Brennstoffzellen, Biosprit und effizientere Turbinen: Deutsche Forscher tüfteln an umweltfreundlicheren Flugzeugen.

Wenn sich Flughafen-Anwohner bald über bessere Luft und mehr Ruhe freuen dürfen, haben sie das vielleicht Forschern des Hamburger Instituts für Flugzeug-Systemtechnik (FST) zu verdanken. Denn ein Team von jungen FST-Ingenieuren arbeitet daran, die so genannte Auxiliary Power Unit überflüssig zu machen, ein Hilfstriebwerk, das im Heck von Flugzeugen seinen Dienst tut. Angetrieben durch Kerosin, versorgt es verschiedene Systeme an Bord mit Energie, wenn die Triebwerke nicht laufen. Dabei pustet es nicht nur Kohlendioxid (CO2) in die Luft, sondern gibt auch ein Pfeifen von sich, das im Chor mit anderen Hilfsgasturbinen zu einer nervtötenden Geräuschkulisse anschwellen kann. Das Team vom FST will die vorlaute Maschine im Heck nun durch eine flüsterleise Brennstoffzelle ersetzen, die mit Wasserstoff läuft und keinerlei CO2 erzeugt. Schon in der nächsten Flieger-Generation könnte das neue System zum Einsatz kommen.

Weniger Abgase, weniger Lärm, am Boden ebenso wie in der Luft - das Hamburger Projekt, Teil des vom Bund geförderten Spitzenclusters "Neues Fliegen", zeigt beispielhaft die neuen Leitsätze in der Flugzeugentwicklung. Ob bei Airbus, Boeing oder kleineren Flugzeugherstellern: Kaum ein neues Modell wird heute noch geplant, ohne dass Öko-Effizienz dabei nicht eine maßgebliche Rolle spielen würde. "Umwelt- und Klimaschutz ist das treibende Thema für die kommenden 20 Jahre", sagt Professor Frank Thielecke, Leiter des FST, das zur Technischen Universität Hamburg-Harburg gehört.

Angesichts des Klimawandels stehen Flugzeugbauer und Airlines immer stärker unter Druck. Der Flugverkehr wächst seit Jahren, und Flugzeuge schaden dem Klima gleich in mehrfacher Hinsicht. Sie stoßen nicht nur tonnenweise CO2 aus, sondern auch Stickoxide und Wasserdampf, die ebenfalls negative Folgen haben. Stickoxide bilden in der Atmosphäre Ozon, das dort wie das CO2 als Treibhausgas wirkt. Zwar bauen Stickoxide auch Methan ab, ein anderes Klimagas; der Ozoneffekt überwiegt jedoch.

Der Wasserdampf wiederum trägt in großer Höhe dazu bei, dass sich Eiswolken bilden, die von der Erde kommende Wärmestrahlung reflektieren - und dadurch ebenfalls den Treibhauseffekt verstärken. Aus diesen Gründen sei der Ausstoß von Flugzeugabgasen in 10 000 Meter Höhe mindestens 2,7-mal so schädlich wie am Boden, sagt Greenpeace-Klimaexperte Karsten Smid.

Entsprechend läuft die Forschung in der Industrie auf Hochtouren, wobei Unternehmen wie Airbus zunehmend auf die Kompetenz von Hochschul-Instituten setzen, etwa auf das Hamburger FST. Dort tüfteln die Ingenieure neben der Brennstoffzelle noch an weiteren Technologien, die das Fliegen umweltfreundlicher machen sollen. Zum Beispiel im Projekt "Fahrwerkssysteme der Zukunft". Das Problem: Bisher kommen im Flugzeug elektrische, hydraulische und pneumatische Systeme zum Einsatz, die Signale, Kraft und Energie übertragen. Es wäre aber energieeffizienter, wenn möglichst viele Systeme nur elektrisch betrieben würden. Das gilt auch für das Fahrwerk, das bisher mit einer wartungsintensiven Hydraulik arbeitet, nun aber von einem Elektromotor betrieben werden soll - das würde insgesamt Gewicht und somit Treibstoff sparen.

