Röntgenbilder und vielleicht auch an weitere Bild gebende Verfahren wie Ultraschall, Computertomografie (CT) und die Magnetresonanztomografie (MRT) – doch die moderne Radiologie kann wesentlich mehr: Radiologen führen heutzutage auch minimal invasive Eingriffe durch, zum Beispiel indem sie mithilfe eines Katheters Gefäßprothesen in krankhaft veränderte Blutgefäße einsetzen. Deswegen lautet das Motto des deutschen Röntgenkongresses, der zurzeit im CCH stattfindet: „Radiologie ist Diagnose und Therapie“. 7000 Experten treffen sich bis Sonnabend zu dem viertägigen Jahreskongress der deutschen und österreichischen Röntgengesellschaften, um die neuesten Entwicklungen auf ihrem Fachgebiet zu diskutieren.

Dabei hat das konventionelle Röntgenbild nach wie vor einen wichtigen Stellenwert, wie der Düsseldorfer Radiologe Prof. Stefan Diederich, Kongresspräsident der Deutschen Röntgengesellschaft, zum Auftakt im CCH betonte. Es steht oft am Anfang der Diagnostik und wird dann gegebenenfalls durch weitere Spezialuntersuchungen ergänzt, wie zum Beispiel CT oder MRT.

Welche Möglichkeiten solche Spezialuntersuchungen bieten, zeigten die Experten an mehreren Studien. So kann eine MRT bei unklaren Brustschmerzen für Klarheit sorgen. Eine typische Situation: Ein Patient kommt mit starken Brustschmerzen in die Notaufnahme eines Krankenhauses. Alle Anzeichen sprechen für einen Herzinfarkt, und auch der Laborbefund zeigt eine dafür typische Erhöhung des Herzenzyms Troponin. Doch die daraufhin vorgenommene Herzkatheteruntersuchung liefert keinen auffälligen Befund: Für einen akuten Verschluss eines Herzkranzgefäßes, der den Infarkt ausgelöst haben könnte, finden sich keine Anhaltspunkte.

Der Radiologe Dr. Tilman Emrich von der Klinik für diagnostische und interventionelle (während eines Eingriffs vorgenommene) Radiologie der Universitätsmedizin Mainz hat zusammen mit Kollegen 125 solcher Fälle genauer unter die Lupe genommen und sie mit einer sogenannten Kardio-MRT untersucht. „Das Besondere ist, dass wir damit sowohl die Anatomie als auch die Funktion des Herzens sehr detailliert beurteilen können“, sagte Emrich.

In 90 Prozent der Fälle konnten die Radiologen mit dieser Untersuchungsmethode die richtige Diagnose stellen. Am häufigsten fanden sie eine sogenannte Myokarditis, eine Entzündung des Herzmuskels, bei der in dem MRT-Bild charakteristische Veränderungen in der Struktur des Herzmuskels zu sehen sind. Am zweithäufigsten stellten sie die Diagnose einer dilatativen Kardiomyopathie, einer Erweiterung der linken Herzkammer, die zu einer Verschlechterung der Pumpfunktion des Herzens führt. Und an dritter Stelle konnten die Ärzte trotz fehlender Gefäßverengungen einen akuten Herzinfarkt feststellen. Typisch dafür sind Bewegungsstörungen der Herzwand und Strukturveränderungen des Herzmuskels in einem abgegrenzten Bereich. Bei einem weiteren Teil fanden die Radiologen ein stressbedingtes Herzleiden, das auch unter dem Namen BrokenHeart-Syndrome bekannt ist.

Aus den Untersuchungen zieht Emrich den Schluss, dass bei allen Patienten mit Brustschmerzen und infarkttypischem Laborbefund eine Kardio-MRT durchgeführt werden sollte, wenn bei der Herzkatheteruntersuchung kein Herzinfarkt entdeckt wird. Für die Patienten habe das den enormen Vorteil, dass bei ihnen die richtige Diagnose gestellt wird und sie entsprechend behandelt werden könnten.

Wie eine MRT bei der Behandlung einer Endometriose helfen kann, zeigte Julia Wenzel von der Klinik für diagnostische und interventionelle Radiologie am Universitätsklinikum Gießen. Die Endometriose gehört mit zu den häufigsten Frauenleiden. Etwa jede zehnte Frau ist von dieser Erkrankung betroffen, bei der sich kleine Inseln von Gebärmutterschleimhaut außerhalb der Gebärmutter im Bauchraum befinden, zum Beispiel an den Eierstöcken oder auf Blase und Darm. „Dadurch haben die Frauen je nach Lokalisation der Endometriose zyklusabhängig teilweise erhebliche Schmerzen“, sagte Wenzel.

Durch eine operative Entfernung der Schleimhautinseln kann ihnen geholfen werden. „Das Problem ist, dass der Chirurg die Schleimhautinseln erst einmal finden muss. Sie sind teilweise sehr klein und in der Tiefe des Gewebes verborgen“, sagt die angehende Ärztin, die in ihrer Promotionsarbeit untersucht hat, ob eine MRT die Schleimhautinseln im Bauchraum sicher aufspüren kann. 131 Frauen mit Endometriose wurden in der Studie vor der Operation mit einer MRT untersucht. Das Ergebnis: Von insgesamt 392 vom Pathologen bestätigten Endometriose-Herden wurden in der MRT 81 Prozent erkannt. Als besonders zuverlässig erwies sich diese Untersuchung nach Aussage von Wenzel bei Schleimhautinseln im hinteren Bauchraum und speziell am Darm. In diesem Bereich konnten 90 Prozent erkannt werden. Gerade dort werden Endometriose-Herde häufig übersehen.

Wie eine Spezialuntersuchung, die sogenannte Mehrschicht-Computertomografie (MDCT), bei der mehrere Schichten des Körpers parallel aufgezeichnet werden, bei der Diagnostik einer Blinddarmentzündung helfen kann, hat der Radiologe Murat Karul vom Universitätsklinikum Eppendorf untersucht. Diese Untersuchung liefert in vielen Fällen schon vor der Operation einen genaueren Überblick über die Schwere der Entzündung und hilft den Chirurgen so bei der Entscheidung für das optimale Operationsverfahren. Insgesamt 76 Patienten wurden untersucht. 49 von ihnen hatten eine leichte, fünf eine mittelschwere und 22 eine besonders schwere Blinddarmentzündung, die bereits durch die Darmwand hindurchgewandert war.

„Wir konnten zeigen, dass sich bei einem Großteil der Patienten das Ausmaß der Blinddarmentzündung durch die MDCT-Untersuchung zuverlässig darstellen lässt“, sagte Karul. Er empfiehlt daher eine MDCT bei allen Patienten, die nicht die klassischen Zeichen einer Blinddarmentzündung zeigen, zum Beispiel kein Fieber haben oder keine typischen Anzeichen bei der körperlichen Untersuchung. Außerdem sollte der Wert eines Entzündungsmarkers im Blut, des sogenannten C-reaktiven Proteins (CRP), dabei berücksichtigt werden. „Je höher der CRP-Wert, umso höher ist die Wahrscheinlichkeit einer höhergradigen Blinddarmentzündung“, sagt Karul. Deswegen sollte auch bei einem CRP-Wert, der die Grenze von 72 Milligramm pro Deziliter übersteigt, eine MDCT durchgeführt werden. Bei jungen Patienten und insbesondere bei Schwangeren rät Karul aufgrund der Strahlenbelastung, statt der MDCT eine MRT durchzuführen.