Auch in der Natur hinterlässt die Elbflut Spuren – bei Wasservögeln und Bibern genauso wie beim Auftreten von Keimen. Das Abendblatt befragte Experten zu den biologischen Folgen des Hochwassers.

Hamburg. Das Hochwasser der Elbe hat für die Anrainer teilweise dramatische Folgen. Das betrifft vor allem die Menschen entlang der Flussufer, aber auch die Natur – vom Biber bis hin zur Massenvermehrung von Mikroorganismen, die als Krankheitserreger wiederum die Menschen treffen. Das Abendblatt befragte Experten zu den biologischen Folgen des Hochwassers.

Wie hoch ist die Keimbelastung?

Bislang sei das Elbwasser nach der EU-Richtlinie zur Badewasserqualität noch als „gut“ einzustufen, sagt Achim Stolz, Sprecher des Niedersächsischen Landesbetriebes für Wasserwirtschaft, Küsten und Naturschutz. Allerdings lägen die Messungen einige Tage zurück. Stolz: „Die Messreihe wird diese Woche fortgesetzt, die Ergebnisse aktualisiert.“ Experten rechnen damit, dass die Keimbelastung deutlich steigen wird und raten vom Bad in der Elbe dringend ab. Auch mit Blick auf das viele Treibgut, das Verletzungsgefahren birgt.

Besteht Infektionsgefahr durch Fäkalien?

Angesichts überfluteter Kläranlagen und Kanalisationen warnt der Katastrophenschutzstab des Landkreises Lüneburg: „Es ist davon auszugehen, dass das Wasser der Elbe aktuell mit Bakterien (insbesondere Stuhlkeime) und Viren (insbesondere Hepatitis A) belastet ist.“ Um Infektionen zu vermeiden, sollten Kinder nicht im Überschwemmungswasser oder Schlamm spielen. Helfer sollten sich ihre Hände sorgfältig mit (sauberem) Wasser und Seife waschen, bevor sie Lebensmittel, Kaugummis oder Zigaretten anfassen.

Besonders hoch wird das Risiko beim Aufräumen nach der Flut. Dabei entstehen schnell kleinere Verletzungen als Einfallstore für Keime. Betroffene sollten auf einen ausreichenden Tetanusschutz achten, empfiehlt das Robert-Koch-Institut, die Impfung sollte nicht mehr als zehn Jahre zurückliegen. Zudem sollten sie Gummistiefel, wasserdichte Handschuhe und wasserabweisende Kleidung tragen.

Sind Schadstoffe ein Problem?

Derzeit nehmen alle Bundesländer mit Elbanschluss täglich Wasserproben und untersuchen sie auf Schadstoffe. Für Hamburg ist das Institut für Hygiene und Umwelt involviert. Die Analysen nehmen einige Tage in Anspruch. Deshalb sind die neuesten Daten vom 10.Juni. Da hatte die Hochwasserwelle Hamburg noch nicht erreicht. Alle Messdaten sind im Informationsportal Undine (undine.bafg.de) einsehbar. Doch gezeigt werden Rohdaten, die noch nicht ausgewertet sind. „Derzeit konzentriert sich die Zusammenarbeit der Länder auf die Bewältigung der Hochwassersituation“, sagt Dr. Monika Kehlbacher, Vorsitzende der Flussgebietsgemeinschaft Elbe, einem Zusammenschluss aller Bundesländer im Elbe-Einzugsgebiet. „Mir liegen derzeit keine Hinweise auf besondere Schadstoffsituationen vor.“

Wie war es 2002?

Damals mobilisierte das Hochwasser Altlasten im Einzugsgebiet und spülte erhöhte Gehalte von Schwermetallen, Dioxinen und anderen Schadstoffen die Elbe hinunter. Insgesamt habe 2002 die Flussbelastung Richtung Wehr Geesthacht abgenommen, heißt es in einer Dokumentation der Internationalen Kommission zum Schutz der Elbe. „Auf keinen Fall wurde 2002 das Belastungsniveau der 1970er- und 1980er-Jahre erreicht, dem Zeitraum der stärksten Elbverschmutzung.“

Leiden Wiesen- und Wasservögel?

Sowohl auf Wiesen brütende Arten wie Kiebitz, Brachvogel oder Wachtelkönig als auch Enten, Schwäne und Gänse werden einen Teil ihres Nachwuchses verloren haben, sagt Andrea Schmidt, Geschäftsführerin des Info-Zentrums des Biosphärenreservats Niedersächsischen Elbtalaue im Schloss Bleckede. „Für die einzelnen Vögel ist das natürlich traurig, aber es wird nicht den Fortbestand der Arten gefährden.“ Schmidt sorgt sich am ehesten um die Wiesenbrüter: „Hier gab es in den letzten zehn, 20 Jahren in ganz Niedersachsen starke Rückgänge. Dadurch fällt es der Natur schwerer, die Hochwasserverluste mit der Zeit zu kompensieren.“ Da das Wasser auf vielen Flächen noch länger stehen wird, hält Schmidt den Erfolg eines zweiten Brutversuchs für fraglich.

Was machen die Biber?

Zwischen Schnackenburg und Lauenburg leben geschätzte 500 Biber. „Alle vier bis fünf Flusskilometer haben wir ein Biber-Revier“, sagt Andrea Schmidt vom Info-Zentrum Elbtalaue. Die Alttiere seien über die Deiche ins Landesinnere geflüchtet. Dort suchen sie sich Verstecke in der Nähe von Kleingewässern wie Gräben oder Teichen, vielleicht eine Mulde unter einem alten Baumstamm, und warten dort ab, bis sie in ihre Reviere zurückkehren können. Der Nachwuchs dieses Jahres war erst vier bis acht Wochen alt, als ihn das Hochwasser traf. Die kleinen Biber können zwar schon schwimmen und tauchen, aber nicht so gut und ausdauernd, sodass es hier größere Verluste geben wird. Aber angesichts der guten Ausbreitung der vergangenen Jahre sei dies verschmerzbar, so Schmidt.

Wird es eine Mückenplage geben?

Warmes, feuchtes Wetter und jede Menge Gewässer, in denen die Larven heranwachsen können: Die derzeitigen Bedingungen sprechen für einen mückenreichen Sommer.