Ob Laufen, Schwimmen oder Boxen: Unsere heimischen Tiere lassen selbst Spitzensportler in vielen Disziplinen alt aussehen

London/Berlin. Die Welt schaut in den kommenden Wochen auf die sportlichen Höchstleistungen der Olympioniken in London. Die Menschheit kürt die besten ihrer Art - im Vergleich mit anderen Arten sind die Athleten jedoch nur Mittelmaß. Zumindest dann, wenn die tierischen Vertreter nur in einer Disziplin gegen Homo sapiens antreten und nicht in allen 26 Sportarten, die die Menschen untereinander austragen.

Bei den Sprintwettbewerben würde der Feldhase die deutschen Farben würdig vertreten. Auf der Flucht erreichen Hasen kurzzeitig Spitzengeschwindigkeiten von 80 Kilometer pro Stunde (km/h) und halten damit den nationalen Rekord vor Rothirsch (65 km/h) und Wildschwein (55 km/h). Umgerechnet auf die 100-Meter-Distanz würden die Langohren nach 4,5 Sekunden (s) ins Ziel kommen und den jamaikanischen Weltrekordhalter Usain Bolt (9,58 s) damit locker stehen lassen. Allerdings käme der Hase damit wohl nicht in die Medaillenränge. Das Edelmetall würde vermutlich an afrikanische Läufer gehen: Heißester Kandidat ist der Gepard, der Tempo 100 erreicht und damit den artenübergreifenden Weltrekord hält - vier Beine sind halt doch schneller als zwei, schließlich müssen die Raubkatzen ihre Nahrung noch erjagen und bekommen sie nicht auf Tellern serviert.

Das gilt auch für die heimischen Beutegreifer Seehund und Fischotter, die die menschlichen Schwimm-Asse problemlos abhängen. Mit ihrem perfekt an das Wasser angepassten Haarkleid jagen Otter mit bis zu 14 km/h durch deutsche Bäche und Flüsse. Sie sind damit etwa doppelt so schnell wie die menschliche Konkurrenz. Der Seehund erreicht durch seine kräftigen, zu Flossen umgeformten Hinterbeine sogar Geschwindigkeiten zwischen 30 und 40 km/h. Allerdings können auch die Robben den weltbesten tierischen Schwimmern nicht das Wasser reichen. Diese finden sich in der Fischwelt. Die schnellsten rasen mit Tempo 100 durch die Meere, etwa der Schwarze Marlin aus der Familie der Schwertfische oder der Halter des aktuellen Rekords von 110 km/h, der Indopazifische Fächerfisch.

Bleiben wir im Wasser oder zumindest auf dem Weg dorthin. Beim Turmspringen gilt es im Londoner Aquatics Centre, aus maximal zehn Meter Höhe möglichst elegante Körperdrehungen zu zeigen und dann spritzwasserfrei abzutauchen. Ganz andere Höhen überwindet der Lummennachwuchs auf Helgoland. Die Küken der an den steilen roten Felswänden brütenden Meeresvögel stürzen sich alljährlich im Juni todesmutig in bis zu 50 Meter Tiefe. Mit ihren Stummelflügeln gelingt ihnen zwar nur ein mehr oder minder gesteuerter Absturz, kein eleganter Sprung. Dafür sind die Landungen aber umso bemerkenswerter: Ein dichtes Federkleid, v-förmig ausgebildete Rippen sowie Luftsäcke sorgen dafür, dass die kleinen Vögel den Aufprall auf das Wasser und sogar auf Felsen in der Regel unbeschadet überstehen.

Der sogenannte Lummensprung ist also eher ein Lummenfall. Aber natürlich gibt es auch Sprungkünstler im Tierreich. Den deutschen Meistertitel unter den Säugetieren hält wiederum der Feldhase. "Durch seine extrem langen Hinterläufe kann er aus dem Stand drei Meter weit und zwei Meter hoch springen", sagt Dr. Andreas Kinser, Biologe der Deutschen Wildtierstiftung in Hamburg. Allerdings wird er von manchen Fröschen und Insekten überflügelt. Der Springfrosch schafft zwar nur zwei Meter, doch ist dies das 33-fache seiner Körpergröße. Nimmt man diese als Maßstab, ist die Goldmedaille im virtuellen Wettkampf der Tiere bereits vergeben: an den Floh. Mit 2,5 Millimeter Körpergröße kann er beachtliche 50 Zentimeter weit springen.

Unter den Gewichthebern liegt der menschliche Rekord bei 266 Kilogramm in der höchsten Gewichtsklasse (über 105 Kilo Körpergewicht). Ein kräftiger Gorilla stemmt dagegen 900 Kilo. Allerdings ist der Vergleich etwas unfair, denn der befellte Athlet bringt mindestens das doppelte Gewicht auf die Waage. Im Verhältnis zum Körpergewicht liegen wieder die ganz kleinen Tiere weit vorn: Rote Waldameisen schleppen das 30- bis 50-Fache ihres Gewichts in ihren Bau. Als unangefochtenen Weltmeister nennt die Umweltstiftung WWF jedoch den Nashornkäfer. Das vier Zentimeter große, in Deutschland sehr seltene und streng geschützte Insekt hebt das 850-Fache seiner Käferkörpermasse.

Für manche tierische Höchstleistung fehlt es an olympischen Disziplinen: Heimische Falken erreichen bei Sturzflügen Geschwindigkeiten von mehr als 200 km/h. Und der afrikanische Sperbergeier hat eine sagenhafte Reiseflughöhe von 11 300 Metern - ein Niveau, auf dem er menschlichen Sportlern höchstens in Flugzeugen begegnet. Andere tierische Leistungen lassen sich nicht in Ziffern abbilden, etwa die Kletterkünste der Eichhörnchen - die flinken Nagetiere würden sicher auch am Stufenbarren oder Schwebebalken eine gute Figur machen. Auch zur Bewertung der herbstlichen Fechtwettbewerbe der Hirsche fehlt ein Punktesystem.

Ähnliches gilt für die deutschen Meisterboxer. In dieser Disziplin führt - schon wieder der Feldhase. Im internationalen Vergleich kann er aber gegen die australische Känguru-Konkurrenz nicht ganz mithalten. Immerhin balgen sich Hasen so vehement, dass sie sichtbare Kampfplätze hinterlassen. Diese seien durch gegenseitig herausgekratzte Wollreste zu erkennen, sagt Andreas Kinser.

Die Allroundsportler tragen ihre Boxkämpfe nicht nur "Mann gegen Mann", sondern auch zwischen Häsin und Hase aus. Kinser: "Das ist nicht einmal unfair, denn bei den Hasen sind die weiblichen Tiere genauso groß und kräftig wie die männlichen". Letzteres soll vereinzelt auch bei menschlichen Paaren vorkommen.