Ein Kreislaufsystem beheizt den Asphalt mit im Boden gespeicherter Wärme - die HHLA prüft nun den Einsatz auf einem Containerterminal.

Hamburg. Mit Erdwärme lassen sich Gebäude beheizen, das ist Stand der Technik. Bei der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) könnte Wärme aus dem Untergrund zukünftig die Fahrspuren ihrer Terminals eisfrei halten und dadurch den Winterdienst ersparen. Der Bauingenieur Michael Lange, der 2009 seine duale Ausbildung bei der HHLA und der privaten Hochschule 21 in Buxtehude beendete, schlug diesen Einsatz von erneuerbarer Energie in seiner Bachelor-Arbeit vor. Bauingenieur Steffen Schöttker, der dieselbe Ausbildung im Oktober beendete, griff die Idee auf und zeigte in seiner Abschlussarbeit, dass die "Fußbodenheizung" wirtschaftlich sein kann.

Lars Strehse, Leiter der Bautechnik bei den HHLA-Containerterminals, hält den Ansatz für vielversprechend. Es gibt sogar schon ein mögliches Projekt, das für die Technik prädestiniert ist: Auf dem Container Terminal Altenwerder, kurz CTA, soll ein fünfter Liegeplatz entstehen, das Planverfahren läuft. Die Kaimauerkonstruktion und ein Teil der angegliederten Verkehrs- und Lagerflächen werden auf eine Vielzahl von Pfählen gegründet. Durch sie könnte zugleich der Wärmeaustausch zwischen der Asphaltfläche und dem Boden in gut 20 Meter Tiefe erfolgen. "Bei jedem Bauprojekt, bei dem die HHLA Pfähle braucht, lohnt es sich, über den Einsatz der neuen Technik nachzudenken", sagt Strehse, "aber es kommt auf den konkreten Standort und die sich daraus ergebenden Möglichkeiten für einen wirtschaftlichen Betrieb der Anlagen an."

Steffen Schöttker hat in seiner Bachelor-Arbeit den geplanten CTA-Liegeplatz Nummer fünf ausgewählt und damit kalkuliert, dass eine Fläche von mindestens 3200 Quadratmetern mit Hilfe des Untergrunds klimatisiert wird. Die Asphaltdecke besteht aus drei jeweils fünf Zentimeter dicken Schichten, wobei in der mittleren Polyethylen-Rohre verlegt sind. Durch sie fließt mit Frostschutzmittel versetztes Wasser in einem Kreislauf, der über die Pfähle durch den Boden führt. Im Sommer wird der Asphalt zur Solarfläche. Die Wärme wird per Umwälzpumpe in die unteren Bodenschichten abgeführt. Im Winter transportiert der Wasserkreislauf die eingelagerte Wärme zurück an die Oberfläche.

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"Die geothermische Anlage macht den Winterdienst überflüssig", sagt Steffen Schöttker. "Das erspart große Mengen Streusalz, das über die Flächenentwässerung die Elbe belastet", ergänzt Prof. Heinrich Reincke, der die Bachelor-Arbeit betreute. Vor allem aber reduziert die irdische Wärme das Risiko von Betriebsausfällen aufgrund widriger Wetterverhältnisse. Ausfallzeiten sind extrem teuer, allein dieser Faktor spricht für die Investition, ist aber schwer zu bewerten und deshalb nicht in die Kalkulation eingeflossen.

Auch die sommerliche Kühlung der Asphaltdecke macht sich bezahlt. Reincke: "Durch hohe Temperaturen wird der Asphalt weich. Gerade an Kreuzungsbereichen, wo die Container-Transportfahrzeuge stoppen und wieder anfahren, entstehen dann schnell Spurrillen." Das gilt erst recht für die beiden Vorzeige-Containertransporter der HHLA. Sie fahren elektrisch. Ihre Batteriepakete erhöhen das Fahrzeuggewicht von den üblichen 21 auf 31 Tonnen und belasten dadurch die Verkehrsflächen stärker.

