Ein Symposium an der TU Hamburg-Harburg zeigt weiteren Forschungsbedarf beim Flugzeugbau, damit CO2-Emissionen halbiert werden.

Hamburg. Die Klima- und Umweltziele, die sich die Luftfahrtbranche vor einem Jahrzehnt für das Jahr 2020 gesetzt hatte, werden nicht erreicht werden. Das zeigte gestern eine Halbzeitbilanz auf dem Symposium "Luftverkehr der Zukunft", zu dem sich bis heute gut 100 Fachleute der Luftfahrtbranche an der Technischen Universität (TU) Hamburg-Harburg trafen.

Der europäische Forschungsverbund ACARE (Advisory Council for Aeronautics Research in Europe) will die Luftfahrt zukunftsfähig machen. In ihm suchen nationale Forschungseinrichtungen, etwa das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), sowie Fluglinien und Flugzeughersteller nach Antworten auf dringende Herausforderungen. Einen Schwerpunkt bildet der Umwelt- und Klimaschutz. Hier lauten die Ziele: Die CO2-Emissionen eines Flugzeugs sollen um 50 Prozent, sein Stickstoffausstoß um 80 Prozent gesenkt werden. Weiterhin gilt es, den am Boden wahrgenommenen Fluglärm zu halbieren. "Wir werden keines der drei Ziele erreichen", sagt Prof. Volker Gollnick, der Leiter des Instituts für Lufttransportsysteme der TU und des DLR.

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Bei den Stickoxiden könne man dem Ziel nahe kommen, so Gollnick, beim CO2 klaffe eine "technologische Lücke" zwischen den verfügbaren Spartechniken und der ambitionierten Vorgabe. Es könne nur zu 65 bis 80 Prozent erreicht werden, bei Kurzstrecken besser als bei Langstrecken. "Ein Teil der Klimaschutz-Innovationen ist bereits im Einsatz, ein weiterer in der Entwicklung. Um aber den CO2-Ausstoß zu halbieren, sind technologische Sprünge nötig", sagte Gollnick.

Der Klimaschutz ist eng verbunden mit der Einsparung von Kraftstoff(kosten) und deshalb auch ein Wettbewerbsargument für die europäische Luftfahrtindustrie. Sie hat ihre Flugzeuge bereits auf Diät gesetzt. In der Konstruktion ersetzen carbonfaserverstärkte Kunststoffe (CFK) verstärkt Metalle, um Gewicht zu sparen. Airbus nutzt den Werkstoff beim A380 und beim neuen A350. Dessen Rumpf und Flügel bestehen aus CFK. Jedoch setzt Airbus nur bei den größeren Flugzeugen auf das Material. Für die kleineren Flieger eigne es sich weniger gut, weil sie in viel größerer Stückzahl produziert werden.

Um die industrielle Fertigung von Großbauteilen aus CFK voranzubringen, hat sich in Stade Europas größtes Forschungszentrum in diesem Bereich gebildet, das CFK Nord. Es gehört zu einem Netzwerk, in dem sich etwa 20 000 Forscher und Entwickler austauschen. Mit im Boot: der Chemieriese Dow Chemical. Er liefert das Epoxidharz, das bei CFK-Bauteilen rund 50 Prozent der Masse ausmacht.

Neben dem Leichtbau könnten zukünftig elektrische Antriebe die Flugzeuge am Boden rollen lassen. Brennstoffzellen könnten den Bordstrom produzieren, im Fluge und am Boden. Ein weiterer Bereich ist die Aerodynamik: "Unser Ziel ist eine glatte Strömung entlang der Flugzeugkontur", sagte Gollnick. Wenn sich dagegen kleine Wirbel bilden, so schlucken diese Sprit und verursachen zusätzlichen Lärm.

Bislang trägt der Flugverkehr zwar nur mit etwa 2,5 Prozent zu den globalen CO2-Emissionen bei. Doch sein Anteil wächst rasant. Wie wichtig der Klimaschutz in diesem Sektor wird, zeigte Falk Heinen vom Bundesumweltministerium: Derzeit stoße der globale Luftverkehr etwa 600 Millionen Tonnen Kohlendioxid aus; bis zum Jahr 2050 könnte sich der Ausstoß verfünffachen, wenn nicht rigoros gegengesteuert werde, warnte der Experte. Und Axel Krein von Airbus geht davon aus, dass die Zahl der täglichen Flüge im globalen Luftverkehr von heute 25 000 bis zur Mitte des Jahrhunderts auf 150 000 bis 200 000 ansteigen wird.

Die damit verbundene Zunahme der Starts und Landungen schafft eine weitere Herausforderung für den Lärmschutz. Hier erprobt der ACARE-Verbund verschiedene An- und Abflugvarianten. Etwa einen steileren Anstieg, damit die Distanz zum Boden und den dort lebenden Menschen möglichst schnell wächst. Oder Landungen, die - dem Segelflug ähnlich - eine flache Flugbahn mit kontinuierlichem Höhenverlust beschreiben. Im technischen Bereich sollen die Triebwerke schallisoliert sowie das Fahrwerk, die Start- und Landeklappen leiser werden.

Viele technische Neuerungen stehen kurz vor dem Abheben. Andere verschaffen den Flugzeugbauern möglicherweise die technologischen Sprünge, die nötig sind, um mit den Herausforderungen Schritt zu halten. Dazu könnten neue Konstruktionen wie der "Blended Wing Body" zählen, ein Flugzeug, dessen Rumpf fließend in den Flügel übergeht. Dieses Projekt entwickeln die TU-/DLR-Forscher derzeit in Harburg. Volker Gollnick: "Wenn ein Flugzeug der Zukunft komplett anders aussehen wird, dann so."