Ein Hamburger Chemiker arbeitet an Lithium-Ionen-Akkus, die mehr Leistung bringen und Elektroautos zum Durchbruch verhelfen sollen.

Hamburg. Als Chemiker hat man es nicht leicht, zumindest bei Fototerminen: Andere Wissenschaftler präsentieren Supercomputer, Elektronenmikroskope oder wenigstens Laserstrahlen. Michael Fröba hingegen kann nur eine schwarze Paste verstreichen, die Teer ähnelt. So sehen die Resultate aus, wenn man sich mit einer der größten Herausforderungen der Zukunft beschäftigt: der Speicherung von Energie. Unscheinbar, oberflächlich betrachtet.

Hätte man jedoch ein Elektronenmikroskop zur Hand, sähe man, dass sich die Innovation im Kleinen verbirgt, dass Fröbas schwarze Paste aus unzähligen Partikeln besteht, jedes davon etwa 100 millionstel Millimeter klein; man sähe, dass jedes dieser Partikel künstlich erzeugte Poren enthält, die sogar nur noch fünf millionstel Millimeter klein sind, also etwa so breit wie unsere DNA. Es sind winzige Schlupflöcher für Lithium-Ionen, die Hauptbestandteile der modernsten Akkus auf dem Markt, die Smartphones, Kameras und Computer zum Laufen bringen.

Fröba, Professor am Institut für Anorganische und Angewandte Chemie der Universität Hamburg, will Lithium-Ionen-Akkus stärker machen; gleichzeitig forscht er an zwei neuen Akkutypen: der Lithium-Schwefel-Batterie, die vermutlich bis zu dreimal mehr Energie speichern könnte als Lithium-Ionen-Modelle, und der Lithium-Luft-Batterie, die theoretisch bis zu 15-mal leistungsfähiger sein könnte. Dafür erhalten Fröba und sein 20-köpfiges Team in den nächsten drei Jahren insgesamt 1,2 Millionen Euro vom Bundesforschungsministerium, der Deutschen Forschungsgemeinschaft und der Helmholtz-Gesellschaft.

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So viel Geld fließt allerdings nicht in erster Linie, damit Smartphones und Co. künftig länger durchhalten. Das wäre zwar auch erfreulich, doch es geht um viel mehr: "Bessere Batterien könnten Elektroautos zum Durchbruch verhelfen", sagt Michael Fröba. Hier ist die Nachfrage bisher gering: Wer kauft schon Modelle, die nach maximal 200 Kilometern wieder an die Steckdose müssen und insofern untauglich sind für längere Autobahnfahrten? Auch die geplanten intelligenten Stromnetze (Smart Grids) werden nur funktionieren, wenn überschüssige Energie etwa aus Windkraft massenweise zwischengespeichert und bei Bedarf schnell wieder freigegeben werden kann.

Ein Lithium-Ionen-Akku besteht aus drei Komponenten: Minuspol, Pluspol und Elektrolyt. Der Minuspol (Anode) setzt sich meist aus Grafitschichten zusammen. Der Pluspol (Kathode) besteht aus Metalloxidschichten. Zwischen den Polen befindet sich eine Flüssigkeit, der Elektrolyt. Um den Akku zu "füllen", legt man einen elektrischen Strom an; dadurch wandern positiv geladene Lithium-Ionen zwischen die Grafitschichten.

Wird nun ein Verbraucher angeschlossen, etwa ein MP3-Player, "zieht" dieser die negativ geladenen Elektronen aus dem Lithium. Ein kleiner Teil der Elektronen wird nicht verbraucht und wandert zur Kathode. Währenddessen wandert das von seinen Elektronen befreite Lithium in ionisierter Form durch den Elektrolyt und in die Metalloxidschichten der Kathode, wo es den Rest der Elektronen aufnimmt. Sind alle Lithium-Ionen zur Kathode gewechselt, ist der Akku "leer" - und muss neu geladen werden. Wie schnell der Akku lädt und Energie abgibt, hängt davon ab, wie schnell die Lithium-Ionen sich durch den Elektrolyt bewegen und in die Schichten von Anode oder Kathode einlagern. Wie viel Energie er speichert, richtet sich danach, wie viele Lithium-Ionen zwischen die Schichten passen.

Die Einlagerung in die Grafitschichten der Anode funktioniere bereits sehr gut, sagt Michael Fröba, stark verbessern ließen sich allerdings noch Kathode und Elektrolyt. Das Problem bei der Kathode: Ihre Schichten bestehen aus unzähligen Partikeln, die jeweils eine Reihe von übereinanderliegenden Gängen enthalten; man könnte auch von Etagen sprechen. Eingänge zu den Etagen gibt es nur seitlich, aber nicht oben und unten. Wenn sich nun Lithium-Ionen einlagern wollen, kommt es zu einem Phänomen, das man auch an Bushaltestellen beobachten kann: Obwohl der Bus eigentlich Platz für alle hätte, bleibt er an einigen Stellen oft frei, weil es an den Eingängen zu Staus kommt. In Analogie dazu konstruieren Fröba und sein Team Partikel mit mehr Eingängen. Dazu geben sie der Lösung, aus der die Partikel entstehen, Moleküle hinzu, die nicht mit der Lösung reagieren und so als Platzhalter dienen. Hat sich die Lösung zu Partikeln verfestigt, werden die Platzhalter herausgebrannt. Im Ergebnis gelangen die Lithium-Ionen schneller in die Partikel hinein - und in größerer Zahl.

Parallel arbeiten die Chemiker an der Verbesserung des Elektrolyten. Aktuelle Lithium-Ionen-Akkus arbeiten mit Spannungen bis 3,8 Volt. Spannungen von vier oder gar fünf Volt zerstören bisher schnell die flüssigen, kleinen Moleküle des Elektrolyten. Stabiler wäre ein Feststoff, allerdings würden sich darin die Lithium-Ionen langsamer bewegen. Also gehen Fröba und sein Team einen Mittelweg: Sie bringen nanoporöse Teilchen in die matschartige Elektrolytmasse ein, sodass diese höhere Belastungen aushält, ohne den Fluss der Lithium-Ionen unnötig aufzuhalten.

Um die so produzierten Materialien zu testen, bringen die Chemiker sie in Form der besagten Paste auf eine Alufolie auf, schneiden Schablonen aus und montieren diese in eine Apparatur, die den dreiteiligen Aufbau einer Batterie simuliert. Dann messen sie die Leistung. Prinzipiell ähnlich verfahren sie bei ihren Forschungen zur Lithium-Schwefel-Batterie und zur Lithium-Luft-Batterie. Doch bei diesen Batterietypen stünden sie noch am Anfang, sagt Fröba. Bei den Lithium-Ionen-Akkus hingegen hätten sie schon Fortschritte erzielt.

Wie viel Energie eine bestimmte Masse eines Akkus speichern kann, wird mit der Energiedichte angegeben, gemessen in Wattstunden pro Kilogramm (Wh/kg). Aktuelle Lithium-Ionen-Akkus erreichen maximal 160 Wh/kg; Fröba sagt, er habe bereits über 170 Wh/kg erreicht. Das bedeute eine Leistungssteigerung von zehn bis 20 Prozent. Machbar sei eine Energiedichte bis 200 Wh/kg. "Diesen Wert", sagt Fröba, "werden wir in den nächsten drei bis vier Jahren erreichen."