Wenn im Sommer weniger Spurrillen und im Winter weniger Frostschäden entstehen, verlängert dies die Lebenszeit der Fläche. Schöttker: "Normalerweise ist damit zu rechnen, dass alle fünf Jahre eine Sanierung von Asphaltdeckschichten fällig ist. Bei unseren hoch belasteten Flächen ist zu kalkulieren, dass sie alle 15 Jahre komplett erneuert werden müssen. Die Lebensdauer der RES-Fläche wird wahrscheinlich bis zu 20 Jahre betragen."

RES steht für Road Energie Systems (Straßenenergiesysteme), die die Firma Ooms in Avenhorn (Niederlande) entwickelte und dort bereits in elf Projekten verbaut hat. So hält Erdwärme eine große Brücke bei Rotterdam und eine Tunneleinfahrt in Alphen am Rhein eisfrei. "Technisch wäre eine Erdwärmeanlage beim CTA machbar. Wir müssen die Anlagentechnik für den Wärmetransport nun detaillierter durchrechnen und schauen, ob sie realisierbar ist, wenn der fünfte Liegeplatz tatsächlich gebaut wird", sagt Steffen Schöttker.

In seiner zunächst groben Wirtschaftlichkeitsanalyse kommt er zu dem Schluss, dass sich die unterirdische Klimaanlage nach sieben bis zehn Jahren bezahlt macht, je nach technischer Auslegung. Für die Berechnungen hatte Schöttker im nördlichen Bereich des CTA zwei Messsonden installieren lassen und die Wärmeflüsse über die Jahreszeiten ermittelt. In Zusammenarbeit mit dem Deutschen Wetterdienst zeigte sich, dass im Sommer viermal so viel Wärme anfällt wie im Winter gebraucht wird. Doch es kann nicht beliebig viel Wärme in den Boden geleitet werden: Der Hamburger Untergrund darf in zwölf bis 20 Metern Tiefe maximal auf 22 Grad erwärmt werden (die natürliche Temperatur schwankt zwischen acht und zwölf Grad). Abhilfe: Die Wärme anders verwerten oder die Leistung der Anlage drosseln.

Das Faszinierende an Schöttkers Arbeit sei, dass die Technik ebenso im Straßenbau eingesetzt werden könne, sagt Heinrich Reincke. "Dort, wo keine Pfähle gesetzt werden, könnten Energiesonden ohne Tragfunktion in den Boden eingebaut werden." Doch am wahrscheinlichsten ist es derzeit, dass die erste Flächenheizung auf einem HHLA-Terminal in Betrieb geht.

Das HHLA-Projekt ist einer von drei Ansätzen, mit denen im Hafen experimentiert wird, um Erdwärme zu nutzen. Der zweite ist eine Weichenheizung, die die Hamburg Port Authority (HPA) derzeit auf der Gleisanlage am Rossdamm erprobt. Sie arbeitet mit einem Kohlendioxid-Kreislauf, ohne Strom und wird erst aktiv, wenn die Temperatur an der Oberfläche kälter ist als im Untergrund. Der Prototyp ist jetzt ein Jahr aktiv. "Die Heizung tut, was sie soll und ist eine Option für die Zukunft", sagt HPA-Sprecher Alexander Schwertner. "Der Hersteller bessert jetzt noch technisch ein bisschen nach. Wenn die Weichenheizung serienreif ist, wird sie sich innerhalb weniger Jahre amortisieren."

Das dritte Projekt läuft zum Jahresende aus: Das Institut für Geotechnik und Baubetrieb der Technischen Universität (TU) Hamburg-Harburg erprobte Energiepfähle, die es zur Klimatisierung von Gebäuden in der HafenCity mit einer speziellen Technik (Sorptionsrad) kombinierte. "Wir haben jetzt alle nötigen Messdaten gesammelt und die Versuchsanlage wieder abgebaut", sagt Projektleiter Xiaolong Ma von der TU. "Es hat sich gezeigt, dass unsere Anlage funktioniert und sich rechnet. Erste Investoren haben bereits Interesse angemeldet."

Vieles spricht also dafür, dass der Hamburger Hafen in den kommenden Jahren mit unterirdischen Investitionen von sich Reden machen wird.