Fasten ist dieser Tage wieder ein großes Thema bei vielen Menschen. Was es bewirken kann, und wo Ärzte Gefahren sehen

Hamburg. Am heutigen Aschermittwoch beginnt die Fastenzeit – und viele Menschen treten den freiwilligen Nahrungsverzicht an. Die meisten versprechen sich davon mehr Wohlbefinden und eine bessere Gesundheit, viele wollen zudem Gewicht verlieren. Doch was kann Fasten tatsächlich bewirken? Darüber gehen die Meinungen auseinander.

„Fasten setzt Energie zur Selbstheilung frei“, sagt Dr. Eva Lischka, Vorsitzende der Ärztegesellschaft für Heilfasten und Ernährung. „Mein Mann und ich fasten seit über 30 Jahren regelmäßig ein- bis zweimal im Jahr. Das führt immer zuverlässig zu einer prompten Verbesserung von Motivation und Lebensfreude.“ Fasten könne das Leben ins Positive wenden, man würde zur Selbsterkennung finden, beweglicher und glücklicher werden, meinen viele Anhänger. Auch die geistigen Leistungen sollen bei einigen Patienten durch das Fasten zunehmen, sagt Lischka. Rheumapatienten, Asthmatiker und Allergiker hoffen außerdem auf eine Verbesserung ihrer Erkrankung.

Prof. Manfred Müller, Leiter des Instituts für Humanernährung und Lebensmittelkunde in Kiel, warnt hingegen davor, Fasten als Allheilmittel zu sehen: „Man muss differenziert betrachten, wobei Fasten tatsächlich helfen kann. Es ist ein völlig überzogener Anspruch, dass beispielsweise Depressionen durch Fasten geheilt werden können.“ Auch dafür, dass asthmatische und allergische Beschwerden verbessert oder gar behoben werden können, gäbe es keine Belege.

Dass Fasten allerdings die Symptome einer rheumatischen Erkrankung verringern kann, stellte der deutsche Internist Dr. Otto Buchinger (s. auch Interview rechts) bereits 1919 am eigenen Körper fest. Er erkrankte Ende des Ersten Weltkriegs an einem schweren Gelenkrheuma und gilt heute als Begründer der verbreitetsten Fastenform, dem Buchinger Fasten. „Es ist wissenschaftlich belegt, dass eine kalorienreduzierte Ernährung die Symptome von Entzündungserkrankungen wie Rheuma tatsächlich verringern kann“, sagt Müller. Das gelte auch für Stoffwechselerkrankungen, wie etwa Diabetes und Gicht. Doch Fasten sei nicht der einzige Weg. „Man muss nicht fasten, es reicht auch aus, einfach die Hälfte zu essen. Eine Studie hat außerdem gezeigt, dass auch die Umstellung auf eine vegetarische oder vegane Ernährung stoffwechselkranken Patienten hilft“, sagt Müller.

Und kann Fasten beim Abnehmen helfen? Lischka weist darauf hin, dass die Gewichtsabnahme ein willkommener Nebeneffekt sei, aber nicht der einzige Grund für eine Fastenkur sein darf. „Fasten erleichtert den Einstieg in einen veränderten Lebensstil und wirkt sich dadurch auch nachhaltig positiv auf das Gewicht aus“, sagt die Fastenärztin, die in der Buchinger Wilhelmi Klinik am Bodensee praktiziert. Die klinische Statistik der Einrichtung bestätigt diese Aussage: Nach zehn Jahren, mit etwa einer Fastenkur pro Jahr, hatte ein Drittel der Gäste weniger Gewicht als zu Beginn, ein Drittel hatte das Ausgangsgewicht gehalten und ein Drittel der Teilnehmer hatte zugenommen, meist jedoch „unwesentlich“.

Müller kommt hingegen zu einem anderen Schluss: „Dass man während des Fastens abnimmt, ist nicht sensationell. Doch bei den meisten Menschen scheitert die anschließende Umstellung auf eine gesunde Ernährung. Sie fallen zurück in ihren gewohnten Lebensrhythmus.“

Das Problem sei, dass viele Menschen nicht genug Geduld hätten und sich durch Fasten oder radikale Diäten schnelle Erfolge versprächen. „Übergewichtige Menschen haben jedoch meist über viele Jahre hinweg zugenommen. Deswegen muss man auch fürs Abnehmen ausreichend Zeit einplanen. Kurze Phasen, in denen man nichts oder nur sehr wenig isst, sind weder sinnvoll, noch reichen sie aus, um das Gewicht langfristig zu senken und dann auch zu halten.“

Außerdem kämen viele Regelkreisläufe des Körpers bei starken Gewichtsschwankungen durcheinander: „Die Zusammensetzung von Körpereiweiß und -fett verändert sich, wenn man nach einer Gewichtsreduktion wieder zunimmt. Prozentual nimmt man eine größere Menge Fett zu als man vorher abgenommen hat. Und das vor allem am Bauch. Das kann zu Stoffwechselerkrankungen führen oder sich auf bestehende Erkrankungen negativ auswirken“, warnt Müller.

Um durch das Fasten das Glück zu erfahren, von dem viele berichten, die es schon ausprobiert haben, müsse die innere Bereitschaft stimmen, sagt Lischka. Sonst erlebe man die Essenspause als Hungern – und das führe zu Aggressionen. Komme es während des Fastens zu Glücksgefühlen, ließen sich diese mit dem vegetativen Nervensystem erklären – genauer durch den parasympathischen Teil dieses Nervensystems, der für Ruhe, Entspannung und Schonung sorgt.

Doch bis dieser aktiv wird, muss der Fastende etwas Geduld zeigen. Denn der „Ruhenerv“ löst seinen Gegenspieler, den „Stressnerv“ Sympatikus, der beim anfänglichen Nahrungsentzug einsetzt, erst nach ein bis zwei Fastentagen ab. Ebenso würde durch den Nahrungsverzicht vermehrt das Glückshormon Serotonin ausgeschüttet, meint Lischka. Doch auch dafür gebe es leider keinen wissenschaftlichen Beleg, sagt Müller.

Sechs von zehn Deutschen haben schon einmal mehrwöchig gefastet

Die christliche Fastenzeit beginnt am heutigen Aschermittwoch und dauert bis Ostern. Die Sonntage werden nicht mitgerechnet. Sowohl zur katholischen als auch zur evangelischen Tradition gehört es, in der Fastenzeit bewusst Verzicht zu üben oder sich dem Gebet zu widmen, als Symbol der Buße und der spirituellen Erneuerung.

Rund sechs von zehn Deutschen haben schon einmal eine mehrwöchige persönliche Fastenzeit eingelegt. Bereits mehrfach verzichteten 42 Prozent der Bundesbürger gezielt auf ein bestimmtes Genussmittel oder Konsumgut, wie eine am Dienstag in Hamburg und Düsseldorf veröffentlichte Forsa-Umfrage im Auftrag der Krankenkasse DAK-Gesundheit ergab.

An erster Stelle beim Fasten steht der Verzicht auf Alkohol (69 Prozent), gefolgt von Süßigkeiten (66 Prozent) und Fleisch (47 Prozent).