Forscher simulieren am Computer, wie sich Einschläge von Asteroiden verhindern lassen. Heute rast „2012 DA14“ an der Erde vorbei.

Friedrichshafen. Wie Bruce Willis im Actionfilm "Armageddon" sieht Noah Saks nicht gerade aus. In Jeans und T-Shirt sitzt er an einem Tisch im Raumfahrtunternehmen Astrium am Bodensee, völlig entspannt. Hin und wieder streicht er sich eine schwarze Locke aus der Stirn. Noch droht ja auch keine Gefahr. Aber das wird sich eines Tages womöglich ändern. Dann könnten der Australier und sein Team die Welt vor einem Asteroiden retten - ähnlich wie Bruce Willis in dem 1998 gedrehten Film, in dem eine Gruppe Spezialisten die Zerstörung der Erde abwenden muss.

Saks leitet am Astrium-Standort Friedrichshafen die Arbeiten des internationalen Forschungsprojekts Neo-Shield. Bei der 2012 gegründeten Kooperation tüfteln 13 Partner aus Wissenschaft und Industrie daran, wie Einschläge von Asteroiden und Meteoriten verhindert werden können. Koordiniert wird das auf dreieinhalb Jahre angelegte Projekt von Alan Harris vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). Die Europäische Union unterstützt es mit vier Millionen Euro.

Spinnerei? Gerade fliegt ein Asteroid auf die Erde zu, der jüngsten Schätzungen der Esa zufolge einen Durchmesser von immerhin 65 Metern hat und 400.000 Tonnen wiegt. Ein solcher Brocken gefährdet natürlich nicht die Welt, doch wenn er in eine Stadt einschlüge, hätte das wohl verheerende Folgen. 2012 DA14 wird am Freitag zwar nicht näher als 27.500 Kilometer an unseren Planeten herankommen und wohl auch nicht mit Satelliten kollidieren. Allerdings kommt der Asteroid der Erde näher als jeder vorgesagte Himmelskörper dieser Größe zuvor - der Mond ist etwa 15-mal weiter entfernt.

Entdeckt wurde 2012 DA14 erst im vergangenen Jahr, als er noch vier Millionen Kilometer von der Erde entfernt war. Genau darin bestehe das Problem, sagt Noah Saks. "Kleinere Asteroide sind nur schwer zu finden. Wir wissen einfach nicht genau, wo sie sind." Etwa 600.000 Asteroiden befinden sich der Nasa zufolge derzeit in unserem Sonnensystem; etwa 8000 davon sind laut DLR als "Near Earth Objects" (Neo) identifiziert worden - also als potenziell gefährlich - und jeden Monat kommen 70 weitere hinzu.

Drei Varianten gebe es für ein Bedrohungsszenario durch einen Asteroiden, sagt DLR-Forscher Alan Harris. Habe man ein paar Jahre Zeit für die Ablenkung, könnte man zum Beispiel eine Raumsonde in seine direkte Nähe bringen. Ihre Gravitation würde sich auf den Asteroiden auswirken und ihn ganz langsam - wie von einem Seil gezogen - von seiner ursprünglichen Flugbahn ablenken. Diese Möglichkeit untersuchen Forscher derzeit in den USA. Wenn es schneller gehen müsse, komme theoretisch eine Maßnahme infrage, an der Russen forschten: Eine nukleare Explosion auf oder neben einem Asteroiden. "Das wird aber sehr kontrovers gesehen", sagt Harris. Zur dritten Abwehrmöglichkeit forscht Noah Saks mit zehn weiteren Astrium-Kollegen in Friedrichshafen, Bremen, Stevenag (England) sowie Les Mureaux und Toulouse (beide Frankreich). Ihre Idee ist es, eine Raumsonde auf dem Asteroiden einschlagen zu lassen und ihn dadurch von seiner Bahn abzubringen. "Sehr realistisch", urteilt Alan Harris.

Die Daten, die von den Wissenschaftlern während des Projekts gesammelt werden, sollen kontinuierlich in Computersimulationen einfließen. Am Ende der dreieinhalb Jahre sollten aber nicht nur Kenntnisse über Asteroiden und eine mögliche Abwehr vorliegen, sagt Harris. Ziele seien auch eine Art Demomission und ein Notfallplan für den Fall der Bedrohung. Wer dann allerdings die politische Verantwortung tragen würde, sei noch völlig unklar. Die Frage werde in einigen Tagen auf einem Treffen der Vereinten Nationen in Wien beraten.

Asteroiden sind Kleinplaneten mit Durchmessern von einigen Metern bis zu 1000 Kilometern. Die meisten dieser Gesteinsbrocken kreisen im sogenannten Planetoidengürtel zwischen Mars und Jupiter um die Sonne. Die Himmelskörper gelten als Überreste aus der Frühzeit unseres Sonnensystems, das vor etwa viereinhalb Milliarden Jahren entstand; sie sind übrig gebliebener Baustoff von Planeten und Monden. Ihre Zusammensetzung ist daher für Astronomen besonders interessant, die sich Erkenntnisse über die Entstehung und Jugend unseres Planetensystems erhoffen. Die Erforschung von Asteroiden ist aber eben auch wichtig, weil sich einige von ihnen auf einem potenziellen Kollisionskurs mit der Erde befinden. Etwa alle 200 Millionen Jahre ist nach Schätzungen von Astronomen mit dem Einschlag eines zehn Kilometer großen Asteroids zu rechnen, alle 10.000 Jahre schlägt auf der Erde ein Objekt mit 100 Meter Durchmesser ein. Kleinere Asteroiden wie 2012 DA14 kommen der Erde statistisch gesehen alle 40 Jahre sehr nah und treffen unseren Planeten - ebenfalls statistisch gesehen - einmal alle 1200 Jahre.

Von Asteroiden zu unterscheiden sind Meteoriten. Bei diesen Brocken, die ebenfalls Durchmesser von wenigen Metern bis zu Hunderten Kilometern erreichen können, handelt es sich um abgesprengte Teile von Asteroiden, Kometen und Planeten. Nach Schätzungen erreichen pro Jahr mehr als 19.000 Meteoritenteile mit einer Masse von mehr als 100 Gramm die Erdoberfläche. Nur wenige Meteoriten hinterließen allerdings so große Krater, dass ihre Spuren bis heute sichtbar sind. Als größter noch sichtbarer Einschlagkrater gilt Vredefort nahe der südafrikanischen Stadt Johannesburg. Vor zwei Milliarden Jahren traf dort ein Meteorit mit einem Durchmesser von zehn Kilometern die Erde. Das Aussterben der Dinosaurier verursachte wohl ein Meteorit, der vor 65 Millionen Jahren auf der mexikanischen Halbinsel Yucatán einschlug. Die dabei freigesetzte Einschlagenergie entsprach nach Angaben des Deutschen Geoforschungs-Instituts in Potsdam wohl mehr als dem Zehntausendfachen des gesamten Weltarsenals an Atomwaffen und setzte riesige Mengen an Staub und Gas frei.