Mit Treibstoffsparen beschäftigen sich auch etliche Forscher der renommierten Fraunhofer-Institute. Ihr Augenmerk gilt dabei vor allem der Flugzeughaut und den Tragflügeln. Das Problem: Ein erheblicher Teil des Luftwiderstandes geht auf Reibung an der Flugzeugoberfläche zurück. Deshalb haben die Ingenieure vom Bremer Fraunhofer-Institut für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung (IFAM) einen neuartigen Lack entwickelt, der in den nächsten Jahren auf den Markt kommen soll. Dessen Oberfläche besteht aus mikroskopisch kleinen Rillen, so genannten Riblets, die Haischuppen nachempfunden sind. Der strömungsgünstige Effekt von Riblets ist zwar schon seit den 1970er-Jahren bekannt, doch bisher kamen sie nur auf Folien zum Einsatz - für Flugzeuge keine dauerhafte Lösung.

Außerdem tüfteln Fraunhofer-Forscher an so genannten adaptronischen Systemen. Dabei handelt es sich um "intelligente" Materialien, etwa Gedächtnislegierungen, die mit Sensoren und Reglern kombiniert werden. Durch das Zusammenspiel solcher Komponenten könnten verformbare Tragflügel entstehen, die sich Belastungen in der Luft, etwa Böen, selbstständig oder gesteuert anpassen.

Damit darunter die Sicherheit nicht leidet, haben Forscher des Darmstädter Fraunhofer-Instituts für Betriebsfestigkeit und Systemzuverlässigkeit (LBF) ein neues Überwachungssystem entwickelt. So genannte Aktoren senden in den Tragflächen Signale aus, die ein Netz von Sensoren empfängt und an einen Computer weitergibt. Dadurch werden Schäden sofort entdeckt.

Die Entwicklungen sind Teil des Programms "Clean Sky", das die EU-Kommission und die europäische Luftfahrtindustrie bis 2013 mit 1,6 Milliarden Euro fördern. "Ein derart umfassendes Forschungsprojekt hat es in Europa noch nicht gegeben", sagt Professor Holger Hanselka, Leiter des LBF. Auf der Internationalen Luft- und Raumfahrtausstellung vom 8. bis 13. Juni in Berlin wollen die Fraunhofer-Ingenieure ihren Beitrag für einen sauberen Himmel nun einem breiten Publikum vorstellen.

Dort wird auch das Deutsche Luft- und Raumfahrtzentrum (DLR) präsent sein. Dessen Experten erforschen synthetische "Designer-Treibstoffe" auf Basis von Biomasse und Erdgas, die weniger CO2 produzieren sollen als das herkömmliche Kerosin auf Erdölbasis. Gleichzeitig sollen die Motoren sparsamer und langlebiger werden. Forscher des Göttinger DLR-Instituts für Antriebstechnik entwickeln deshalb mit dem Turbinenhersteller Rolls Royce effizientere Turbinen. Bei der Fertigung setzen sie auf eine revolutionäre Methode: das Lasersintern. Dabei baut ein Laser die filigranen Turbinenschaufeln schichtweise aus einem Metallpulver und kann diese dadurch präziser formen. Der Vorteil: bessere Strömungsverhältnisse in den Triebwerken.

Die Innovationen der Forschergemeinde sind mit großen Erwartungen verbunden. Das europäische Beratungsgremium ACARE fordert bis 2020 eine Reduktion der Kohlendioxidemissionen in der Luftfahrt um 50 Prozent; der Ausstoß von Stickoxiden soll sogar um 80 Prozent verringert werden. "Diese Ziele sind zwar ambitioniert, aber erreichbar", sagt Frank Thielecke, Leiter des FST.

Thomas Smid von Greenpeace sieht das anders. Technische Neuerungen dürften nicht ausreichen, um den wachsenden CO2-Ausstoß durch den Flugverkehr in den Griff zu bekommen, sagt der Klimaexperte. Ein Flug von Deutschland nach Teneriffa und zurück erzeuge so viel CO2 wie ein Jahr Autofahren mit einem Mittelklassewagen, rechnet Smid vor. Sein Fazit: "Wir müssen endlich weniger fliegen und Alternativen nutzen."