Bremer Forscher simulieren, wie die Bodenstation der Sonde Rosetta 2014 auf dem Himmelsobjekt aufsetzen könnte

Bremen. Sie proben für den großen Moment. Auf hartem Boden, auf Sand, in Schräglage oder auf der Ebene. Im November 2014 soll die Landeeinheit Philae der Raumsonde Rosetta auf einem weit entfernten Kometen aufsetzen. Es wäre das erste Mal in der Raumfahrtgeschichte. Damit nichts schiefgeht, testen Forscher am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Bremen alle erdenklichen Szenarien - mit einem Nachbau. Denn Philae und Rosetta sind längst auf dem Weg durchs All.

Seit 2004 fliegt das Duo dem Himmelskörper namens 67P/Tschurjumow-Gerassimenko entgegen. Die Landung soll der Höhepunkt des Projekts sein, das sich die Europäer eine Milliarde Euro kosten lassen. Im DLR-Labor baumelt das kühlschrankgroße Landegerät an einem Roboterarm über drei Kübeln, die mit Quarzsand gefüllt sind. Raumfahrtingenieur Silvio Schröder drückt eine Taste auf der Steuerkonsole, und Philae saust herab - mit den Füßen direkt in die Kübel. Sofort bohren sich dicke Schrauben in den Sand. Sie sollen die Sonde auf weichen Oberflächen fest verankern.

Kometen sind die primitivsten bekannten Objekte in unserem Sonnensystem, entstanden wohl kurz nach der Sonne, vor viereinhalb Milliarden Jahren. Damals existierte dort, wo heute Erde, Mars & Co. ihre Kreise ziehen, nur eine riesige Wolke aus Gas. Sie drehte sich, schneller und schneller, sodass sich in ihrem Zentrum Gas konzentrierte und es dort bald so heiß wurde, dass ein Stern entstand: unser Zentralgestirn. In seiner Umgebung sammelte sich Staub, der zu Kometen und Steinbrocken kumulierte - und schließlich auch die Planeten bildete. So vermuten es Forscher zumindest.

"Wie die Bedingungen damals genau aussahen, welche Art von Staub vorlag, welche Temperaturen herrschten - all das wissen wir nicht", sagt Dr. Gerhard Schwehm, Leiter der Rosetta-Mission. "Kometen haben sich seit viereinhalb Milliarden Jahren nicht verändert. In ihnen ist wohl auch heute noch Materie von damals enthalten. Deshalb sind sie vielleicht der Schlüssel zur Kinderstube unserer Planeten." Das legten Erkenntnisse nahe, die 1986 bei der Giotto-Mission zum Halleyschen Kometen und bei der Stardust-Mission 2002 zum Kometen Wild 2 gewonnen wurden. Beide Sonden flogen an den Kometen vorbei; Stardust gelang es, Proben mit winzigen Teilchen aus der nebeligen Hülle von Wild 2 zur Erde zu bringen. Eine Landung war in beiden Fällen aber nicht vorgesehen.

Bei der Rosetta-Mission soll dies gelingen. Ursprünglich sollten die Sonde und ihr Lander zu dem Kometen 46P/Wirtanen fliegen. Doch wegen technischer Probleme konnte die Trägerrakete zum geplanten Zeitpunkt nicht starten. Als die Schwierigkeiten behoben waren, war das Ziel außer Reichweite. Der einzige Komet, der bei einem Start 2004 noch erreichbar war, ist 67P. Er kreist innerhalb von 6,5 Jahren um die Sonne, wobei er sich ihr bis auf 190 Millionen Kilometer nähert. Zum Vergleich: Die Erde umrundet die Sonne in einer mittleren Entfernung von 149 Millionen Kilometern.

67P hat einen Durchmesser von vier Kilometern; er ist größer und besitzt mehr Schwerkraft als der ursprünglich anvisierte 46P. "Deshalb zieht er den Lander stärker an, das heißt die Landegeschwindigkeit ist höher", erläutert DLR-Ingenieur Lars Witte, der in Bremen mit Silvio Schröder die Landung simuliert. Erschwerend kommt hinzu: Die Forscher wissen fast nichts über die Oberfläche des Kometen. Muss die Landeeinheit auf Geröll aufsetzen, auf Sand oder Schnee? Da bleibt nur: auf alles vorbereitet sein.

Die Landung abfedern soll ein Dämpfer zwischen den drei Beinen von Philae. Setzen die aber zu schnell auf, könnte der Körper mit der hochsensiblen Messtechnik mit voller Wucht auf die Beine schlagen. Deshalb haben die Konstrukteure nachträglich eine Klammer eingebaut, die aber einen Nachteil hat: "Es besteht die Gefahr, dass der Lander beim Aufsetzen umkippt", sagt Witte. Vor dem Abflug hatten die Experten zwar schon getestet, ob Philae das meistern kann - aber nicht so eingehend wie jetzt. Denn eine Anlage wie die in Bremen gab es damals noch nicht.

Im Mai 2014 sollen Lander und Sonde den Kometen erreichen, ihn zunächst umkreisen und mit einer Kamera kartografieren, um einen geeigneten Landeplatz zu finden. Die Bremer Tests sollen dem Missionsteam helfen, die Landung genau zu planen und falls nötig die Software anzupassen. Philae soll danach den Boden des Kometen anbohren, Proben entnehmen und diese in ihrem integrierten Ofen analysieren. Die Daten funkt sie zur Sonde Rosetta, die im Abstand von zehn bis 30 Kilometern mit dem Kometen mitfliegen soll, wobei sie mit ihren Instrumenten aus dem Kometen austretendes Gas und den mitgerissenen Staub untersuchen wird. Sie funkt die Daten zur Erde.

Egal wie die Landung ausgeht, fest steht schon jetzt: Philae ist dem Untergang geweiht. Am Ende der Mission wird die Landeeinheit den Hitzetod sterben oder ins All hinausgerissen werden. Die Sonde ist weniger wärmeempfindlich - sie könnte den Kometen theoretisch Jahrzehnte begleiten.