Hamburger Forscher haben möglicherweise die Ursache für das rätselhafte Vogelsterben in Süddeutschland gefunden. Ansteckung über Stechmücken.

Hamburg. Erneut sorgt ein tropisches Virus in Deutschland für Unruhe. Experten des Hamburger Bernhard-Nocht-Instituts für Tropenmedizin haben in den Organen einer toten Amsel aus dem hessischen Birkenau das aus Afrika stammende Usutu-Virus nachgewiesen, das über Stechmücken übertragen wird. Auf diesem Weg können auch Menschen mit dem Erreger infiziert werden. Bisher ist allerdings in Deutschland noch kein solcher Fall bekannt geworden.

Erstmals in Deutschland wurde das Usutu-Virus im vergangenen Jahr in Stechmücken entdeckt. Jetzt ist dieser Erreger möglicherweise die Ursache für das massenhafte Amsel-Sterben in Süddeutschland. Seit zwei Monaten rätseln Vogelexperten des Naturschutzbunds Deutschland (Nabu), warum in Südhessen, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg Tausende tote Amseln gefunden wurden. In einigen Regionen sind die Tiere mittlerweile fast vollständig verschwunden. "Dass das Massensterben der Vögel durch das Usutu-Virus bedingt ist, bleibt jedoch noch zu beweisen", sagt Dr. Jonas Schmidt-Chanasit, Leiter der virologischen Diagnostik am Bernhard-Nocht-Institut.

Bisher seien nur Amseln betroffen und nur in der genannten Region, sagt Markus Nipkow, Vogelexperte beim Bundesverband des Nabu. "Aber wir können davon ausgehen, dass auch Vögel anderer Arten erkranken können, die nicht so nah bei Menschen leben wie Amseln."

Das Virus ist für Gesunde mit intaktem Immunsystem nahezu ungefährlich

Es ist nicht das erste Mal, dass das Usutu-Virus, entdeckt Ende der 50er-Jahre in Südafrika, in Europa auftritt. "2001 tauchte das Virus erstmals in Europa in Wien auf und verursachte dort ein Massensterben der Amseln. Die Infektionswelle ebbte dann langsam ab, weil immer mehr Vögel gegen das Virus immun wurden", sagt Schmidt-Chanasit. In Österreich wurde die Infektion damals auch auf Menschen übertragen. Sie ist aber für Gesunde mit einem intakten Immunsystem nahezu ungefährlich. "Bei sonst Gesunden verläuft die Infektion oft ohne Symptome, sodass sie gar nicht merken, dass sie krank sind. Oder sie bekommen eine leichte Erkrankung mit Fieber, Hautausschlag und Kopfschmerzen, ähnlich wie eine Sommergrippe", sagt der Virologe. Gefährlich wird eine Infektion für Ältere und Immungeschwächte. Bei ihnen kann sich im schlimmsten Fall eine Gehirnentzündung entwickeln.

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Welche medizinische Bedeutung die jetzigen Ergebnisse für die Bevölkerung in Deutschland haben, müssen nun weitere Untersuchungen klären. Zurzeit gebe es aber keine Hinweise darauf, dass das Usutu-Virus in Deutschland auf Menschen überspringe oder gar eine Epidemie auslöse, sagt Schmidt-Chanasit.

Der Virologe sieht die Entdeckung des Virus als ersten Erfolg eines Frühwarnsystems, das vor zwei Jahren in Deutschland eingerichtet wurde. Dieses System soll Voraussagen darüber ermöglichen, welche durch Steckmücken übertragenen Viren sich in Deutschland ausbreiten und möglicherweise Menschen und Tieren bedrohen können und wo sie vorkommen. Im Rahmen des Projekts schicken Mitarbeiter der Kommunalen Aktionsgemeinschaft zur Bekämpfung der Stechmückenplage (KABS) jetzt tot aufgefundene Amseln zur weiteren Untersuchung an das Bernhard-Nocht-Institut in Hamburg. Außerdem hat die KABS nach dem Nachweis des Usutu-Virus bei der toten Amsel auch das Gesundheitsministerium in Baden-Württemberg informiert. Das Usutu-Virus ist aber kein Einzelfall, sondern reiht sich ein in eine Kette exotischer Krankheitserreger, die in den vergangenen Jahren in Deutschland entdeckt wurden. Bereits 2009 haben Wissenschaftler des Bernhard-Nocht-Instituts zwei tropische Viren in deutschen Stechmücken gefunden: das aus Afrika stammende Sindbis-Virus und das Batai-Virus, das in Südostasien und in Afrika heimisch ist.

Das Sindbis-Virus kann die sogenannte Ockelbo- oder Pogosta-Krankheit auslösen. Die Infektion verursacht in der Regel Beschwerden wie Abgeschlagenheit oder Kopfschmerzen und klingt innerhalb von ein bis zwei Wochen ab. Es können dabei aber auch Fieber und Gelenkschmerzen auftreten. Das Batai-Virus verursacht eine fiebrige Erkrankung mit grippeähnlichen Symptomen.

Infizierte Stechmücken werden über Warentransporte eingeschleppt

Dass sich tropische Viren auch in den kühleren Gegenden in Europa zunehmend ausbreiten, habe mehrere Ursachen, sagt Schmidt-Chanasit. "Entscheidend dafür ist die Zunahme des Warentransports und des Reiseverkehrs. Damit werden auch mehr infizierte Stechmücken eingeschleppt. Eine andere Möglichkeit besteht darin, dass infizierte Menschen nach Deutschland einreisen und hier von Mücken gestochen werden, die dann das Virus aufnehmen und weiterverbreiten." Und auch der Klimawandel spiele eine Rolle. "Denn wenn es wärmer wird, können sich die Mücken länger und besser vermehren", sagt Schmidt-Chanasit.