Das bisher größte Weltraumobservatorium beginnt seine spannende Reise durchs All morgen vom europäischen Startplatz Kourou.

Ein so großer Spiegel ist nie zuvor in den Weltraum transportiert worden. 3,5 Meter beträgt der Durchmesser des Hohlspiegels, der im europäischen Infrarotobservatorium "Herschel" das Licht ferner Sterne und Galaxien sammeln soll. Damit ist er ungefähr eineinhalb mal so groß wie der Spiegel des Hubble-Weltraumteleskops, das seit Anfang der 1990er-Jahre vom Erdorbit aus das All beobachtet und derzeit gerade von US-Astronauten ein letztes Mal mit neuer Technik ausgestattet wird.

Es ist aber nicht allein die Größe, die bei den Projektmanagern der Europäischen Weltraumorganisation Esa im letzten Moment für Nervosität sorgte. Ursprünglich hätte Herschel mit dem Mikrowellenobservatorium "Planck" nämlich bereits am 16. April an Bord einer Ariane-5-Rakete ins All fliegen sollen. Fünf Wochen zuvor wurde der Start abgesagt. "Beide Missionen haben eine begrenzte Lebenszeit im All", erläutert Thomas Passvogel, Esa-Programm-Manager für Herschel und Planck. "Die Kühlsysteme verbrauchen das Kühlmittel während der Mission. Jeder Verbrauch ist teuer, und wir bereiten alles so vor, dass wir nach dem Start hundertprozentig mit den Vorbereitungen am Boden fertig sind. In diesem Fall war das Bodensegment noch nicht ausreichend fertig, und wir brauchten einfach zwei Wochen weiterer intensiver Vorbereitung."

Dabei ergaben sich neue Bedenken hinsichtlich des Herschel-Spiegels. Bevor sie für den Start grünes Licht gaben, wollten die Verantwortlichen sicher sein, dass sie die Belastungen, denen der Spiegel beim Start ausgesetzt ist, umfassend verstanden haben. So wurde ein Team unabhängiger Experten beauftragt, alle Unterlagen noch einmal genau durchzusehen.

Anders als der Hubble-Spiegel ist der von Herschel nicht aus einem Stück gefertigt. Die Produktionsanlagen der Firma Astrium in Toulouse erlaubten maximal die Bearbeitung von 1 mal 1,6 Meter großen Stücken aus Siliziumkarbid, dem extrem leichten Material. Die Errichtung neuer Anlagen zur Fertigung größerer Stücke wäre zu teuer geworden. Stattdessen wurden mit den vorhandenen Maschinen zwölf kleinere Elemente gefertigt, die entfernt an Blütenblätter erinnern, und miteinander zu dem runden, 3,5 Meter großen Spiegel verlötet.

"Der Prozess ist allerdings anders als normales Löten", so Passvogel. "Die zwölf Teile des Spiegels wurden mit kleinen Spalten zwischen den Segmenten angeordnet und das Lötpulver über diesen Spalten verteilt. Dann wurde der gesamte Spiegel in einen riesigen ,Ofen' geschoben und auf ungefähr 2000 Grad erhitzt. Das Lötpulver fließt dann in die Spalten und härtet beim Abkühlen aus."

Werden die Lötverbindungen die Belastungen beim Start überstehen, die zeitweise ein Mehrfaches der Erdschwerkraft ausmachen? Niemand hat es bisher ausprobiert. So mussten sich die Experten auf Berechnungen und Laborexperimente stützen. Sie kamen zu dem Ergebnis: Ja, es müsste klappen.

Die Startvorbereitungen wurden daraufhin wieder aufgenommen. Herschel und Planck werden jetzt mit Treibstoff betankt, Herschel auch mit 2300 Litern flüssigem, extrem kalten (minus 271,5 Grad Celsius) Helium. Die Instrumente sind darauf ausgerichtet, das kühle Universum im Bereich der Infrarotstrahlung zu beobachten. Dabei dürfen sie nicht von eigener Wärme irritiert werden. Die Infrarotstrahlung (siehe Extratext) verrät nicht nur etwas über die Geburt der Sterne, sie bringt uns auch der Frühzeit des Universums näher.

Mit Herschel könnte es gelingen, die Entstehung der ersten Galaxien zu beobachten, die wahrscheinlich vor über zwölf Milliarden Jahren erfolgte. Um das sehen zu können, müssen Astronomen zwölf Milliarden Lichtjahre weit in die Ferne schauen, denn von dort war das Licht so lange zu uns unterwegs. Da sich das Universum ausdehnt und sich Objekte umso schneller von uns entfernen, je weiter sie entfernt sind, ist deren Licht zu längeren Wellenlängen hin gedehnt. Die Physiker nennen das "Doppler-Effekt". Sehr ferne Objekte, die sichtbares Licht ausstrahlen, leuchten daher nicht nur extrem schwach, sie erscheinen uns als Infrarotstrahler. Um sie beobachten zu können, braucht man große Spiegel und geeignete Detektoren.

Beides hat Herschel an Bord. Jetzt stehen die Chancen gut, dass der Start am 14. Mai glatt verläuft. Bald danach wird der 3,5-Meter-Spiegel seine Lichtsammeltätigkeit aufnehmen und die Astronomen mit Daten versorgen, die das Wissen über kosmische Ursprünge erweitern und womöglich gründlich umwälzen werden.